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Heute morgen habe ich mit meinem Onkel, dem Ost-West-Experten (Opens in a new window) unserer Familie (dieses Jahr fünfzig Jahre SPD-Mitglied!) telefoniert, der meinte, dass der Krieg in der Ukraine herbeigeredet würde, von Biden, der damit seine innenpolitische Schwäche kaschieren wolle. Und dabei fiel mir mal wieder auf, wie sehr sich die Wahrnehmung dieses Konflikts in Italien und Deutschland doch unterscheidet: In Deutschland, so scheint es mir zumindest, geht es in den Medien zur Zeit um kaum etwas anderes, italienische Medien hingegen kreisen um sich selbst - wobei vor allem die innenpolitischen Interessen gemeint sind, die sie vertreten. 

In Deutschland ist nur wenigen bekannt, dass die etablierten italienischen Medien - Repubblica, Corriere della Sera, La Stampa, Messaggero, Sole 24 ore – in überwältigender Mehrheit Parteien, parteinahen Unternehmensverbänden, parteinahen Industriellen und vorbestraften Multimilliardären mit eigener Partei gehören. Und staatlich subventioniert werden, was zu gewissen Liebesdiensten stimuliert. Daran sollten Sie denken, wenn Sie mal wieder die Analysen deutscher Italien-Korrespondenten lesen - die leider meist aus Zusammenfassungen der etablierten italienischen Presse bestehen. Wobei dieses Copy-and-Paste-Verfahren sogar okay wäre, wenn es denn kenntlich gemacht und nicht als Ergebnis hartnäckiger Recherche und tiefschürfender Analyse präsentiert würde. 

Als ich erfuhr, dass die Buchmesse in Leipzig "wegen der unsicheren Pandemielage" (Opens in a new window)abgesagt wurde, konnte ich die Enttäuschung vieler Autoren bestens nachvollziehen. Danach flammte heftige Kritik vor allem den großen Verlagen gegenüber (Opens in a new window) auf, es ging um Ost und West und die Rolle von Controllern im dritten Pandemiejahr, und ich dachte daran, wie ich vor einem Jahr, zu Beginn des  zweiten Pandemiejahrs, eine virtuelle Buchpräsentation improvisiert habe. 

Wobei: von Improvisation kann keine Rede sein, bei mir sah es aus wie in einem Fernsehstudio, dank der professionellen Beratung zweier Freundinnen vom Fernsehen.

(Die Marienbilder im Hintergrund sind Überbleibsel meiner Marien-Kitsch-Phase, stimuliert vom Flohmarkt in Palermo. Bis jetzt habe ich mich noch nicht von ihnen trennen können, der Venezianer an meiner Seite findet sie gruselig.)

Sich als Autor auf dem Buchmarkt behaupten zu können (die Betonung liegt auf Markt), ist schon in normalen Zeiten schwer genug, aber jetzt, im dritten Jahr der Pandemie hätte man von den großen Verlagen vielleicht etwas mehr Sensibilität erwarten können. 

Im Moment korrigiere ich die Übersetzungen ins Italienische und Französische und bin beeindruckt von der Arbeit der beiden Übersetzer, von ihrer Liebe zum Detail und davon, wie sie es schaffen, meinen Stil und meine Ironie in ihre Sprache zu übertragen. 

Dabei gab es vor allem zwei besonders große Herausforderungen: Wie übersetzt man den Satz " ... geht es in Venedig zu wie in Rudis Resterampe" und "... eine Beisetzung, die man im Ruhrgebiet kurzerhand als »Der kommt unter den Baum« bezeichnet"? Vor allem die Sache mit dem Baum machte den Übersetzern zu schaffen. Sie glaubten tatsächlich, dass man im Ruhrgebiet die Asche der Toten im Garten vergräbt. Dieses Bild vom Kamener Friedhof konnte das Missverständnis aber aufklären:

Allerdings ist die Sache mit dem "unter dem Baum" nicht nur für Italiener und Franzosen gewöhnungsbedürftig. Sondern auch für mich.

In Italien erscheint mein Buch im Mai bei Zolfo Editore (Opens in a new window), in Frankreich bei den Éditions Arthaud (Opens in a new window), vermutlich  im Spätsommer, "à la rentrée". Für mich als Romanistin ist das ein ganz besonderer Erfolg: Zum ersten Mal wird eines meiner Bücher ins Französische übersetzt! Hurra, hurra, hurra!

Oft werde ich von meinen Lesern gefragt, was man denn für Venedig tun könne. Wichtig ist natürlich vor allem, für Öffentlichkeit zu sorgen - deshalb freue ich mich, wenn Sie mein Buch (Opens in a new window) weiterempfehlen, damit sich noch mehr Menschen für Venedigs Schicksal interessieren - für das Leben hinter den Kulissen.

Wie der italienische Kulturschutzbund Italia Nostra feststellte (Opens in a new window):  Wir hier in Venedig sind die letzten Zeugen eines kulturellen Völkermords, der vor langer Zeit Jahren geplant wurde und sich langsam seinem Ziel nähert: Venedig hat jetzt weniger als 50 000 Einwohner. Ohne Einwohner ist Venedig keine Stadt mehr, sondern eine Ansammlung von Steinen. 

Weil das Schicksal Venedigs allerdings mehr das Ausland als Italien bewegt, setzen wir vor allem auf die Solidarität unserer Nachbarn. Und die brauchen wir, weil wir hier in einer verzweifelten Situation sind: Wir sind Geiseln der Interessen des Festlands (Opens in a new window) - ohne eine eigene Stadtverwaltung kann Venedig nicht über sein Schicksal bestimmen. 

Mit dem Referendum zur Autonomie haben wir zuletzt 2019 versucht, Venedig als Stadt zu retten. Zur Zeit klagen wir dagegen, dass von der Region Veneto ad hoc ein Quorum (Opens in a new window) für ein konsultatives Referendum festgelegt wurde, das es laut italienischer Verfassung gar nicht geben dürfte. Weil solche Klagen viel Geld kosten, wurde ein Konto für Spendengelder eingerichtet. Sie finden es hier (Opens in a new window)

Herzlichst grüßt Sie aus Venedig, Ihre Petra Reski

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