#6 Gesundheitsnotfallsystem - Wie der Neoliberalismus uns krank macht
Kolumne vom 30.08.2024
Es war wahrscheinlich 2009 und ich saß wieder mal beim Arzt. Ich hatte seit Wochen, besser gesagt Monaten Bauchschmerzen, Rückenschmerzen und konnte nicht richtig essen. Ich war ständig krank und abgeschlagen, kurz: Ich fühlte mich einfach richtig scheiße. Lehrpersonen waren nicht begeistert von meinen häufigen Fehlzeiten, Betreuer*innen vermuteten, dass ich die Schule verweigerte – viel eher war es jedoch ein Verweigern krank zur Schule zu gehen, weil es nicht mehr ging.
Der Arzt warf mir einen kurzen Blick zu, hörte sich an, was ich zu sagen hatte und stellte mir dieselbe Diagnose, die die anderen vor ihm schon stellten: Mehr Bewegung, denn ich sei zu dick und Therapie für meine angeschlagene Psyche. Das sei sicher vom Stress und vom Bewegungsmangel. Es war sehr spannend, dass mir Leute in meiner Umgebung zu dieser Zeit unterstellten zu faul und zu gestresst gleichzeitig zu sein. Es folgten noch einige mehr Arztbesuche, mehrere Krankenhausaufenthalte ambulant und stationär und Monate, in welchen mir nicht geholfen wurde. Irgendwann bestand ich darauf, mich (noch) mal auf Lebensmittelintoleranzen und -allergien testen zu lassen und siehe da: Laktoseintoleranz und einige Allergien konnten mir attestiert werden. Seitdem hat sich mein Allergiepass noch mehr gefüllt, sowie die Liste an Dingen, die ich nicht mehr Essen darf. Und die Wut auf unser Gesundheitssystem. Das war nämlich erst der klägliche Anfang meiner Odyssee, um herauszufinden, was mit meinem Körper los ist und sie ist leider auch keineswegs zu Ende.
Dieses Jahr schreiben wir 2024 und es gibt noch einige Dinge, die bei mir abzuklären sind, Ärzt*innen ratlos machen und mir große gesundheitsbezogene Ängste, sowie Erschöpfung einbringen. Es gibt in meiner Umgebung sehr wenige Spezialist*innen und wenn, sind diese privat zu zahlen. Wenn ich Glück habe, bekomme ich einen Teil von der Krankenkasse rückerstattet. Wenn ich Pech habe, bekomme ich das nicht und auch keine hilfreiche Antwort. Vor allem letzteres ist meistens der Fall. Noch immer ist der erste Impuls von Ärzt*innen mich in Psychotherapie zu schicken, obwohl ich das seit Jahren bin und mir mehr Sport zu verschreiben (obwohl ich nicht mehr dick bin und aufgrund meiner Symptomatik bisher noch keine Möglichkeit gefunden regelmäßig Sport zu machen, was mir auch nicht geglaubt wird). Das ist nur meine Geschichte und sie ist eine von unzähligen anderen. Warum ist das so?
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