Mit Donald Trump innere Blockaden lösen.
Da ist er also wieder, im wichtigsten politischen Amt der Welt, ausgestattet mit zu viel Selbstsicherheit, beunruhigenden Zukunftsvisionen, Gedächtnislücken und einer Gesichtsfoundation, die auch in seiner zweiten Amtszeit den Wähler indirekt dazu ermuntern wird, regelmäßig die eigenen Leberwerte untersuchen zu lassen.
Donald Trump ist zurück im Weißen Haus und noch immer wirkt er auf der politischen Bühne wie ein sehr von sich selbst überzeugter Mettigel in der Mitte eines kalten Buffets. Die einen schütteln den Kopf und reiben sich zu Roland Kaiser´s “Ich glaub es geht schon wieder los” die Schläfen schwer atmend mit Pfefferminzöl ein. Die anderen stürzen sich auf das Buffet in der Hoffnung, dass nach vier Jahren Schonkost jetzt endlich ein Großteil ihrer kulinarischen Wünsche erfüllt werden.
Und ich? Ich gebe auf. Und zwar den Teil von mir, der darauf angemessen reagiert. Diese Gesellschaft hat schon seit einer ganzen Weile das Protokoll nicht eingehalten, das kann man ja auch als Chance betrachten, und damit Hallo zu meinem Newsletter, der mit diesem Text über Donald Trump beginnt.
Bibel. Busen. Babybrei.
Für alle, die sich in letzter Zeit immer häufiger fragen, ob die Titanic schon den Eisberg gerammt hat oder gerade erst den Hafen verlässt, bietet Trumps zweite Wahlperiode die einmalige Möglichkeit, sich jetzt endlich völlig desillusioniert den existenziellen Fragen des Lebens zu widmen.
Mit etwas Fantasie kann man Trump und das Theater drumherum durchaus als "Inspiration" betrachten. Würden Vogonenanführer Prostetnik Vogon Jeltz, Lifecoach Tony Robbins, Hugh Hefner und Police-Academy-Charakter Zed McGlunk auf dem Sonnendeck eines Kreuzfahrtschiffs während einer Waffenmesse ein Kind zeugen, dann wäre Donald Trump das Ergebnis. Eingehüllt in eine amerikanische Flagge, beseelt am Nippel der Freiheitsstatue saugend.
Trump hat sein inneres Kind offenbar nie zurückgelassen. Und ist somit das perfekte Vorbild für Menschen, die sich zuletzt immer häufiger gefragt haben: Lohnt es sich in Zeiten wie diesen überhaupt noch, wieder bei mir anzukommen?
Kümmere ich mich gut um mein inneres Schreikind?
Meine Theorie ist, dass er nicht nur für eine zweite Amtszeit kandidierte, um den Verschwörungstheoretikern auf X das Doomscrolling zu erleichtern. Neinnein. Der naive Teil in mir glaubt hartnäckig daran, dass er das aus einer kindlichen, unschuldigen Freude heraus macht. Weil er in keinem anderen Job der Welt all seine Sehnsüchte so wirkungsvoll miteinander kombinieren und gleichzeitig Kontakt zu so vielen unterschiedlichen Menschen haben kann. Donald Trump ist kein Faschist, Donald Trump ist ein kontaktfreudiger Faschist.
Wahrscheinlich war er auch stark eingebunden in das Design seines goldenen Turnschuhs. Ich seh´ ihn nicht nur Busen grapschen, mittelgroße Töne spucken und Rechte von Minderheiten einschränken. Ich seh ihn auch Schnürsenkel vergleichen. Und lange Monologe über Sohlenprofile und holografische Effekte halten.
Donald Trump ist ein Mann, der beim Dinner mit wichtigen Persönlichkeiten nach einer Phase des betretenen Schweigens, das er möglicherweise selber verursacht hat, das Eis brechen möchte, indem er sein Handy herausholt, irgendeinem Land per WhatsApp noch schnell Hilfsgelder verweigert und seinem Tischnachbarn schließlich 17 überbelichtete Fotos der Prototypen des Turnschuhs zeigt. Aber sein Gegenüber hat sich stets unter Kontrolle bzw. seelisch und moralisch längst aufgegeben und reagiert einsilbig. Dabei will der auch einen eigenen Turnschuh.
Trump hat so viel Energie, dass er in den letzten Tagen vor der Wahl noch mit einer Warnweste bekleidet die Trittstufe eines Müllwagens besteigen, in einer McDonalds-Filiale eifrig eine Ladung Pommes schwenken und im Podcast von Joe Rogan von einer Karriere als Psychotherapeut für verängstigte Wale schwärmen konnte.
Persönlichkeiten wie Trump googeln nicht nach zeitaufwändigen Möglichkeiten, das eigene Nervensystem zu regulieren. Persönlichkeiten wie Trump beobachten mit wachsender Begeisterung, wie jeder um sie herum verzweifelt nach einem Therapieplatz sucht und führen dann zwischen zwei Tweets ganz entspannt eine eigene Kryptowährung ein.
Vielleicht ist das der Schlüssel zu wahrer Erfüllung: Sich in entscheidenden Situationen dumm stellen und die dadurch gewonnene Zeit mit pfiffigen, kecken und frechen Side Quests füllen.
Wie möchte ich den Weltuntergang verbringen?
Trumps Wahlsieg kann uns auch daran erinnern, dass es längst zu spät ist, in den Gesichtern anderer Leute, die wir für kompetenter oder vertrauenswürdiger halten, die eigene Zukunft ablesen zu wollen. Die Einladungskarten zum Weltuntergang wurden verschickt und es besteht scheinbar knallharte Teilnahmepflicht. Absagen werden vom Veranstalter ignoriert. Kleiderordnung: Schicke Abendgarderobe oder letztes Hemd, je nach persönlichen Vorlieben und Kontostand.
Wie verhalten wir uns auf dieser Veranstaltung, die sich offenbar nicht verschieben lässt und regelmäßig in allen Medien angekündigt wird, damit auch niemand das beeindruckende Spektakel und die großzügige Ausschüttung von Stresshormonen verpasst? Respektieren wir die Sitzordnung oder spielen wir Reise nach Jerusalem? Bringen wir uns für den Notfall bequeme Jogginghosen und Sitzkissen mit?
Welche schwungvollen Reden, welche Partyspiele, welche Schlangen vor den Toiletten erwarten uns? Geben wir den Kindern ausreichend Gelegenheit zum Spielen? Bleibt vom Hüpfekästchen noch Kreide übrig, die wir fressen können, wenn das kalte Buffet schon abgeräumt wurde?
Haben wir noch Zeit für einen Tanz? Oder wollen wir abwartend mit Hut, Stock und Regenschirm in der Hand an der Garderobe herumstehen? Wie jemand, der nicht weiß, ob er erstmal ankommen oder schon wieder nach Hause gehen soll.
Wollen wir den Weltuntergang beschönigen, beschleunigen, belächeln oder beiläufig kommentieren? Wollen wir ihn überhaupt ernst nehmen? Und die allerwichtigste Frage: Gibt es anständigen Pudding auf dieser scheiß Veranstaltung? Gibt es Herrenspeise mit Rum? Gibt es irgendetwas aus der guten alten Zeit? Oder nur diese raffinierten, mehrstöckigen Unterschicht-Oberschicht-Dessert-Variationen in kleinen Ikea-Schnapsgläsern, die man uns als magenfüllend verkauft, die aber jeden halbwegs anständigen Bürger mutlos und blutarm zurücklassen?
Was würde Donald Trump tun? Donald Trump würde sich ein allerletztes Mal die Haare toupieren, zu Elton John und Kiki Dee´s “Don´t go breaking my heart” in die Küche des Dorfgemeinschaftshauses marschieren und um Nachschlag bitten.
Und irgendjemand würde ihm - davon bin ich überzeugt - in den berühmten letzten fünf Minuten vor Mitternacht (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) mit letzter Kraft aus einem abgelaufenen Joghurt, einem Schluck Eierlikör und den hilflosen Resten eines Hawaii-Toast ein solides Dessert zubereiten.
Apocalypse à la carte
Menschen wie Donald Trump machen noch ein letztes zufriedenes Bäuerchen, während dem Rest der Welt schon der Magen knurrt.
Und ich frag mich: Wollen wir uns weiterhin als passive Partygäste und Konsumenten sehen, die sich dem Programm, der Speisekarte und der Sitzordnung beugen? Oder versuchen wir, die Bedingungen zu verstehen, zu hinterfragen und dann mitzugestalten, ohne blinden Aktionismus, der auf allen Seiten die immer gleichen Effekte hervorbringt?
Vielleicht will ich während der Scheiß Apokalypse weder dem Vergnügen noch den Kampfparolen anderer folgen. Vielleicht will ich mir meine Feinde immer noch selber aussuchen. Die sollen ja zu mir und meiner persönlichen Lebenssituation passen. Was ist, wenn ich maximal drei natürliche Feinde hab - einer davon ich selbst - und durch Kommunikationsfehler, Gruppenzwang und mangelnde Selbstreflexion aber aus Versehen Tausende hasse? Peinlich.
Und vielleicht stimmt auch das andere Extrem. Vielleicht hab ich nicht genug Licht und Liebe in mir, um mich freiwillig als Blumenkind zu melden. Vielleicht will ich stattdessen - gemeinsam mit einer Handvoll guter Leute oder von mir aus auch mutterseelenallein - die Feuerlöscher im Gebäude orten und mögliche Brandherde identifizieren. Vielleicht will ich zwischendurch, so schmerzhaft das klingt, ein paar Schaufensterpuppen anzünden, um mich daran zu wärmen, und um zu zeigen, was sie von echten Menschen unterscheidet.
Wie möchte ich dem Wahnsinn in der Welt begegnen?
“You just lost a crazy contest to a crazy person.”, sagte Bill Maher nach der US-Wahl in Richtung der Demokraten.
Selbst wenn man Trump und diesen Wahlkampf, die letzten vier bis acht Jahre und jede einzelne Debatte und Berichterstattung und all die Kommentare im Netz und preisverdächtige Ansprachen von Hulk Hogan und Cardi B aus der Gleichung entfernt, bleibt da immer noch genug Wahnsinn übrig.
Viele von uns sind, teilweise unabhängig von unserer politischen Einstellung, oft nicht mehr in der Lage, Dinge zu hinterfragen, Fußnoten zu lesen, ein Thema mehrdimensional zu betrachten oder anderen zu vertrauen.
Wir wissen nicht mehr, wie man sich nicht aufregt. Wir verlangen einfache, leicht verdauliche Antworten oder würden anderen vor allem online gern verbieten, überhaupt Fragen zu stellen. Wir verbringen zu selten - und wenn dann nie ohne Scham - genug Zeit mit unserer eigenen Ahnungslosigkeit.
Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber mein Gehirn hat in den letzten Jahren vor lauter Hilflosigkeit sehr häufig kopfschüttelnd meinen Körper verlassen. Da haben sich viele Fragen, viele Beobachtungen, viele WTFs angesammelt.
Ich will das nicht mehr. Und komme zum Punkt. Wenn ich die Wahl hab zwischen Tränen und Lachtränen, dann möchte ich ab sofort wieder öfter die Lachtränen wählen. Wenn die Lachtränen mich motivieren, dann wähle ich Lachtränen. Wenn ich an Donald Trump nicht vorbeischauen kann, weil er ja nun mal existiert, dann betrachte ich ihn so wie ich einen Zirkusdirektor, einen Clown, einen Elefanten im Porzellanladen betrachten würde. Wie jemand, der gerade sternhagelvoll ein Poesiealbum durchblättert und aus Versehen einen richtig schönen Spruch findet.
Macht doch mit. Schaut, was er heute wieder macht, sagt oder bewegt. Vielleicht eröffnet er eine Golfanlage. Vielleicht trifft er sich mit einem seiner Amtskollegen auf eine Runde “Stadt Land Stuss”. Vielleicht macht er heimlich ein Schülerpraktikum bei einem Amerikanische-Flaggen-Hersteller. Vielleicht tritt er im Eifer des Gefechts jetzt gerade einem Feuerwehrmann aus Versehen den Schlauch aus der Hand. Oder ermuntert den Gouverneur von Kalifornien, Gavin Newsom, dazu, bei “Dancing with the stars” mitzumachen.
Und wenn ihr euch fragt: Was wird das hier? Ein Spielplatz wird das. Die kleinste satirische Selbsthilfegruppe der Welt. Ein Ablenkungsmanöver. Und auch ein Versuch, sichtbar zu machen, was uns unsichtbar macht. Wir werden sehen.
Ich möchte einfach wieder schreiben. Und freu mich, wenn ihr das gerne lest, kommentiert, weiterleitet und unterstützt. Dankeschön für eure Aufmerksamkeit und weiterhin alles Gute, eure Franziska.