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Die Perspektive des Kindes wählen

“Liebe dein Kind immer mehr, als du deinen Ex-Partner “hasst”.

Von Tina Steiger

Eins vorweg: ich halte nichts von Hass. Ich bin der Meinung, Hass ist eine starke Emotion. Und zwar eine, die Ressourcen raubt. Ein gewalttätiger Ex-Partner hat soviel Raum nicht mehr verdient. Anstelle von Hass halte ich es für klug einen Punkt zu erreichen, wo der schädliche Einfluss im Leben einem egal wird. Wo alle Vorkehrungen getroffen und Änderungen vorgenommen sind, um sicherzustellen, dass der andere keinen weiteren Schaden mehr anrichten kann. Dem anderen gegenüber keine Emotion mehr haben, halte ich für ressourcenschonend. Energie und Emotionen gehören dem neuen Leben nach Gewalt.

Wer mit einem Gewalttäter gemeinsame Kinder hat, weiß, dass nicht davon einfach ist. Dank eines Familienrechtssystems, das den Rechten eines Täters derzeit Vorrang vor den Schutzrechten von Mutter und Kind gewährt, ist für die meisten Frauen ein Umgangsausschluss keine Option. Das heißt also, der missbräuchliche Ex-Partner hat weiter einen Einflussbereich auf das eigene Leben, kann (und wird) gemeinsame Kinder und die Umgangskontakte instrumentalisieren, um der (entkommenen) Ex-Partnerin weiter emotionale Verletzungen zuzufügen. Sich dafür zu wappnen heißt auch, die Dinge anzuerkennen, wie sie sind.

Fokus lenken lernen

Der Fehler, den viele Mütter hier anfangs machen ist, jede Provokation und Verfehlung aufzuzeigen. Das schadet nicht nur dem Verfahren und der eigenen Position mehr, als es nützt, sondern lenkt auch den Fokus in eine falsche Richtung. No emotion ist das Ziel. Insofern ist Ignorieren das Mittel der Wahl. Das klingt deutlich leichter, als es ist, lässt sich aber üben. Der Vater lässt regelmäßig Kleidung des Kindes verschwinden? Du kaufst ein abgetragenes Kleiderpaket bei Kleinanzeigen und widmest es den Papa-Umgängen. Auf Dauer werden alle Spielchen langweilig, die dem böswilligen Ex-Partner selbst auf die Füße fallen. Aus eigener Erfahrung und den Berichten von Müttern weiß ich, dass diese (unreifen) Männer ein hohes Geltungsbedürfnis haben. Kommt das Kind nun mit gebrauchter Kleidung ins Wochenende, stoppt ihn das vom Einbehalten, weil es ja nichts von Wert ist. Zugleich wird ihn ärgern, dass die schöne Kleidung für die Zeit bei ihm fehlt. Dauerhaft ist die Lernkurve solcher Aktionen belegt, ohne dass Frauen darauf große Emergie verwenden müssen. Das gilt auch für Kommunikationsbeschränkungen mit dem Ex-Partner, unpersönliche Kindsübergaben ohne ein Aufeinandertreffen oder das Einbeziehen von Zeugen. Mit etwas Übung wird Frau Expertin darin, die Aufmerksamkeit für seine Dramen gering zu halten. Wie beim Pawlowschen Test lernt er, dass die nötige Aufmerksamkeit (= Energie) ausbleibt.

Energie schützen

Was viele Frauen anfangs vergessen ist, warum das wichtig ist. Diese Trennung war keine. Sie war eine Flucht. Und nur weil jetzt ein familiengerichtliches und wahrscheinlich auch dein soziales Umfeld eine gemeinsame Elternschaft von dir erwarten, heißt es doch, einen Umgang mit deinem Täter zu pflegen. Mit allen Erinnerungen, Reaktionen deines Körpers darauf und allen gesundheitlichen Rückschritten, die immer wieder neu damit einhergehen. Das soll heißen: du brauchst die Energie für euch. Für gesunde neue Routinen, einen Alltag, der stärkt und neue Perspektiven bietet. Ein Fokus auf die toxischen Manöver des Ex-Partners hat darin keinen Raum. Das ist gesunder Selbstschutz und nicht – wie dir vielleicht vorgworfen wird – ein Spiel deinerseits, um den Vater des Kindes zu treffen.

Bei allem Selbtschutz sind in diese Geschehen Kinder involviert, für die ein Rückzug aus der Situation in den meisten Fällen nicht möglich ist. Die mitbetroffenen Kinder werden in den in regelmäßigen Kontakt mit ihrem Vater gezwungen. Oft auch dann, wenn er ihnen Gewalt angetan hat und sie Kenntnis von den Gewalttaten an ihrer Mutter haben. Für sie sind diese Situationen ohnehin schwierig, weil sie so viele Widersprüche bergen. Jemand übt Gewalt aus und soll sie dennoch sehen. Jemand verletzt sie und gibt doch vor, sie zu lieben. Sie spüren Ungesagtes, das niemand aufklärt und aufgestaute Emotionen, die kaum jemand benennt. All die kognitivem Dissonanzen aus einander entgegenstehenden Gefühlen und Erwartungen bergen ein hohes Risiko, sich negativ auf die Entwicklung auszuwirken. Diverse Studien untersuchen die Auswirkungen auf die Kindesentwicklung genauer und kommen zu genau diesem Schluss.

Das heißt nicht, dass es sich ändert. Das heißt nur, dass es schwer bleibt. Aus meiner Sicht kann der Königsweg daher immer nur sein, in allem (!) die Perspektive des Kindes zu wählen. Die Frage stellen: “Wie fühlt sich das für mein Kind an?”. Aber auch: “Welche Auswirkung hat das auf mein Kind?”. “Nimmt mein Kind schaden?” Das kann und wird nicht immer nur Komfort bedeuten. Das meint auch nicht, zugunsten des Vaters oder den Wünschen im Familienrechtssystems immer klein bei zu geben. Mütter sollten sich nach Gewalt durch den Vater als Fürsprecherinnen ihrer Kinder verstehen. Denn eine per se paritätische Elternschaft tut das nicht. Die Frage, die sich stellt, ist also immer, wähle ich für mein Kind gerade Konsens und damit Komfort, der aus einer Konfrontattionsvermeidung herausgeht? Oder wähle ich Widerstand, weil ich weiß, dass mein Kind hier Schutz und Unterstützung zur Wahrung seiner Rechte braucht. Je nach Situation kann das eine oder andere richtig sein und ich ermutige Mütter, sich zuzutrauen und täglich besser darin zu werden, die Situationen immer besser einzuschätzen.

Was nützt dem Kind gerade mehr? Ist es durch dei Situation langfristig geschützt oder nimmt es Schaden? Welchen Ball lasse ich fallen, welche Situation lasse ich unkommentiert durchgehen, welchen Konflikt greife ich nicht auf, damit es mein Kind gerade leichter hat? Und welche Kämpfe müssen dagegen ausgetragen werden, weil das Kind sonst langfristig oder in der Situation schaden nimmt? Die Perspektive des Kindes wählen, kann heißen, zu unterscheiden, wann mit Kindern über ihr Erleben gesprochen werden muss und wann es zuviel wird. Wann ein Auffangen nötig ist und wann es stattdessen Wunden aufreißt. Wann ein Einstehen sein muss und wann ein Drama des Ex-Partners getrost zugunsten des Kindes ignoriert werden darf.

Was jeweils richtig ist, entscheidet allein die Mutter, die ihr Kind am besten kennt. Keine Fachkraft ersetzt diese Einschätzung. Keine Lehrbuchmeinung ist imstande die Situation so sicher einzuschätzen, wie die Mutter, die die Situation sprichwörtlich lebt. Ich wünsche mir ermächtigte Mütter, die lernen, sich genau das zuzutrauen. Die im Vertrauen Entscheidungen treffen, dass ihre Einschätzung Gewicht hat. Und die lernen, ihre Entscheidungen sicher, knapp und klar zu kommunizieren. Die Perspektive des Kindes zu wählen ist ein Gradmesser für richtige Entscheidungen. Wenn es dem Kind (objektiv betrachtet schadet, kann es nicht richtig sein. Auch wenn Fachkräfte zu einer anderen Einchätzung kommen. Wenn eine Entscheidung dagegen nachgiebig oder inkonsequent erscheint, aber dem Kind zugute kommt, es im Moment einfach macht, dann muss genau das bevorzugt werden. Einschätzen lernern. Sich selbst vertrauen lernen. Und ein Helfersystem dann als Partner fürs Kind verstehen, sich dem jedoch mit dem eigenen Bauchgefühl und der eigenen Einschätzung nicht länger unterordnen. Das schafft langfristig, dass kein Hass entsteht, dass der Ex-Partner egal(er wird. Dass er parallel Vater sein kann, wo er es kann. Und dass Mütter dort eingreifen und schützen, so sie den Bedarf sehen.

Sujet Freiheit kreieren

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