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Wie die #Tradwife-Kultur der Neuen Rechten dient

Hallöchen,

in den kommenden zwei Wochen macht “Wie Rechte reden” eine Sommerpause. Der Newsletter kommt trotzdem: Darin stellen wir euch interessante Intitiativen gegen Rechtsextremismus vor. Schaut rein!

Eine Leserin hatte sich kürzlich darüber besorgt gezeigt, dass die AfD Familien und Frauen wieder in die 1950er Jahre zurückversetzen will. Ob wir dazu auch mal etwas machen könnten, fragte sie. Können wir!

In dieser Ausgabe geht es deshalb um die #tradwife-Kultur. Ein kleiner Teil des komplexen Themas “Familienbild der Neuen Rechten”.

Was die Strömung überhaupt ist und wie sie der Neuen Rechten und ihren Narrativen dient, haben wir hier aufgeschrieben. Viel Freude beim Lesen!

Harmloses konservatives Frauenbild oder die unterschwellige Verbreitung rechtsextremer Narrative? Die #tradwife-Bewegung ist vielfältig, aber nie unpolitisch. Im Text erfährst du, was dahinter steckt.

“Für meinen Mann gab es heute zum Frühstück Kuchen und weil ihr immer sagt: ‘Malischka, du kannst deinem Mann doch keinen Kuchen zum Frühstück servieren’, gab es diesmal auch etwas Gesundes: Ich habe ein paar Himbeeren und Blaubeeren dazu gepackt…”

Das erzählt die Creatorin Caroline Tolstik, 27, auf TikTok unter dem Namen “Malischka”. Auf ihrem Kanal sieht man, wie sie sich schminkt, in ihrer Wahlheimat Mallorca einkaufen geht oder – eben – einen Kuchen backt. 

“Lifestyle-Influencerin” nennt der NDR (Öffnet in neuem Fenster) sie, weil sie einen Lebensstil als traditionelle Hausfrau über ihre Social-Media-Kanäle propagiert. Doch statt sie in eine Reihe mit anderen Influencer:innen zu stellen, die Outdoor-Abenteuer oder Fitness-Trends promoten, steckt hinter diesem “Lifestyle” mehr: Unter dem Hashtag #tradwife, also “traditionelle Ehefrau” finden sich knapp 25.000 Posts (Öffnet in neuem Fenster) bei TikTok. Auf Instagram sind es fast 80.000 (Öffnet in neuem Fenster). Und weitere zehntausende Beiträge mehr gibt es zu inhaltlich ähnlichen Themen und Hashtags wie #stayathomegirlfriend. Ein Hashtag, der sich auch unter “Malischkas” Post findet.

Als Gründerin der Tradwife-Strömung bezeichnet der New Yorker (Öffnet in neuem Fenster) die Britin Alena Kate Pettitt. Sie startete in den späten 2000ern einen Blog namens “Mrs Stepford”. Dort schrieb sie zum Beispiel über die “schönste Art ein Handtuch zu falten.”

Als sie schwanger wurde, beschlossen sie und ihr Mann, dass beide sich wünschten, sie solle Hausfrau bleiben. 2016 schrieb sie ein Buch, das “Ladies like us” hieß und in der britischen Tradwife-Community ähnlich hochgehalten wird wie die Bibel. Außerdem gründete Pettitt die “Darling Academy“ - eine Webseite, auf der sie darüber schrieb, “Wie man wundervoll ist” oder welche “Damenhafte Wege” es gebe um mit Niesen und Schnupfen umzugehen.

In ihrem zweiten Buch, “English Etiquette”, schrieb Pettitt 2019 einen Absatz über die Ehe. Darin heißt es, dass der Ehemann die Rechnung bezahle und die Familie mit seiner Stärke und Verteidigungskraft unterstütze - was ihn zum Kopf des Haushalts mache. Seine Frau unterstütze seine Entscheidungen, annehmend, dass sie auf faire Weise getroffen worden seien. 

Zu diesem Zeitpunkt war #tradwife eine Nischenbewegung. Doch Pettitts Worte, weiter getragen duch ihren Instagram-Kanal, wurden von den Medien aufgegriffen. Online fanden sie Zuspruch, aber auch Kritik.

Insbesondere durch die Corona-Pandemie nahm der Hashtag #tradwife Fahrt auf. Menschen blieben Zuhause, nähten, backten und fanden ihre Freude am Sauerteig. 2022 war aus der nischigen Subkultur eine große Bewegung geworden, mit immer neuen Aushängeschildern. 

Dazu zählt auch “Malischka”. Das Video, in dem sie ihrem Freund Himbeeren und Blaubeeren zum Kuchen packt, ist an der Stelle nicht vorbei.

Weiter erzählt sie: “Und ja, danach habe ich mir noch ein paar Gedanken über meine Pronomen gemacht, aber weil ich an einem Ort lebe, an dem die Menschen wissen, dass ich eine Frau bin, habe ich noch meine Nägel gemacht und die Wohnung ein bisschen aufgeräumt.”

Und genau hier liegt das Problem der Tradwife-Bewegung: Die Bandbreite der darunter gefassten Accounts ist groß. So gibt es beispielsweise die Amerikanerin Hannah Neelemann (Öffnet in neuem Fenster): neun Millionen Instagram-Follower:innen, Mutter von acht Kindern, backt, melkt und verkauft über ihre “Ballerina Farm” ein Sauerteig-Starter-Kit inklusive Kochbuch, Einmachgläsern und Mehl für knapp 85 Dollar.

Oder es gibt Estee Williams (Öffnet in neuem Fenster), die - so schreibt es der New Yorker - als “quasi-Marylin Monroe” mit weißblonden Locken und einer zusammengeschnürten Hüfte für eheliche Untergebenheit stehe. Aber es gibt auch Frauen wie Abbie Roth (Öffnet in neuem Fenster), die zu ihren Erziehungstipps auch Anti-Abtreibungscontent postet. Oder eben die Deutsche Caroline Tolstik (Malischka), die ihre Kuchen-zum-Frühstück-Impulse mit Sticheleien gegen das Thema Geschlechtsidentität spickt. 

👉 Und damit typisch rechte Narrative und Rollenbilder bedient.

In Deutschland ist es vor allem die AfD, die das Bild der “traditionellen” Frau propagiert. Die Beispiele sind zahlreich. Der Europaabgeordnete Maximilian Krah sagte etwa auf dem politischen Aschermittwoch seiner Partei (Öffnet in neuem Fenster): “Und als echte Männer wollen wir echte Frauen haben. Feminist:innen sind alle hässlich und grässlich. Echt! […] Liebe Frauen, seid Frauen! Und zur Weiblichkeit gehört die Mutterschaft dazu. Das ist das, was uns inspiriert. Das ist das, was uns groß macht.”

Auch das Europaprogramm der AfD legt Wert auf ein “traditionelles” Rollenbild. Dort steht (Öffnet in neuem Fenster): “Die AfD bekennt sich in ihrer Familienpolitik zum klassischen Leitbild der Familie, in der Vater und Mutter in dauerhafter gemeinsamer Verantwortung für ihre Kinder sorgen. […] Wir streben Chancengleichheit für Frauen und Männer an und unterstützen es, wenn Menschen traditionelle Geschlechterrollen leben.”

Der aktuelle Verfassungsschutzbericht, (Öffnet in neuem Fenster) der diese Woche veröffentlicht wurde, sieht die Haltung unter Rechtsextremist:innen zum Familien -und Frauenbild kritisch. Dort heißt es: “Sie [Rechtsextremist:innen - Anm. d. Red.] sehen Heterosexualität und die Vorstellung einer damit verbundenen ‘traditionellen Kernfamilie’ als biologisch ‘natürlich’ und somit alternativlos an. Schließlich könnten nur in dieser Konstellation Kinder geboren und damit letztlich der drohende ‘Volkstod’ abgewendet werden. Jegliche Abweichung wird im Rahmen einer völkisch-biologistischen Ideologie als ‘Zersetzung des Volkskörpers’ und als Anzeichen eines fortschreitenden kulturellen Verfalls gewertet"

Die Tradwife-Bewegung lebt genau diese “traditionellen” Kernfamilie vor - mit all ihren Assoziation. Auch, wenn sich Personen hinter den Accounts nicht automatisch der neurechten Bewegung zuordnen lassen.

Wie wir bereits wissen (Öffnet in neuem Fenster), beherrscht die AfD TikTok so gut wie keine andere Partei. Viel stärker als der Rest der politischen Landschaft versteht sie es, ihre Botschaften als “cool zu verpacken und in den Mainstream zu spülen”, erläutert die Leiterin der Bildungsstätte für politische Bildung im Netz, Eva Berendsen, im Migazin (Öffnet in neuem Fenster). So würde die Partei und andere rechtsradikale Akteure Jugendkulturen “infiltrieren”, wie etwa die Ästhetik von “Tradwives” oder “Cottagecore girls” (eine weitere Abwandlung von Tradwives).

 🤝 Anschlussfähigkeit an neurechte Narrative

Auch die Kommunikationswissenschaftlerin Julia Stüve erklärt gegenüber dem Deutschlandfunk (Öffnet in neuem Fenster), dass insbesondere die Weiße Rechte, egal wo auf der Welt, das “hübsch verpackte” Rollenbild nutze, um gezielt junge Frauen von ihren eigentlich frauenfeindlichen Ideologien zu überzeugen. 

Die Kommunikationswissenschaftlerin Ashley Mattheis geht sogar noch weiter. (Öffnet in neuem Fenster) Sie schreibt:

“Die vor allem von Frauen propagierte #Trad-Kultur verbreitet Narrative über die Wiederherstellung ‘traditioneller Familienwerte’ durch die ‘Ablehnung von Feminismus und die Rückkehr zur Weiblichkeit’. Die Narrative der #Trad-Kultur sind nicht explizit rassistisch, stützen sich jedoch auf Antifeminismus, Mutterschaft und Heterosexualität - gepaart mit nostalgischen Bildern vom utopischem Weißsein. Diese Erzählung steht in Verbindung mit den white supremacist und neo-faschistischen, extremistischen Narrativen über die reproduktive Rolle weißer Frauen, die dazu führen soll, den Großen Austausch oder den Weißen Genozid zu verhindern.”

Die Angst vor dem Aussterben der Weißen ist in rechtsextremen oder rechts-alternativen Kreisen omnipräsent. Im Kern beinhalten alle Erzählungen vom “Großen Austausch” oder dem “Weißen Genozid” dasselbe. Belltower-News schreibt dazu: “Die weiße Bevölkerung werde durch gesteuerte Migrationsbewegung ersetzt und ausgetauscht. Weiße würden erst zu einer Minderheit und auf lange Sicht gänzlich verdrängt und verschwinden - und während alle Stolz auf ihre Herkunft sein dürften, würde dies ausschließlich Weißen untersagt. Dies ende schließlich in einer Politik, die die Interessen der Weißen nicht nur nicht genügend vertrete, sondern gleich ‘anti-weiß’ sei.”

Vor dem Untergang des weißen Volkes warnt hierzulande auch die AfD und wirbt mit Sprüchen wie: “Traditionell? Uns gefällt’s!”, oder: “Neue Deutsche? Machen wir selber (Öffnet in neuem Fenster)”. Im Europawahlprogramm (Öffnet in neuem Fenster) will sie sich ganz auf die Unterstützung von Familien (Mutter, Vater, Kinder) konzentrieren und fordert, dass Schwangerschaftsabbrüche nur in absoluten Ausnahmefällen durchgeführt werden.

Feindbild “Feministin” gegen “normale Frau” 👩🏻‍🦰🤰🏼

Furore machte 2022 eine Gegenüberstellung zweier für die AfD anscheinend typischer Frauenbilder. Geteilt vom Landesverband in Sachsen auf Instagram - kurz danach wieder gelöscht. Links die “moderne befreite Feministin”, rechts die “traditionelle Frau”. Die Feministin hatte “schon ihre dritte Abtreibung mit 22 und stolz drauf”, während die “traditionelle” Frau ihre Familie liebt, stolz darauf ist, für ihre Kinder zu leben und ihren Mann in Liebe zu unterstützen. Um nur zwei Vergleichsmerkmale zu nennen.

Was hier so plakativ gegenübergestellt wird, geht in der Kombination von Social Media und Popkultur subtiler und ansprechender. So erklärt die Kommunikationsexpertin Anna Moors in einem Thread auf Twitter das “Trad Girl Meme”. Das werde international verwendet, um die “traditionelle” Frau als Gegenstück zur “feministischen” modernen Frau darzustellen. Ähnlich wie es die AfD oben gemacht hat, nur “lustiger” - siehe Bild:

Die “Feministin” (unten) und ihr typisches Meme ist laut Moors politisch links codiert. Die Kommunikationsexpertin schreibt: “Sie hat orange haare, buntes Make-Up, trägt einen Choker mit der Aufschrift ‘Witch’ sowie schwarzen Lippenstift und hat BLM (=Black Lives Matter) auf der Wange stehen.” Das Feindbild der Feministin, das auch Maximilian Krah ( “hässlich und grässlich”) bedient, wird hier dem Ideal der Tradwife gegenübergestellt. 

Hier werden also zwei Bevölkerungsgruppen gegeneinander ausgespielt, die gesamtgesellschaftlich gesehen qua Geschlecht benachteiligt werden. Das Gegeneinander-Ausspielen zweier schwacher Gruppen ist eine typisch rechte Strategie.

Aber nochmal zur Grundfrage zurück:

❓Kann eine Frau, die sich in die 1950er Jahre zurückwünscht, etwas dafür, dass ihr Ideal instrumentalisiert wird? 

Die Autorin und Mitarbeiterin der Amadeu-Antonio-Stiftung, Veronika Kracher, sagt: Ja! In einem Beitrag schreibt sie: “Die reaktionäre Vorstellung von Weiblichkeit, die von Tradwives - und rechten Frauen generell - vertreten wird, basiert auf der systematischen Abwertung sämtlicher Frauen, die nicht in deren völkisches und heteronormatives Weltbild passen […].”

Die Historikerin Kathleen Belew beschreibt es im New Yorker etwas zurückhaltender: “Im Grunde steckt in der Tradwife-Kultur implizit oder explizit ein Misstrauen gegenüber der modernen Gesellschaftsordnung”.

Und dazu kommt noch der Algorithmus: Wer dort nach #Tradwife sucht, bekommt nach kurzer Zeit auch den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke und den AfD-Europaabgeordneten Maximilian Krah vorgeschlagen. Das ist bei amerikanischen Accounts nicht anders. Der New Yorker schreibt: “Scrollt man von [Abbie] Roths Instagram-Profil nach unten, zu den automatischen Vorschlägen für andere Konten, denen man vielleicht folgen möchte, findet man ihren Bruder, den konservativen Kommentator Ben Shapiro, Russell Brand, Breitbart und Turning Point USA. Und nach einem Blick auf Estee Williams’ Profil war ich [die Autorin - Anm. d. Red] gerade mal drei Klicks von rassistischen und homophoben Memes auf kleineren Accounts entfernt.”

Es ist nicht die Schuld der Tradwifes, dass soziale Netzwerke ihre Inhalte direkt “neben” rechten bis rechtsextremen Inhalt ausspielt. Trotzdem sagt Historikerin Belew:

“Wenn mir wichtig ist, dass ich in ‘keine rassistischen Projekte involviert bin’, würde ich mir zumindest Gedanken darüber machen, was Menschen anklicken, nachdem sie meine Inhalte gesehen haben.”

Die Gründerin der Tradwife-Kultur, Alena Kate Pettitt, hat sich vergangenes Jahr übrigens von Instagram zurückgezogen. Sie sagte dem New Yorker: Die Bewegung, ihre Bewegung, sei von Extremist:innen und Betrüger:innen gekapert worden.

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