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Bedroht

10. Mai 2024

Liebe Lesende,

das Wort “Bedrohung” scheint dieser Tage neue Bedeutung zu bekommen. Als ich einst bei einer Demo in Lübben von mehreren Männern bedrängt (Öffnet in neuem Fenster) wurde, haben mich die Ordner gefragt, ob ich bedroht worden sei. Nein sagte ich, aber normal erschien mir das Verhalten der Männer nicht. Die AfD-Fraktion der Golßener Stadtverordnetenversammlung hat sich nun von friedlich demonstrierenden Menschen bedroht gefühlt, weshalb sie einer Sitzung der Stadtverordneten, vor der die Demo stattfand, gleich ganz fernblieb.

Auslöser für die Demonstration vor knapp zwei Wochen in Golßen war eine Beschlussvorlage (Öffnet in neuem Fenster) der AfD-Fraktion im Stadtparlament. Sie wollte dem DRK Kreisverband Fläming-Spreewald als Träger des Mehrgenerationenhauses (MGH) außerordentlich kündigen und die Trägerschaft neu ausschreiben. Das DRK zeige in Bezug auf die Durchführung politischer Veranstaltungen eine Blockadehaltung, heißt es in der Vorlage. Streitpunkt ist die Umsetzung eines Beschlusses (Öffnet in neuem Fenster) der Stadtverordneten aus dem Jahr 2023, wonach der Marstall in Golßen, der Ort des MGH, ausdrücklich Veranstaltungen von Parteien, Fraktionen, Wählerbündnissen und politischen Stiftungen offen steht. Das DRK wiederum sieht sich seinen Grundsätzen (Öffnet in neuem Fenster) der Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet. Es setze sich gleichwohl laut einem Statement (Öffnet in neuem Fenster) “für eine vielfältige und diskriminierungskritische Gesellschaft ein” und verurteile “jede Art von Rassismus”.

Den scheinbaren Widerspruch zwischen dem Beschluss der Stadtverordneten und den Grundsätzen des DRK löst Marco Kehling, Amtsdirektor des Amtes Unterspreewald, wie folgt auf: Das Mehrgenerationenhaus sei ein Projekt innerhalb des Marstalls als kommunales Gebäude. Deshalb dürften dort in Absprache mit der Verwaltung selbstverständlich politische Veranstaltungen stattfinden. Nur wolle das DRK selbst keine politischen Veranstaltungen verantworten. Folglich müssten Einzelheiten der Durchführung wie z.B. Schlüsselübergabe und ähnliches geklärt werden. Dazu befinde man sich bereits in der Abstimmung mit dem DRK. Im vergangenen Jahr hatten beispielsweise Veranstaltungen von Kandidierenden zur Landratswahl im Marstall stattgefunden, darunter auch eine (Öffnet in neuem Fenster) des AfD-Kandidaten Steffen Kotré.

Gegen die Beschlussvorlage zur Kündigung des DRK formierte sich nun Widerstand. Es stehe zu befürchten, argumentierte (Öffnet in neuem Fenster) beispielsweise die Wählergruppe “Gemeinsam für Golßen” (GfG), dass bestehende Angebote und entwickelte Netzwerke unter einem Trägerwechsel leiden würden. Die GfG rief (Öffnet in neuem Fenster) zu einer Demo vor der Stadtverordnetenversammlung (SVV) am 29. April auf, einige Dutzend Menschen aller Altersgruppen waren vor Ort (Öffnet in neuem Fenster). Es waren nur wenige Transparente oder sonstige politische Erkennungszeichen und Symbole zu entdecken.

Die AfD wiederum sah in dem Aufruf ein “Zusammenspiel mit linken bis ultralinken Akteuren” mit einer “deutlichen Wertung gegen die AfD”. Sie befürchtete, dass sich die “linksextreme und gewaltbereite Antifa” angezogen fühlen könnte. “Diese aufrührerische Demonstration im unmittelbaren Umfeld der Stadtverordnetenversammlung wird als offene Bedrohung angesehen und ist auch nur so zu verstehen”, teilte die AfD in einem Schreiben mit, das Bürgermeisterin Daniela Maurer zu Beginn der SVV verlas. Denn die AfD-Fraktion selbst war nicht anwesend. Sie sah sich in ihrem Recht auf freie Ausübung ihres Mandats eingeschränkt. “Mit der damit einhergehenden Gefährdungslage ist es den gewählten Mitgliedern der AfD-Fraktion nicht möglich an der heutigen Sitzung teilzunehmen”, teilte sie mit. Die AfD-Fraktion fordert für die nächsten Sitzungen ein Sicherheitskonzept und “ggf. Polizeischutz”. Die GfG erzeuge mit der Demo ein “Klima der Angst gegen Andersdenkende”. Es folgen verbale persönliche Angriffe gegen die Bürgermeisterin als “Wortführerin”. Aus “Selbstschutz” zog die AfD die Vorlage und eine weitere zur Finanzierung des MGH schließlich zurück.

Wobei es interessant gewesen wäre, im direkten Austausch vor Ort weitere Details zu klären. Denn, wie die AfD mit der zweiten Beschlussvorlage (Öffnet in neuem Fenster) offenlegt, gibt es Unterschiede zwischen dem von der SVV beschlossenen Vertragsentwurf (Öffnet in neuem Fenster) mit dem MGH und der vom früheren Amtsdirektor unterzeichneten Variante (Öffnet in neuem Fenster). Die AfD nennt es (Öffnet in neuem Fenster) “strittige Vertragslage” und leitete daraus den nun zurückgezogenen Antrag auf außerordentliche Kündigung ab.

+++ Bedroht könnte man sich auch von den Zahlen fühlen, die der AfD-Gemeindevertreter Oliver Calov in Bestensee in den Sitzungsraum warf. Er berichtete von Gerüchten über eine Aufstockung der Kapazitäten für die neue Gemeinschaftsunterkunft für Geflüchtete (GU) in Pätz. Diese Zahlen sind nach Auskunft (Öffnet in neuem Fenster) des Landkreises jedoch bar jeder Tatsache, weshalb ich sie hier nicht wiederholen möchte. Die Einrichtung hat eine Kapazität von insgesamt 163 Plätzen. Sie ist bereits an den Träger übergeben worden, erste Einwohner sind eingezogen. Darüber informierte Bürgermeister Roland Holm in der Gemeindevertretersitzung. Dabei handele es sich um Menschen, die bereits einen Aufenthaltstitel und Arbeit haben, jedoch noch keine Wohnung. Wann die ersten Menschen direkt aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Eisenhüttenstadt einziehen und welcher Nationalität sie sind, das werde drei bis zehn Tage vorab mitgeteilt.

+++ Einen gut gefüllten Gästeraum erlebten die Gemeindevertreter von Bestensee am vergangenen Dienstag. Es ging um die Finanzen der Gemeinde. Doch über Geld spricht man bekanntlich nicht gern. So verwies Bürgermeister Roland Holm lediglich auf ein Informationsschreiben der Kommunalaufsicht, das den Gemeindevertretern zugegangen sei. Wie prekär die Haushaltslage in Bestensee wirklich ist, schildert der Bürgermeister in einem Brief (Öffnet in neuem Fenster) vom 2. April an den Kreiskämmerer Stefan Klein, in dem um eine zinslose Stundung der monatlichen Abschläge der Kreisumlage gebeten wird. Danach befinde sich die Gemeinde in einer “mehr als extrem angespannten Haushaltslage”.

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