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Warum engagieren sich Frauen in der Neuen Rechten?

Hallo,

noch-Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Vertrauensfrage beantragt. Das bedeutet, dass der Bundestag am Montag entscheidet, ob seine Kanzlerschaft vorzeitig endet. Das geschieht, wenn er die Abstimmung verliert. Wenn also mindestens 367 Parlamentarier:innen Scholz das Vertrauen entziehen oder sich bei der Abstimmung enthalten. Beides gilt als Votum gegen Scholz und seine verbliebene Rot-Grüne Regierung. Würden die Grünen und die SPD geschlossen für Scholz stimmen, wären das 324 Abgeordnete. Jetzt haben aber die Grünen angekündigt, dass sie sich bei der Abstimmung enthalten und damit sozusagen gegen sich selbst und ihre Regierung stimmen wollen.

Einerseits, weil auch sie Neuwahlen wollen und sich darauf vorbereiten. Der zweite Grund aber ist, dass sie damit mögliche Spielchen der AfD durchkreuzen wollen. Es gab bereits Abgeordnete der AfD, die angekündigt haben, in der Vertrauensfrage für Scholz zu stimmen.

Der Grund: Würden die Grünen und die SPD geschlossen für Scholz stimmen und sich ihnen 43 weitere Abgeordnete anschließen, würde Scholz die Vertrauensfrage “gewinnen”. Weil sich aber schon alle Parteien auf den Wahlkampf vorbereiten und seine derzeitige Minderheitsregierung sehr unbeweglich ist, blieben ihm nur wenige Möglichkeiten. Einer wäre: zurückzutreten.

Innerhalb der AfD gab es bereits strategische Vorbereitungen, eine Wahl für Scholz inhaltlich zu rechtfertigen: Es gehe ihnen darum, auf diese Weise eine wahrscheinliche Kanzlerschaft von Friedrich Merz zu verhindern, denn Olaf Scholz sei “das kleinere Übel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)”. Auch wenn die AfD jetzt jahrelang die Ampel als schlechteste Regierung aller Zeitung bezeichnet hat.

Die Frankfurter Rundschau (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) hat mit dem Politologen Eric Linhart über das Ziel eines solchen Wahlverhaltens gesprochen. Er sagt: “Man hat auch an anderer Stelle schon gesehen, dass die AfD sich aus strategischen Gründen auf eine gewisse Weise verhält – nur um Chaos zu stiften und parlamentarische Prozesse ad absurdum zu führen. Und wenn Scholz die Vertrauensfrage gewinnt, würde die AfD einiges an Unruhe stiften.”

Ein anderer Aspekt sei, dass die AfD mit einer Wahl für Scholz die sogenannte Brandmauer aufweichen könne: “Wenn sie jetzt sagen könnte, ‘seht her, wir haben gemeinsam mit SPD und Grünen den Kanzler im Amt gehalten’, könnte sie das strategisch gedacht mit Blick auf die Brandmauer für sich verbuchen.”Es ist eines der AfD-Ziele, die parlamentarische Demokratie lächerlich zu machen und zu sabotieren. Das zeigte auch ihr Verhalten vor rund fünf Jahren, als sie überraschend FDP-Politiker Thomas Kemmerich zum Ministerpräsidenten von Thüringen gewählt und nicht den eigenen Kandidaten unterstützt hatte. Oder als sie kürzlich in Thüringen die konstituierende Sitzung des Landtags zur Bühne gemacht hat, um ein “autoritär-populistisches Stück (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” aufzuführen, in dem sie sich selbst zur erwählten Stimme des Volkes gemacht hatte, um auf dieser Grundlage gegen die Institutionen der parlamentarischen Demokratie vorzugehen.

Dass die Grünen jetzt auf dem Schirm haben, dass die AfD auch bei der Vertrauensfrage so einen Stunt abziehen könnte und ihr Verhalten anpasst, zeigt, dass sich die etablierten Parteien auf die Strategien der in Teilen gesichert rechtsextremen AfD einstellen – zumindest dort, wo es sie können.

An dieser Stelle müssen wir noch einen Fehler korrigieren: Im vergangenen Newsletter haben wir René Springer zitiert, den wir fälschlicherweise im AfD-Bundesvorstand verortet haben. Wir haben die entsprechende Stelle korrigiert und bitten um Entschuldigung. Springer ist derzeit Landesvorsitzender der AfD Brandenburg. Ja, Fehler schleichen sich immer wieder ein, das ist ärgerlich. Leider fallen sie uns nicht immer auf. Deshalb: Falls ihr eine Unstimmigkeit bemerkt, meldet euch bitte unter wierechtereden@proton.me (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre).

Bleib achtsam und alles Liebe!

Um was geht’s?

“Es ist Zeit für Deutschland. Es ist Zeit für Alice Weidel.”

Das sagte AfD-Chef Tino Chrupalla am Samstag über die Wahl Weidels zur Kanzlerkandidatin für die Bundestagswahl 2025. Er sei “froh, dass sie dieses Amt annimmt” und er sehe die AfD von nun an als “Mannschaft” mit einer “Stürmerin”, die bei der Bundestagswahl “Torschützenkönigin” werden solle. Was er genau damit meinte, sagte er nicht, aber dass es für die AfD mit Weidel “ein sehr gutes Ergebnis werden wird”, da sei er sicher.

Weidel selbst sagte: “Heute ist ein großer Tag für die Partei und ein großer Tag für Deutschland. Wir sind vor elf Jahren angetreten als Alternative und stellen erstmalig einen Kanzlerkandidaten, eine Kanzlerkandidatin. Wir sind bundesweit in Umfragen zweitstärkte Kraft, daraus leiten wir einen Regierungsanspruch ab.”

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Erstmals nominiert die AfD also eine Person für das Kanzler:innenamt. Dass ihre Wahl auf eine Frau fällt, ist gar nicht so überraschend. Immerhin gab es mit Frauke Petry und Beatrix von Storch durchaus schon Frauen in der ersten Reihe der AfD. Aber sie waren und sind die Ausnahme. Auch aktuell ist die weibliche Konkurrenz für Alice Weidel im Bundesvorstand (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) der AfD nicht nur klein, sie ist nicht vorhanden. Weidel ist neben 14 Männern die einzige Frau.

Damit ist der Vorstand sogar noch männerlastiger als die Basis.

Derzeit sind laut Statista (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) neun von zehn Abgeordneten der AfD im Bundestag männlich. Genauer: Bei 11,7 Prozent liegt der Frauenanteil – er ist mit Abstand der geringste aller Fraktionen und Gruppen. Es folgen in aufsteigender Reihenfolge FDP (25,3 Prozent), Union (25,5 Prozent), SPD (43 Prozent), BSW (50 Prozent), Linke (57,1 Prozent) und Grüne (59 Prozent). Bei der Mitgliedschaft hat die AfD einen etwas höheren Frauenanteil: 21 Prozent (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) (und damit liegt sie auch nah an CDU/CSU und FDP).

Daran dürfte sich auch wenig ändern, die AfD lehnt jede Form von Quotenregelungen vollständig ab und will auch Gleichstellungsbeauftragte abschaffen – so steht es im Entwurf (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) des neuen Bundeswahlprogramms.

Eine Ausnahme gibt es aber: Laut Stern (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) plane die AfD, ein einmaliges “Mentoring-Programm” für Frauen aufzulegen, wie es “keine andere Partei” habe. Das Ziel (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): Künftig sollen mehr Frauen in Spitzenpositionen der AfD vertreten sein.

Die Strategie dahinter

Extrem rechte Parteien waren und sind männlich dominiert, es gibt aber prominente Frauen. Offensichtlich können sie dort erfolgreich “Karriere” machen, wie Giorgia Meloni, Marine Le Pen oder eben Alice Weidel zeigen. Frauen stehen an der Spitze extrem rechter Parteien.

Das sorgt bei vielen Menschen für Irritationen. Immerhin sieht es auf den ersten Blick so aus, als würden diese Frauen in frauenfeindlichen Parteien und damit gegen ihre eigenen Rechte agieren. Und das stimmt: Das Programm der AfD und Äußerungen von Parlamentatier:innen der Partei zeigen, dass sie keine Gleichstellung von Frauen will – der Volksverpetzer (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre) hat vor kurzem eine Sammlung von AfD-Positionen zu dem Thema veröffentlicht. Warum aber engagieren sich dennoch Frauen in Parteien wie der AfD?

↗️Frauen machen Karriere

Der erste Grund ist: Frauen werden in extrem rechten Organisationen und Parteien häufig hofiert – ein Engagement kann daher eine steile politische Karriere möglich machen, erklärt Susanne Kaiser. Sie hat das Buch “Politische Männlichkeit: Wie Incels, Fundamentalisten und Autoritäre für das Patriarchat mobilmachen” geschrieben. Im RND erklärt sie (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): “Rechtspopulistische Parteien brauchen weibliche Gesichter, um moderat und modern zu wirken, sonst werden sie nicht gewählt. Deshalb setzen sie gezielt auf einige wenige Frauen in Spitzenpositionen.”

Frauen in männerdominierten und antifeministischen Parteien bezeichnet Kaiser deshalb als “Zweckallianz”. Die Frauen könnten ein politisches Amt bekleiden, das sie in anderen Parteien nicht bekommen würden. Im Gegenzug würden die Parteien dafür Stimmen von jüngeren und weiblichen Personen bekommen. “Die Politikerinnen in rechten Parteien sind als Individuen erfolgreich mit einer Politik, die ihnen strukturell als Frauen schadet”, fasst Kaiser zusammen.

Interessant: Das muss nicht so bleiben, wie die eingangs erwähnten mittlerweile sehr einflussreiche Frauen Meloni, Le Pen und Weidel zeigen. Die haben laut Kaiser “inzwischen viel Macht und Gestaltungsspielraum” in ihren Parteien. Das sei für Kaiser eine interessante Entwicklung und es bleibe abzuwarten, ob das einen Einfluss auf rechte Politik habe. Die benannten Frauen könnten Rechtsaußenparteien weniger frauenfeindlich machen.

Bis es so weit ist, sind Frauen noch aus weiteren Gründen für extrem rechte Parteien wichtig. Erstens, weil ihre Präsenz vor dem Vorwurf des Sexismus schützt. Sie fungieren als Feigenblatt. Gleichzeitig sprechen, auch wenige, dafür sehr sichtbare Frauen in den Reihen der extrem rechten Parteien, weibliche Wählerinnen an und repräsentieren diese. Das erklärt, im gleichen RND-Artikel, Rechtsextremismus-Experte Matthias Quent. Er sagt, dass gerade für die männerlastige äußerste Rechte prominente Frauen in einer Partei eine “Bedingung zur Massenmobilisierung” seien, weil Frauen natürlich “eine bedeutende Wählerinnengruppe” seien.

💙💙💙Die Überzeugung macht’s

Eine Karriere bis an die Spitze einer Partei ist nur wenigen Frauen möglich. Viele engagieren sich auch nicht deshalb in extremen Parteien, sondern weil sie beinahe genauso oft wie Männer extrem rechts eingestellt sind. (Hier der Link zum letzten Newsletter, in dem wir darüber ausführlicher geschrieben haben)

Beispiele sind Brittany Sellner (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), Frau des rechtsextremen Identitären Martin Sellner, Autorin und Youtuberin oder Ellen Kositza (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre), die Frau des neurechten Vordenkers Götz Kubitschek.

Trotzdem verwundert es in der öffentlichen Debatte offenbar immer wieder. Ein Grund könnte die Berichterstattung über die Szene sein. Frauen in extrem rechten Organisationen oder Parteien werden häufig als “Verirrte”, als “Ausnahmen mit Aushängeschild-Charakter” oder “harte Kämpferinnen” - zusammenfassend als “Einzelfälle (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)” - dargestellt. Natürlich gibt es das, aber längst nicht nur.

Konfliktforscherin Michaela Köttig erklärt im Gespräch mit der Frankfurter Rundschau (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): “Bei den politischen Einstellungen gibt es keinen Unterschied. Da gibt es genauso viele Frauen wie Männer, die rechtsextrem orientiert sind.” Nur, bei Frauen versuchte man lange, das zu vertuschen oder zu bagatellisieren. Dabei spielten in der extremen Rechten Frauen schon immer eine wichtige Rolle. Und: “Sie übernehmen diese politischen Positionen nicht, um ihren Männern hinterherzulaufen, sondern weil sie selbst davon überzeugt sind.”

Der Einstieg in die Szene sei dabei unabhängig vom Geschlecht – auch, weil das “Angebot” sehr vielfältig sei: “Wir dürfen nicht vergessen, dass die Milieus in der extremen Rechten total breit sind. Es geht nicht nur um das Parteienspektrum, sondern auch um die Kameradschaftsszene oder die intellektuellen Kontexte wie rechte Denkfabriken, in denen kreativ gearbeitet wird.” Dazu komme, dass die extreme Rechte relativ flexibel sei, wie die offen homosexuell lebende Alice Weidel zeige.

“Rechte Parteien und Organisationen ermöglichen ziemlich viel, und Frauen, die sich da engagieren, ignorieren ganz schön viel. Sie entscheiden sich bewusst für diese Szene”, sagt Köttig.

Viele Frauen teilten zudem das “rechte Gesellschaftsbild mit klaren Hierarchien und einer Volksgemeinschaft, die ethnisch definiert ist”, oft gehöre dazu auch “ein reaktionäres Mütterideal”.

Das bestätigt auch Matthias Quent. Er sagt, dass für Frauen emanzipatorische Errungenschaften, also theoretische Freiheit, “im praktischen Erleben als Überforderung empfunden werden” können – beispielsweise bei der Anforderung, Karriere und Familie unter einen Hut zu bekommen. Daran würde die AfD und verwandte Parteien anknüpfen und alte Rollenverständnisse idealisieren.

💐Frauen als Aushängeschild

Oben ist kurz angeklungen, Correctiv hat zum nächsten Grund eine lange Geschichte veröffentlicht. Der Rechercheverbund hat dafür 2020 eine Datenanalyse auf Instagram gemacht und sich nach eigenen Angaben 4.500 Accounts genauer angesehen und ihre Verbindungen kartografiert (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre). Das Ziel: Die Journalist:innen wollten herausfinden, wie “rechte Influencer und Organisationen die Plattform für sich nutzen” und gleichzeitig “das deutschsprachige Netzwerk der rechten Szene auf Instagram tiefgreifend erforschen und abbilden” (hier die Vorgehensweise (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre)).

Correctiv hat im Laufe der Recherche auch mit Personen gesprochen. Dabei ging es immer wieder um die Rolle von Frauen in der Szene. Eine “ehemalige Influencerin der rechtsextremen Identitären Bewegung” sagt beispielsweise, dass Frauen ganz gezielt “als Aushängeschild” benutzt würden. Das sei “Instrumentalisierung, Benutzung bis zum Gehtnichtmehr”.

Frauen sollen demnach, so fasst es Correctiv zusammen, eine “Brücke von der vorgeblich unpolitischen Ästhetik auf Instagram in ein rechtes Weltbild und letztlich in rechtsextreme Kreise” bilden. Dafür würden zahlreiche Frauen aus Reihen der rechtsextremen Jungen Alternative in ihrem Alltag gezeigt. “Politische Inhalte stehen nicht im Vordergrund, sind aber unterschwellig präsent”, heißt es bei Correctiv, beispielsweise durch Hashtags wie #Heimatliebe und #patriotisch.

Und das führt zum Erfolg: Etwa die Hälfte der JA-Mitglieder, so erklärt es ein Mitglied, wurde zu der Zeit via Instagram rekrutiert.

Frauen als Aushängeschild – das ist bekannte und bewährte Strategie, erklärt im Correctiv-Artikel Katrin Degen. Sie hat über die Zugehörigkeit von Frauen in der extrem Rechten geforscht und publiziert (S'ouvre dans une nouvelle fenêtre): “Es ist den Rechten schon lange bewusst, dass Frauen friedliebender wirken.” Schon in den 90er-Jahren hätten Frauen auf Demonstrationen die Plakate getragen.

Die wenigen Frauen in der NPD habe man gezielt aufgefordert, sich in Schulräte wählen zu lassen. In Sozialen Netzwerken wie Instagram setze sich diese Tradition fort, erklärt Degen: Frauen würden gezielt “vorgeschickt”, wo es gelte, die “Ideologie durch die Hintertür” einzuführen. Eine andere ehemalige rechte Influencerin erklärt es im Correctiv-Text so: “Man hat ein Feindbild, und dieses Feindbild versucht man so nach und nach, immer tröpfelnd den Leuten einzuflößen.”

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