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Was ich vom Liverollenspiel über die Figurenentwicklung gelernt habe

Gute Figuren sind für einen überzeugenden literarischen Text von unglaublicher Bedeutung – du kennst es sicher aus deiner eigenen Erfahrung. Wie oft hast du mit einem fiktiven Charakter mitgefiebert, gelitten, gebangt, gehofft, geliebt? Ein oft gehörter Kritikpunkt in Rezensionen ist, dass sich der/die Lesende nicht in die Figur hineinversetzen konnte. Dabei ist es überhaupt nicht wichtig, dass man mit allem, was die Figur tut, denkt oder fühlt, einverstanden ist, ganz im Gegenteil: Ein gut gemachter Antagonist kann absolut das Gegenteil von all dem verkörpern, was man selbst gut findet, solange man die Motivation hinter seinen Handlungen nachvollziehen kann.

Es ist also auf jeden Fall eine gute Idee, sich ausgiebig mit seinen Figuren zu beschäftigen. Einige Autor:innen tun dies ausführlich im Vorfeld, andere lassen sich mehr während des Schreibens von ihren eigenen Charakteren überraschen .

Was hat das jetzt aber mit LARP (Live Action Role Play = Liverollenspiel) zu tun? Nun, auch hier steht man ja vor der Hürde, eine Rolle möglichst überzeugend darstellen zu müssen, und viele Spieler:innen versuchen, das zu erreichen, indem sie sich eine möglichst interessante, lange und komplexe Hintergrundgeschichte für ihren Charakter ausdenken – ich auch, und das kann sehr viel Spaß machen! Zum Spiel trägt es allerdings nur bedingt bei. Klar, ist es schön, bei einem Gespräch in der Taverne vom Cousin dritten Grades berichten zu können, der einem das Dieben beigebracht hat. Viel wahrscheinlicher aber ist es, dass vieles von dem, was man sich so ausgedacht hat, nie ans Tageslicht kommt. Viel wichtiger ist es, sich einige wenige markante Eigenschaften oder Angewohnheiten auszudenken und diese konsequent einzusetzen. In meiner Larp-Erfahrung waren dies z.B.

  • bestimmte Ausdrücke oder Redewendungen, gern auf einer anderen Sprache (in meinem Fall spanisch und sindarin)

  • eine bestimmte Farbwahl für die Gewandung

  • eine bestimmte Tätigkeit wie z.B. Würfelspiel

  • das Favorisieren oder Ablehnen bestimmter Lebensmittel oder Getränke

  • ein besonderes Verhalten gegenüber anderen „Klassen“ oder „Rassen“ (in einem Fantasy-Kontext gesehen!)

  • ein bestimmtes Parfüm oder die Auswahl von Schmuck und Frisur

Meiner Meinung nach lässt sich diese Erfahrung 1:1 auf das Schreiben von Nebenfiguren übertragen. Nicht jeder Charakter in deinem Buch oder deiner Geschichte braucht einen kompletten Hintergrund, aber jeder braucht etwas, das ihn oder sie einzigartig macht.

Wie siehst du das? Kennst du eine Figur in einem Buch, einer Serie oder einem Larp, die dir genau wie solcher Dinge in Erinnerung geblieben ist?

Kategorie Schreibwerkstatt

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