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Die Regelmäßigkeit und Ich

Am Anfang einer Idee bin ich immer sofort Feuer und Flamme. Meine erste Therapeutin sagte mal zu mir: „Wenn Sie etwas Neues anfangen, dann immer mit 120%, weil es Ihnen Freude bereitet. Aber sobald ein Zwang dazu kommt ein äußerer Einfluss auf ihre Freude, ist es damit auch schon wieder vorbei.“

Willkommen in meinem Leben.

Ganz ehrlich, es gibt kaum etwas, das mich an meinem ADHS so sehr belastet wie die Unverträglichkeit gegen Einschränkungen, Grenzen, Sinnlosigkeit und starre Muster. Nicht mal meine Vergesslichkeit beeinträchtigt mich so sehr. Dagegen kann ich wirken, meistens kostet es mich etwas Zeit und Nerven, wenn ich etwas vergesse, aber diese Unfähigkeit mich an bestimmte Rahmen zu halten, wird mir irgendwann noch das Genick brechen. Wahrscheinlich früher als später. Warum ich das trotzdem immer wieder versuche? Nun vermutlich, weil es einfach gängig ist. Das ist „normal“ man macht ein Angebot, also muss man auch regelmäßig etwas liefern. Dass mich das aber in eine absolute Paralyse bringt, hat mir nie jemand gesagt.

Dass zu meinen ADHS Symptomen noch so viel mehr gehört, als ich bisher gedacht habe, habe ich aus dem Buch „Hirngespinste“ von Lisa Vogel erfahren. Ich habe das jetzt schon auf einigen Plattformen geäußert, aber wer selber denkt, dass er/sie ADHS haben könnte oder liebe Menschen um sich hat, die davon betroffen sind, der sollte dieses Buch ganz ganz dringend lesen. Ich persönlich konnte mich mit allem, was Lisa dort schreibt identifizieren, bis auf eine Ausnahme. Ich bin nicht alkoholabhängig, dafür schaffe ich es nicht von den Zigaretten weg. Durch ihr Buch hat sie mir nicht nur aufgezeigt, dass das was bei mir im Kopf und Körper so passiert, eben viel mit meiner ADHS Behinderung zu tun hat, sondern auch, wie sie damit umgeht und welche Strategien sie fährt. Eine erste habe ich für mich übernommen:

Radikale Ehrlichkeit.

Es gibt bestimmte Dinge, die ich eben, weil ich ADHS habe nicht gut oder gar nicht kann. Über das Thema Zeitblindheit habe ich bereits schon mal geschrieben und das wird auch noch häufiger vorkommen. Lisa nennt in ihrem Buch das Beispiel, dass sie ihre Mutter besuchen möchte und diese ihr antwortet, dass sie kommen soll wann sie möchte. Was passiert? Lisa geht gar nicht los. Da hat mich der Schlag getroffen. Stimmt. Ich bin dann auch nicht in der Lage selber nochmal nachzufragen, ob eine bestimmte Uhrzeit okay ist. Dann habe ich überlegt, woher kenne ich sowas in meinem Leben?

Am gleichen Tag schrieb Nane (eine liebe Freundin und Kollegin, die bei KUM arbeitet) mir, ob wir im Februar einen Livestream zusammen machen wollen und ob ich auf der Creative Word am KUM Stand malen würde. Da hatte ich es. Im ersten Moment musste ich kurz schmunzeln. Denn die Unterhaltung hatte ich so ähnlich auch schon im Herbst mit ihrer Kollegin Anna und im Sommer mit ihrem Kollegen Stefan. „Wollen wir einen Livestream zusammen machen?“ Ja klar gerne. Das wars. Weiter sind wir nicht gekommen.

Ich sah meine Chance für Radikale Ehrlichkeit gekommen. Also habe ich ihr gesagt, dass ich das gerne machen kann, ich aber Rahmendaten brauche. Welchen Tag im Februar soll ich blocken und was für eine Motiv Vorstellung habt ihr? Das gleiche gilt auch für die Messe. Zack wusste Nane, was sie zu tun hat, um mit mir zu einem Punkt zu kommen. (Psssst 27. Februar könnter euch schon mal merken. ;D Achso und Samstag male ich um 15 Uhr auf der Messe.)

Wow. Das hat funktioniert einfach so. Das war ein absolutes Erfolgserlebnis.

Anschließend habe ich das gleiche Mal bei mir ausprobiert. Denn wenn ich zu mir nicht radikal ehrlich bin, wird sich sowieso nie etwas ändern. Ich bin nicht für Regelmäßigkeit gemacht. Etwas immer zu einem bestimmten Zeitpunkt abliefern zu müssen setzt mich derartig unter Druck, dass ich gar nichts mehr machen kann. Es kommt kein schlauer Gedanke, nichts ist mehr gut genug und alles wird wieder verworfen.

Radikale Ehrlichkeit war auch beim Thema Finanzen gefragt. Kein schönes Thema und nichts was man so öffentlich bespricht, aber hey. Ganz ehrlich ich glaube ich bin nicht die Einzige, die es schon mal verkackt hat, weil sie sich zu fein oder feige oder stolz war Hilfe zu suchen. Aber nicht mehr mit mir. Ich war heute bei einem Beratungstermin von den Pfeifferschen Stiftungen hier in Magdeburg. Die gibt es extra für Menschen mit Behinderung, die Hilfe benötigen in welcher Art auch immer. Ich habe ihr meine Lage geschildert und sie hat sofort alles erfasst. Sie hat mir alle nötigen Unterlagen herausgesucht die für mich jetzt wichtig sind und die ich soweit ich kann zum nächsten Termin ausfülle. Ich kann ihr jederzeit eine Email schreiben, wenn ich etwas nicht verstehe, was ich für den Antrag benötige und den Rest füllen wir dann gemeinsam aus. WELCH ERLEICHTERUNG!

Leute ich bin echt nicht dumm, das müsst ihr mir jetzt einfach mal glauben, aber diese Formulare sind für mich wirklich Ausgeburten der Hölle. Wenn ich dann auf Hilfe klicke oder im Internet suche, was die meinen oder haben wollen und ich dann son Beamtendeutsch vorgesetzt bekomme, schaltet mein Hirn nach dem zweiten Komma ab. Ich kann mir noch so viel Mühe geben. Ich kriege das einfach nicht auf die Reihe. Ich bin so dankbar, dass es diese Anlaufstelle gibt, von der ich auch nur erfahren habe, weil eine liebe Freundin mir im Sommer empfohlen hat, mich an die Diakonie zu wenden, falls ich nicht flott genug einen Therapieplatz bekomme, was ich dann auch getan habe. Und die Frau dort hat mir dann von dem Angebot der Pfeifferschen erzählt.

Und wie soll es jetzt weitergehen?

Ich werde meine Selbstständigkeit nicht aufgeben. Ich werde mich nicht wieder anstellen lassen. Zuerst einmal muss ich alle möglichen Anträge stellen und versuchen so gut es geht Einnahmen zu generieren, damit ich alles was ansteht bezahlen kann. Dann muss ich mir ein Konzept überlegen, damit ich gut und kreativ flexibel arbeiten kann und meinen Peeps trotzdem immer was bieten kann. Aber keine Regelmäßigkeit.

Zum Einen bedeutet das, dass dieser Blog zwar bestehen bleibt, du als Leser aber nichts mehr zahlen musst. Ich werde mal sehen, ob wir damit auf dieser Plattform bleiben können, oder ob ich dann umziehen werde. Ich möchte gerne eine freiwillige Kaffeekasse einrichten, wo man was reinwerfen kann, wenn man das möchte, weil einem ein Beitrag sehr gut gefallen hat. Das ist eine andere Art Ansporn für mich kreativ zu sein, als der Druck der Regelmäßigkeit.

Zum Anderen bin ich gerade mit einem sehr wundervollen Unternehmen dabei etwas ganz Neues aufzubauen. Eine Community für kreative Menschen ganz außerhalb von Instagrm und Social Media. Ich bin absolut begeistert von deren Konzept und bin schon wahnsinnig gespannt, wie es wird wenn wir dann in die Umsetzung kommen. Der Launch der Seite soll noch dieses Frühjahr sein und ich werde ein Teil davon sein. wichtig ist für mich, dass die Community und der Austausch im Vordergrund stehen. Es wird dort auch Inhalte von mir geben, wie Anleitungen, Vorlagen etc., diese werden aber nicht in bestimmten Abständen kommen. Sicher wird es Wochen geben wo ich drei vier oder fünf neue Sachen zeige und füttere, manchmal wird es vielleicht mal einen Monat geben, wo man weniger von mir sieht. Aber das Herzstück ist die Community und der Austausch. Ganz ohne Werbung, ganz ohne störende Faktoren, ganz ohne Scham. Es wird eine geschlossene Community sein, zu der man nur zu bestimmten Zeiten beitreten kann und auch die Mitglieder müssen sich an einen bestimmten Codex halten (Freundlichkeit etc.). Es soll eine wertschätzende, Kreativität fördernde und Schutz bietende kleine Party werden nur für uns Kreativnerds.

So.. das war es erst einmal dazu. Meine wundervollen Peeps, die noch immer nicht gekündigt haben. Ihr dürft jetzt gerne kündigen. Ich nehme euch das nicht übel und danke euch von Herzen, dass ich so fantastische Menschen in meiner Bubble habe, die kein Ton darüber verlieren, dass ich mein Versprechen - mal wieder - nicht eingehalten habe. Ihr wisst nicht, wie viel es mir bedeutet und wie sehr es mich wurmt, dass ich diesem Rahmen nicht gerecht werden kann.

In radikaler Ehrlichkeit,
eure Lotta