Ich mach noch schnell einen Schrein
The Legend of Zelda: Tears of the Kingdom klammert.
Die freiberufliche Heimarbeit funktioniert super. So kann ich unter der Woche für meine Familie kochen. Ich werde gleich das Kochgeschirr auf den Herd wuchten, eine zwingende Nudel-Tomate-Biohackbällchen-Kombo zaubern, dann werden wir alle gemeinsam da sitzen, einander in die Augen schauen und zufrieden kauen. Das wird super.
Aber ich mach nur noch schnell den Schrein. Ich bin am Stall angekommen, nur ein paar Meter weiter leuchtet es grün und blau von der Klippe. Das sind die Signalfarben. Ich kletter' da nur schnell hoch, mach an der Felswand zwei Sätze nach oben, bin schon oben angekommen, aktiviere den Schrein, fühle die Erleichterung, als der Schnellreisepunkt aufleuchtet, und muss kurz ans Kochen denken, als ich durch das Portal hereinschlüpfe.
Kochen werde ich gleich, sofort. Ich schau nur schnell in den Schrein rein. Vielleicht geht er ja schnell, wie kürzlich, als eine wichtige Kugel auf einem Jenga-Turm lag, und es anfangs kompliziert und nach viel Balancierarbeit aussah, bis ich verstand, dass die Jengaklötze Strom leiten und ich nur zwei da rausfuchsen und zu einer Leitung verbinden musste, damit eine schwebende Plattform an die wichtige Kugel heranflog.
Das ging ganz schnell. Vielleicht geht es diesmal auch so schnell, und dann wird sofort gekocht.
Der Schrein lädt, ich hatte die Ladebildschirme verdrängt, aber sie dauern auch stets nur ein paar Sekunden. Dann sehe ich Link da stehen.
Er hat sich bis auf die Unterwäsche ausgezogen.
Ich will mich schon ärgern. Ist es einer von diesen Kampfschreinen? Die fand ich schon immer doof, enttäuschend, die habe ich schon bei Breath of the Wild irgendwann links liegen lassen. Kampfschreine schicken mich halbnackt in die Konfrontation mit verschiedenen Militärkonstrukten.
Solche Geschicklichkeitstests sind quasi unter meiner Würde, denn bei Zelda muss ich nur dann geschickt ausweichen und zuschlagen, wenn ich keine klügere Alternative finde.
Es gibt immer eine klügere Alternative.
Wenn ich Aufgaben mit Waffen löse, dann indem ich mit dem Eisknüppel auf das Wasser schlage, um mir Eisschollen zu schaffen, über die ich dann laufen kann. Oder ich mach einen Stein an die Stangenwaffe und werfe sie gegen eine Zielscheibe, statt eine Riesenkugel umständlich dahin zu flippern. Viele Schummellösungen fühlen sich an, als wären sie heimlich mitgedacht worden: Der Raum legt eine leicht verständliche, aber umständliche Lösung nah. Und nur besonders pfiffige Typen (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) wie ich finden dann den Hack, mit dem es schneller geht. Menschen das Gefühl zu geben, sie wären klüger, als sie sind: Das ist gutes Design.
Ich renne durch das Spiel wie ein Zauberlehrling, der sich tausend Zutaten in die Taschen gestopft hat; die Lösung auf alle denkbaren Probleme, wenn er sie nur findet. Ich schleiche in feindliche Lager und verschieße Irrknospen auf Moblins, ich knuffe sie mit Pilz-Hellebarden von den Bergklippen, ich mache No-Look-Headshots mit zielsuchenden Flederbeißeraugenpfeilen.
Und jetzt stehe ich nackt da. Ohne Taschen. Da kann ich auch eben Wasser aufsetzen gehen. Das mache ich, es sprudelt kalt in den Nudeltopf, ich löffle das Salz herein, stelle auf höchste Stufe und schau nur noch kurz, was denn die Kampfaufgabe bei diesem enttäuschenden Schrein ist.
Im Vorraum liegen je zwei Sonau-Staubsaugerroboter und scharfzackig bewehrte Eisenplatten. Die Gegner kommen dann einen Raum weiter.
Meine Augen weiten sich.
Es ist doch eine Bastelaufgabe!
Statt Knüppeln und Schwertern bekomme ich einen Versuchsaufbau.
Natürlich werde ich gleich kochen. Aber ich muss kurz die Bastelaufgabe ausprobieren. Ich klebe die Plakette mit meiner Ultrahand an den kleinen Fahrroboter und aktiviere ihn. Er wackelt unentschlossen hin und her, dann bleibt er stehen.
Vielleicht muss ich ihn näher an die Gegner heranführen. Ich sehe sie im Nebenraum: Dort erhebt sich eine Art Hügel aus befahrbaren Rampen, überall leuchtet es rot. Das Signallicht gehört den Sonau-Kriegerkonstrukten, träge schwebende Roboter, einzeln total lächerlich, aber im Verbund gefährlich, für einen Menschen mit meinem beschränkten Überblick der sichere Tod, sobald die mich einmal einkesseln.
Aber soweit kommt es nicht. Ich bin klug, davon hat mich das Spiel schon öfter überzeugt, und diesmal besteht meine Klugheit darin, den Kampf—und-Saugroboter in den nächsten Raum zu schleppen. Tatsächlich – er fährt los und steuert selbstständig die Gegner an! Ein Konstrukt schwebt die Rampe herunter, auf meinen Bot zu und voll in die Zacken rein, es knallt, der Gegner nimmt Schaden. Ich nicke, als hätte mir gerade jemand für meinen exzellenten Einfall auf die Schulter geklopft.
In meine Freude hinein mischt sich die wahrgenommene Bedrohung. Ein zweiter Kampfroboter hat mich gesehen, sein roter Suchscheinwerferblick schaut nicht zum Zackenstaubsauger, sondern direkt in meine Richtung. Er fährt auf mich zu. Von irgendwo ist ein Zischen zu hören, ein lauter werdendes Rauschen.
Erschrocken renne ich in den Vorraum zurück. Hier liegt noch eine Stachelfalle, daneben steht noch ein kleiner Fahrroboter, aber ich habe keine Zeit, das Wasser kocht auch gleich, ich nehme nur die freie Stachelplakette, halte sie mit meiner Ultrahand wie ein Schild vor mich, und erwarte damit den Angreifer. Kaum kommt er durch die Tür, rennt er in die Falle, wird zurückgeworfen und nimmt Schaden.
Mein Plan funktioniert.
Aber er nimmt sehr wenig Schaden, der rote Lebensbalken dellt sich nur minimal ein. Und dann fährt er weiter auf mich zu. Und ein zweites Kriegerkonstrukt schwebt durch den leeren Türrahmen herein. Alles ist verloren. Die zwei werden mich einkesseln, ich ahne es schon. Mein Ausweichsprung wird mich in die Klinge des zweiten Angreifers stürzen. Ich kann jetzt eigentlich auch kochen gehen.
Doch dann passiert es: Mein Killerbot fährt herein. Er kommt aus dem Nebenraum zurück. Er hat dort wahrscheinlich mehrere Gegner besiegt und schaut jetzt, ob er hier helfen kann. Mein Plan geht doch auf!
Ich habe das vielleicht nicht im Detail so geplant. Ich ernte quasi die angenehmen Nebeneffekte meiner klugen Entscheidung vorhin: nicht die mit dem Topf, sondern wie ich den Killerbot gebaut habe.
Der Topf.
Ich pausiere schnell, gehe in die Küche, haue Hackbälle in die Pfanne, Tomatenbrei in den kleinen Topf, schalte alles ein, das dauert Sekunden, das Wasser rauscht wütend, bald wird es kochen, aber ich bin noch einmal ganz kurz im Schrein.
Im Schrein aber geht nichts kurz. Die feindlichen Kampfroboter und mein tapferer Saugbot verkeilen sich ineinander, ich halte sie mit der Stachelplakette in meiner Ultrahand auf Distanz. Gelegentlich versucht ein Gegner, auf mich zuzuschweben und nimmt Schaden.
Sonst passiert wenig.
Wenn ich wollte, könnte ich jetzt geschickt ausweichen und dann zuschlagen, das ginge viel schneller. Aber ich mache das doch immer klug. Langsam, aber klug. Das ist meine Strategie.
Das Nudelwasser kocht jetzt aber auch eindeutig.
Also gut, ich pausiere noch einmal, schmeiße Nudeln ins Wasser, öffne das Fenster, lasse den Dampf aus der Küche, schüttle die Pfanne, dass die wütend zischenden Bällchen hüpfen, rühre um und wische die Tomatenspritzer von den Kacheln und schau dann doch noch einmal schnell beim Schrein vorbei.
Als beides fertig ist, Schrein und Essen, fühle ich mich, als hätte ich zwei Segenslichter verdient. Ich bekomme nur eins. Es fühlt sich wie Lohndumping an.
Das ist die eigentliche Herausforderung in Tears of the Kingdom: ein Spiel, das selbst beim Verlaufen und Scheitern so unanständig viel Spaß macht, trotzdem wieder auszuschalten.
Ich muss es nicht immer spielen, da habe ich mich noch unter Kontrolle. Aber sobald ich es einschalte, klebe ich wie ein Eisenspan am Magneten. Es gibt so viele Möglichkeiten. So viel kann nicht nur passieren, sondern passiert die ganze Zeit. Ich bringe Krogs zu ihren Kumpels, entdecke unterwegs einen Höhleneingang, werde auf dem Weg dahin von Oktoroks angegriffen, freunde mich mit ihnen an und wir gründen eine Band.
Tears of the Kindom ist ein gutes Spiel.
Sehen wir uns öfter?
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