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Das Europawahlprogramm der AfD (Teil 2)

Moin,

jetzt wissen wir also, dass es 13.000 Euro kostet eine SA-Parole vor tausenden Menschen zu rufen. Zu dieser Strafe ist der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke verurteilt worden. 100 Tagessätze zu je 130 Euro. Sollte das Urteil rechtskräftig werden, gilt er als vorbestraft.

Ansonsten wurde die Immunität eines der Spitzenkandidat:innen zur Europawahl der AfD aufgehoben: Petr Bystron. Wer das genau ist, lest ihr in seiner Biografie unten im Text. 👇

Hier kommt der zweite Teil zur AfD un ihrem Europawahlprogramm. Viele interessante Erkenntnisse beim Lesen.💡

Liebe Grüße

Johannes & Maria

Petr Bystron - Listenplatz 2

Petr Bystron ist auf Listenplatz 2 der Spitzenkandidat:innen der AfD für die Europawahl, deshalb stellen wir ihn heute ausführlicher vor.

Bystron ist Jahrgang 1972 und wurde in Olomouc (Olmütz) in der Tschechosloswakei geboren. 1988 mussten Bystron und seine Eltern, so sagt er es immer wieder, vor dem tschechoslowakischen Regime nach Deutschland fliehen. Er ist verheiratet und hat zwei Kinder.

Die Flucht nach Westdeutschland ist eine prominente Geschichte in Bystrons Lebenslauf. Immer wieder betont er, wie er als Jugendlicher im “Kampf gegen den Kommunismus” verfolgt worden sei. Das sei auch der Fluchtgrund gewesen: “Meine Eltern sind geflüchtet, weil ich verfolgt wurde”, (Öffnet in neuem Fenster) sagte er beispielsweise im März 2023 im Bundestag. 

Recherchen der Zeit (Öffnet in neuem Fenster) und der tschechischen Rechercheplattform HlídacíPes.org ergeben jedoch ein anderes Bild. Die Journalist:innen haben sowohl mit einigen von Bystrons Familienangehörigen als auch mit ehemaligen Weggefährt:innen gesprochen und Archivmaterial geprüft. Die Indizien dafür, dass Bystron wirklich politisch verfolgt worden sein könnte, sind marginal. 

So ist eine Geschichte, die Bystron wiederholt, die von der Gründung eines Pfadfinderkreises. Kurz nachdem er mit einigen Mitschülern den Eid geschworen hätte, sei die Kreisabteilung der Kommunistischen Partei informiert gewesen und es habe Ärger in der Schule gegeben. “Ich bekam einen Eintrag in meine Beurteilung, dass ich ein negatives Verhältnis zum sozialistischen Staatssystem habe.”

Dass sich aus der Gründung der Pfadfindergruppe - in der Tschechoslowakei waren solche Vereinigungen verboten - eine politische Verfolgung ergeben hätte, bezweifeln, laut Zeit, andere Mitglieder der Gruppe und auch eine ehemalige Lehrerin von Bystron. Nur zwei Jahre nach diesem Vorfall, Ende der 80er Jahre, sei Bystron von der Polizei aufgegriffen worden, weil er Kassetten zweier anti-kommunistischer Sänger auf dem Schwarzmarkt verkauft habe.  

Fest steht: Im Archiv der tschechoslowakischen Staatssicherheit StB gibt es keine Akte über Petr Bystron. Wohl aber über seine Mutter. Diese wurde allerdings erst nach der Flucht aufgemacht. Denn Flucht war - ähnlich wie Republikflucht in der DDR - in der Tschechoslowakei strafbar. Über politische Aktivitäten ihres Sohnes finden sich dort keine Informationen. 

Andere Wegbegleiter und auch sein Vater nennen andere Gründe für die Emigration von Bystron und seiner Mutter: nämlich wirtschaftliche. “Ich denke, dass wirtschaftliche Aspekte eine Rolle spielten, sie wurde in keiner Weise poltisch verfolgt”, sagt Bystrons Vater der Zeit. “Zumindest weiß ich das nicht, sie hat sich mir nicht anvertraut.” Auch Bystrons Stiefbruder, Sohn des dritten Ehemanns von Bystrons Mutter, sagt den Reporter:innen: “Repression ist Unsinn. Es gab kein Element von Dissidententum.”

So weit die Geschichte von Bystrons Fluchterfahrung als Dissident. Heute nutzt der Marketingexperte sie clever und spricht von sich selbst als “Dissident gegen das heutige Regime”.

Ende der 80er Jahre bricht die Familie gen Westdeutschland auf. Nach seinem Abitur studierte Bystron in München Politologie und gründete eine Werbeagentur. Mitte der 2000er wurde er Mitglied der FDP, schrieb jedoch nebenbei für die Zeitung “eigentümlich frei”, die der Neuen Rechten nahesteht. 2013 trat er der AfD bei und wurde 2015 Landesvorsitzender in Bayern. 2017 wurde er in den Bundestag gewählt.

Wegen seiner Nähe zur rechtsextremen “Identitären Bewegung” wurde Bystron vom Verfassungsschutz beobachtet. Bystron klagte dagegen und bekam teilweise recht. Der Verfassungsschutz durfte nicht mehr darüber sprechen, ob Bystron unter Beobachtung stehe. Als dieser Ende 2017 in den Bundestag gewählt wurde, endete die Beobachtung. Auf der Seite des Landesverbands der AfD in Bayern liest man danach: “‘So etwas kannte man bisher nur aus totalitären Regimen und Bananenrepubliken’, meint Bystron, der in seiner Jugend selbst Verfolgung durch die kommunistische Diktatur in der Tschechoslowakei erlebt hatte.”

Nun will Bystron nach Brüssel. Warum? Das sei er oft gefragt worden, sagt Petr Bystron im vergangenen Jahr auf der Europawahlversammlung der AfD (Öffnet in neuem Fenster). “Aus Brüssel kommt das Gift”, ist seine Antwort. Dort würden “Globalisten” Gesetze verabschieden, die auf Bundesebene nur noch durchgewunken werden. Als Beispiel nennt er die angeblich drohende Abschaffung des Bargelds. “Das ist ein Totalangriff auf unsere Freiheit. Das ist der direkte Weg in eine totale Überwachung.”

Doch Bargeld ist es, das ihm nun fast zum Verhängnis wurde. Er soll solches nämlich von Voice of Europe erhalten haben. (Öffnet in neuem Fenster) Die tschechische Regierung sieht in der Internetplattform und deren Steuernden eine verdeckte pro-russische Einflussoperation mit dem Ziel, die westliche Unterstützung für die Ukraine zu untergraben und die EU-Wahl zu beeinflussen - mit gekauften Politiker:innen.

Bystron bestreitet das vehement. Doch es gibt mittlerweile mehrere tschechische Abgeordnete, denen Mitschnitte abgehörter Gespräche vorgespielt wurden. Darauf soll zu hören sein, wie der AfD-Politiker Petr Bystron Bargeld übergeben bekommt.

Erst gestern wurde nun laut ZDF die Immunität des Bundestagsabgeordneten aufgehoben (Öffnet in neuem Fenster). Beamte des bayerischen Landeskriminalamts durchsuchten Bystrons Bundestagsbüro. Die Generalstaatsanwaltschaft München teilte mit, sie würde ein “Ermittlungsverfahren gegen einen Bundestagsabgeordneten wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit von Mandatsträgern und der Geldwäsche” führen.

Wie wählt die AfD im EU-Parlament?

Diese Woche wollen wir einen kurzen Blick darauf werfen, wie sich die AfD als Teil der rechtspopulistischen Fraktion “Identität und Demokratie” im EU-Parlament verhält und wie sie dort abstimmt. Zur ID gehören unter anderem die österreichische FPÖ, der Rassemblement National aus Frankreich und die italienische Lega.

Wir zitieren dazu den Bayerischen Rundfunk, der sich in einer umfangreichen Datenanalyse (Öffnet in neuem Fenster) das Abstimmungsverhalten aller Parlaments-Abgeordneten zwischen Juli 2019 bis März 2024 angeschaut hat. Demnach verhalte sich die AfD selbst innerhalb ihrer Fraktion “radikal”, weil sie besonders häufig mit “Nein” stimme. So war die AfD in 70 Prozent aller Abstimmungen dagegen oder nahm nicht teil. Der Vergleichswert der ID als Ganzes: 46 Prozent “Dagegen-Stimmen”.

Wir wollen hier noch drei  Hauptabstimmungen aus der ablaufenden Legislatur nachzeichnen. Mehr Infos gibt es beim BR:

  • Ein wichtiges Thema in der auslaufenden Legislatur drehte sich um Vorwürfe gegen Polen und Ungarn. Beide Länder haben gegen Prinzipien der freiheitlichen Demokratie verstoßen. Da ging es beispielsweise um Diskriminierung von Minderheiten, Einschränkungen der Gewaltenteilung und Verstöße gegen die richterliche Unabhängigkeit. Die gesamte ID, inklusive AfD, stimmte geschlossen gegen alle EU-Anträge oder -Resolutionen, mit denen die beiden Länder für ihr Verhalten zur Verantwortung gezogen werden sollten.

  • Dem BR zufolge war weiterhin die Haltung der AfD-Abgeordneten zu den Themen Frauenrechte und geschlechterspezifische Gewalt auffällig. Hier seien 96 Prozent der AfD-Stimmen gegen die eingebrachten Vorlagen zur Stärkung von Frauenrechten oder zu mehr Schutz vor geschlechtsspezifischer Gewalt ausgefallen.

  • Der dritte Themenkomplex lautet Klima- und Umweltschutz. Darunter hat der BR insgesamt 26 Abstimmungen zusammengefasst. Es ging beispielsweise um Vorschläge, wie Europas Wirtschaft und Gesellschaft ökologischer gestaltet oder wie der Zugang zu Umweltdaten verbessert werden könne. In diesem Komplex fällt auf, dass die AfD auch innerhalb der ID sehr viel häufiger mit “Nein” abgestimmt hat: Insgesamt stimmten AfD-Abgeordnete nur in knapp vier Prozent aller Klimaschutz-Abstimmungen mit “Ja”, während etwa ein Viertel der Stimmen des Rassemblement National die Vorschläge unterstützen und rund 20 Prozent der italienischen Lega.

Jetzt geht es weiter mit den politischen Kernpunkten des Europawahlprogramms der AfD. Die ersten fünf lest ihr im Newsletter von letzter Woche nach.

PUNKT 6: ENERGIEPOLITISCHE VERNUNFT

Die AfD fordert “energiepolitische Vernunft” - was im Umkehrschluss heißt, dass derzeit unvernünftige Energiepolitik betrieben werde. Das zeige sich darin, dass die EU weiterhin auf eine längst “gescheiterte” Energiewende setze, obwohl sie der Grund für die enorm gestiegenen Strom- und Heizkosten seien.

Gleichzeitig will die AfD den Wiedereinstieg in die “sichere und effiziente” Kernkraft, ein Stopp des Windkraftausbaus, weil der angeblich die Natur zerstöre und keine weiteren Sanktionen gegen Russland, um wieder Gas über die Nordstream-Pipelines beziehen zu können.

Beim Thema “Energiepolitik” geht es der AfD im Kern also gar nicht um energipolitische Themen, sondern um eins ihrer Hauptnarrative: Es gibt keinen menschlichen Einfluss auf den Klimawandel und deshalb sind Klimaschutzmaßnahmen unsinnige Investitionen und Wohlstandsvernichtung. Auf konventionelle Energielieferanten wie Gas aus Russland oder Atomkraft zu verzichten und die Energiewende voranzutreiben, ist, in ihrer Darstellung, die eigentliche Ideologie.

👉 Damit will sie sich von progressiven Parteien abgrenzen. Allen voran: den Grünen, dem Feindbild der AfD. Ob sie grüne Inhalte, Politiker:innen der Partei oder die Partei als Ganzes angreift - damit verfolgt die AfD einen strategischen Grund:

“Die Frontlinie verlaufe klar zwischen AfD und Grünen, hat der neurechte Aktivist Götz Kubitschek im Januar 2019 geschrieben. Seither hat er das rechts­extreme Lager immer wieder auf die Bekämpfung der Grünen eingeschworen”, schreibt der Rechtsextremismusforscher Matthias Quent (Öffnet in neuem Fenster).

Deshalb habe die “äußerste Rechte die Gegnerschaft zum grünen Lager zum unique selling point ausgebaut” und sie als “abgehoben, ideologisch, weltfremd und volksfern dämonisiert”. Ein Grund: “Mit Grünen-Bashing kann man billig an die Unzufriedenheit in der Bevölkerung andocken.”

Und so stellt die AfD Umweltschutz und Klimaschutz als sich ausschließende Pole dar. Wenn die AfD über Klimaschutz spricht, meint sie Umwelt- und Naturzerstörung. Das ist in ihrer Argumentation gleichbedeutend. Deshalb fordert sie einen Stopp des Windkraftausbaus, weil dieser angeblich “Kulturlandschaft” zerstöre.

Die AfD-Erzählung lautet: Klimaschutz versus Umweltschutz. Das fasst Politikwissenschaftlerin Janine Patz, die am Institut für Demokratie und Zivilgesellschaft (Öffnet in neuem Fenster) forscht, so zusammen: “Mit Schutz der Umwelt meinen rechte Akteur:innen weniger Klimaschutz und auf keinen Fall globale Klimagerechtigkeit. Im Gegenteil, es geht um die Verteidigung von Privilegien und den Status Quo. Sie verstehen unter ökologischem Handeln Heimatschutz und konstruieren einen Gegensatz zwischen Klimaschutzpolitik einerseits und Umwelt-, Natur- und Artenschutz andererseits. Ihre Propaganda: Die, von ihnen als ideologisches Projekt diffamierte, Klimaschutzpolitik gefährde Natur, Landschaft und die Artenvielfalt - nicht der Klimawandel.”

PUNKT 7: FAMILIENWERTE STATT GENDER

Die AfD positioniert sich seit Jahren eindeutig beim Thema Geschlechter und Sexualität: Sie agitiert gegen Lebensweisen, die nicht ihrem Weltbild einer binären “Geschlechterordnung" entsprechen. Also einer, in der es nur männlich und weiblich gibt.

Die AfD sagt deshalb, dass mit “Gender-Gaga” oder “Gender-Wahn” junge Menschen “frühsexualisiert” oder “umerzogen” werden sollen. Dazu passt, dass sie auch in ihrem Europaprogramm die sogenannte “Gender-Ideologie” mit einer angeblichen Gefährdung des Kindeswohls verknüpft und “Gender” und “Familienwerte” als angebliches Gegensatzpaar konstruiert. Die Aussage: Es gehe nur das eine ohne das andere.

Die Friedrich Ebert Stiftung hat zu diesem Thema bereits vor einigen Jahren eine Handreichung veröffentlicht: “Das Märchen von der Gender-Verschwörung (Öffnet in neuem Fenster)”. Darin heißt es: “Ultrakonservative Gruppen, rechtspopulistische und neu-rechte Kreise polemisieren aggressiv gegen alles, was mit einem liberalen Verständnis von geschlechtlicher Identität, sexueller Orientierung oder mit Gleichstellungspolitik zu tun hat.” Das Ziel: Von Geschlechterforschung, über Sexualaufklärung bis hin zu Schwangerschaftsabbrüchen würden Themen vereinheitlicht und verteufelt.

Bereits in einem früheren Bundestagswahlprogramm habe die AfD “naturgegebene Unterschiede zwischen den Geschlechtern” und eine Geschlechterordnung abgeleitet, schreibt die Amadeu Antonio Stiftung (Öffnet in neuem Fenster) (AAS). Die Geschlechterodnung sehe “eine heterosexuelle, reproduktive Beziehung zwischen Mann und Frau und ein traditionelles Verständnis von Familie vor, bestehend aus Vater, Mutter und Kind(ern).”

Deshalb wiederholt die AfD seit Jahren ihr Narrativ einer “aktivierenden” Familienpolitik - auch im EU-Programm. Damit will sie für höhere Geburtenraten sorgen. Ihr Ziel: Den Bevölkerungsschwund aufhalten. Das sei durch Zuwanderung unmöglich, weil die zu “massiven kulturellen und sozialen Problemen beim Zusammenleben” führe.

👉 Familien und geschlechter-politische Maßnahmen sind bei der AfD der Grundpfeiler für ihre Bevölkerungspolitik. Ziel dieser Politik ist es, die Familie als “Keimzelle der Nation (Öffnet in neuem Fenster)” zu verfestigen, die im Kampf gegen die “Überfremdung” weiter gedeihen muss.

PUNKT 8: GÜNSTIGES WOHNEN FÜR ALLE

Bezahlbarer Wohnraum – eine soziale Forderung, die sich auch die AfD in ihr EU-Programm geschrieben hat. “Günstiges Wohnen” will sie aber nicht durch die Förderung von Sozialbauten erreichen, stattdessen nutzt sie (auch) dieses Thema, um sich gegen Klimaschutzmaßnahmen der EU zu positionieren.

Sprachlich fällt dabei eine Strategie auf, die die zuvor zitierte Janine Patz in einem Gespräch (Öffnet in neuem Fenster) mit der Zeit dargelegt hat:

👉 Es ist das Narrativ des sogenannten “Klimarealismus”. Dahinter steht die Deutung, dass sich das Klima zwar ändere, der Mensch aber keinen Einfluss darauf habe. Oder, anders ausgedrückt, eine Verhaltensänderung sinnlos sei. Genau darauf spielt die AfD an, wenn sie schreibt, dass Maßnahmen der EU “keinen Einfluss” auf das Weltklima hätten, “Millionen Bürger jedoch in Armut stürzen würden”.

Hier diffamiert die AfD Klimaschutz als Ideologieprojekt, “an dessen Ende vermeintlich eine Klimadiktatur steht”. Meist spielt die AfD laut Patz das Thema gegen die Grünen aus, die sie als “Verbotspartei” kennzeichne, die “das Volk” bewusst schädigen wolle. Mittlerweile werde diese Erzählung nicht nur für die Partei angewandt, sondern auf alle ausgedehnt, die sich für mehr Klima- und Umweltschutz aussprechen.Das Volk wird geschädigt, weil angeblich EU-Mittel sinnloserweise in Klimaschutz flössen.

PUNKT 9: HARTE WÄHUNG, SICHERES BARGELD

Bei der Finanzpolitik fallen vor allem zwei Punkte im Europawahlprogramm auf.

1️⃣ Die AfD möchte den Euro abschaffen - “zur Stärkung unserer Souveränität und Wettbewerbsfähigkeit”. Nur eine “nationale Währungen” könne eine selbstbestimmte Wirtschaftspolitik ermöglichen, heißt es dazu im Europaprogramm.

Raus aus dem Euro will die AfD schon lange. Sprachlich versucht sie deshalb die Währungsunion in eine “Schuldenunion” umzudeuten, deren finanzielle Hauptlast bei Deutschland liege. Außerdem ist der Euro das Symbol der EU. Eben jenes Staatenbunds, den die AfD in seiner jetzigen Form abschaffen will. Sie fordert deshalb “eine neue Deutsche Mark”.

2️⃣ Die “neue Deutsche Mark” soll es dann in bar geben. Ein wichtiger Punkt in der Finanzpolitik, denn für die AfD ist Bargeld nichts weniger als ein “Garant der Bürgerfreiheit”.

Wenn sie davor warnt, dass das Bargeld abgeschafft werden soll, schürt sie in erster Linie Ängste, dass die EU, also “die da oben”, die Freiheit der Menschen einschränken und die Kontrolle über die Bürger:innen gewinnen wolle. So schreibt die AfD in ihrem EU-Programm, dass aus dem Bargeldverbot “die totale Kontrolle” folge, von Geldströmen bis zum Aufenthaltsort: “Aus dem gläsernen Bankkunden würde der gläserne Mensch - Vollüberwachung und Regulierung bis hinein in private, ja intime Lebensbereiche”.

Warum das funktioniert, zeigt eine regelmäßige Analyse (Öffnet in neuem Fenster) der Deutschen Bundesbank. Demnach ist Bargeld ein emotionales Thema, weil es seit Jahren unverändert das bevorzugte Zahlungsmittel für 30 Prozent der Befragten ist. Diese sagen, dass dadurch die “Anonymität des Bezahlvorganges und die Privatsphäre und die persönlichen Daten” geschützt seien.

Mit der “Sorge” um das Bargeld setzt die AfD auf ein Thema, das regelmäßig in Verschwörungserzählungen auftaucht. Dazu schreiben Katharina Nocun und Pia Lamberty im Sammelband “Aufgeheizt (Öffnet in neuem Fenster)”:

👉 “Egal, ob es sich um die Erzählung handelt, die Klimakrise sei nicht existent, um den ‘Great Reset’, um Impf-Verschwörungserzählungen oder die Behauptung, in naher Zukunft solle das Bargeld im Zuge einer politischen Digitalherrschaft abgeschafft werden: […] Immer ist eine mächtige, als moralisch verdorben imaginierte Elite im Begriff, ihre Macht zu nutzen, um klammheimlich - und paradoxerweise gleichzeitig für jeden erkennbar - die Geschicke der Welt in ihrem Sinne zu lenken und den Lauf der Dinge zu beeinflussen […].”

PUNKT 10: MIT HERZ FÜR MENSCH UND TIER

In diesem Punkt schlägt die AfD argumentativ einen sehr weiten Bogen. Von “Tiere sind unsere Mitgeschöpfe” zu Haltungsbedingungen und Lebendtransporten bis zu “Insekten gehören für uns nicht auf den Teller” und “Fleischverbote”.

1️⃣ Tier- und Umweltschutz sind anschlussfähige Themen, die die AfD schon lange bespielt. Wenn die AfD schreibt, “Tiere sind unsere Mitgeschöpfe”, teilt sie eine weit verbreitete Überzeugung. Damit will sie sich laut Naturschutzbund (Nabu) vor allem ein mobilisierungsfähiges Milieu erschließen.

👉 Das Ziel neurechter Akteur:innen wie der AfD: die eigene Ideologie mit einem unverdächtigen Thema verbinden.

So gab es beispielsweise schon 2019 ein Volksbegehren namens ‘Artenvielfalt und Naturschönheit in Bayern’. Damals ging es um die Rettung der Bienen, doch laut dem Nabu wurde hier von Neurechten interventiert und gegen den Ausbau von erneuerbaren Energien Stimmung gemacht. Das Mobilierungspotenzial von Menschen, die sich für Artenschutz interessieren, ist deutlich geworden.

Das AfD-nahe Compact-Magazin benannte damals den Klimaschutz als Ursache für das Bienensterben. Konkret soll der Ausbau von Windkraftanlagen für das “Artenmassaker” verantwortlich sein.

Der Nabu schreibt jedoch, dass ein viel größerer Grund für das Artensterben unter den Teppich gekehrt wurde: die konventionelle Landwirtschaft und ihr Chemiekalieneinsatz. Kurioserweise heißt es dazu im EU-Programm der AfD: “Die AfD steht für den Erhalt – und, wo immer möglich, auch für die Ausweitung – der landwirtschaftlich nutzbaren Flächen.”

2️⃣ Wodurch die Insekten sterben, scheint der AfD also letztlich egal zu sein. Nur eins will sie verhindern: dass sie auf dem Teller landen. Und auch “Fleischverbote wird es mit uns nicht geben.”

👉 Doch die hat gar keine:r gefordert: Hierbei handelt es sich um ein Strohmannargument (Öffnet in neuem Fenster). Die AfD setzt damit immer wieder auf vermeintliche “kulturellen Bedrohungen”.

Der Politikberater Johannes Hillje erklärt es im Mutmach-Podcast (Öffnet in neuem Fenster) so: “Nach Lesart der AfD versuchen Eliten […] in einem ökodiktatorischen Bestreben Deutschland in die Klimaneutralität zu führen und damit den kulturtypischen Lebensstil abzuschaffen.” Dieser Lebensstil werde mit Banalem wie Diesel, Schnitzel und Billigflüge charakterisiert und immer wieder in Reden als bedroht dargestellt - um dann dagegen agitieren zu können.

PS: Unterstützt gern unsere Arbeit ab 1,50 Euro / Ausgabe = 6 Euro pro Monat = zwei Packungen Gyros von “LikeMeat” (oder dem Veggie-Fleischanbieter eurer Wahl). 🥩

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