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In Kamen bin ich weltberühmt. Taxifahrer fragt: „Sindse nich die aus Amerika?“ - „Nicht wirklich, ich wohne in Venedig.“ - Er: „Ach ja, meinte ich doch!"

Ja, so geht Ruhrgebiet. 

Die Lesung in der Kamener Stadtbücherei war ausverkauft, Heinrich Peuckmann (Opens in a new window), Generalsekretär des PEN und Kamener Schriftsteller hielt eine schöne Rede, und meine Familie saß in der ersten Reihe. „Kamener Schriftsteller“ ist übrigens ein Oxymoron: In der Bergarbeiterstadt Kamen waren Schriftsteller nicht vorgesehen und genossen, wie Heinrich Peuckmann es sein Leben lang spürte und sich darüber gleichzeitig hinwegsetzte, keine besondere Anerkennung. Außer, sie kommen aus Amerika. So wie ich.

Jetzt setzt sich Heinrich Peuckmann mit dem PEN besonders für Schriftsteller ein, die in ihren Heimatländern politisch verfolgt werden – und von denen einige in Kamen Zuflucht fanden. Und so langsam fängt man auch in Kamen an zu begreifen, wie wertvoll Heinrich Peuckmanns lebenslanges Engagement für die Literatur ist: Heute Nachmittag besuche ich eine von ihm organisierte Lesung mit Autoren aus dem PEN und aus Flüchtlingshilfe-Programm „Writers in Exile“ (Opens in a new window) – in der Schlosskirche in Heeren. Und ja, in Kamen haben hier nicht nur ein Schloss (Opens in a new window), sondern auch dichtende Polizisten wie Bernhard Büscher (Opens in a new window), der sich mit Heinrich Peuckmann dafür engagiert, Kamen in eine Literaturstadt zu verwandeln. Was soll ich sagen: Niemals das Ruhrgebiet unterschätzen!

Wie jedes Mal, wenn ich in Kamen bin, fühle ich mich in meine Kindheit zurückgebeamt. Dieses Mal jedoch besonders: In Kamen war Kirmes (Opens in a new window), es roch nach gebrannten Mandeln und Zuckerwatte, und ich konnte es gar nicht fassen, dass es immer noch die gleichen Autoscooter und die gleiche Raupe gibt (Opens in a new window)

Die Stadtbücherei löst bei mir ebenfalls nostalgische Gefühle aus: Es gibt keinen Ort in Kamen, der mir so wichtig war wie die Stadtbücherei, ich erinnere mich noch genau an ihren Geruch (verstaubtes, altes Papier) und an ihr knarrendes Parkett. Wir durften uns als drei Mal in der Woche drei Bücher ausleihen, mehr war nicht erlaubt. Also lieh ich mir jede Woche neun Bücher aus, ich las wie getrieben - Hermann Hesse und Erich Maria Remarque, Françoise Sagan und Pearl S. Buck und immer wieder Jules Verne, in hundertachtzig Tagen um die Welt. Literatur war meine Rettung.

Venedig ist übrigens Thema der Sendung Planet Wissen, die am 22. Oktober ausgestrahlt wird (Opens in a new window) und zu der ich neben dem Historiker Arne Karsten als Studiogast eingeladen wurde. Wobei ich versucht habe, für Venedig eine Lanze zu brechen und ein paar Gemeinplätze über die Stadt geradezurücken. 

Vergangenen Dienstag war ich zu einer anderen Planet-Wissen-Sendung eingeladen, da ging es um die Mafia. Ich finde es sehr verdienstvoll für die Sendung Planet Wissen, die ja laut Wikipedia eine Informations- und Wissenssendung ist, sich für die Mafia zu interessieren – was man vom restlichen Fernsehen in Deutschland nicht gerade behaupten kann. Da findet die Mafia nur statt, wenn es Tote gibt. 

„Wenn wir die Mafia nur dann sehen, wenn sie gewalttätig ist und erpresst, werden wir bald davon überzeugt sein, dass die Mafia nicht mehr existiert, weil sie als Bestandteil der Marktwirtschaft betrachtet wird“, sagte Generalstaatsanwalt Roberto Scarpinato einmal. 

In Deutschland ist dieser Fall schon eingetreten, würde ich sagen. Anders ist es nicht zu erklären, dass hier, was Mafia-Aufklärung betrifft, immer noch Basisarbeit betrieben werden muss. Dass Erkenntnisse verschwiegen, Beamte abgezogen, Zusammenhänge vertuscht und Journalisten verklagt werden, scheint hier niemanden wirklich zu beeindrucken. Es läuft also alles bestens. Für die Mafia.

Die Sendung wird nächstes Jahr ausgestrahlt.

Morgen geht es für mich weiter zur Lesung in Stuttgart (Opens in a new window), im November folgen noch Ansbach, Pfaffenhofen und Detmold (Opens in a new window), und so langsam gibt es auch ausländische Verlage, die sich für mein Buch – und damit für Venedigs Wirklichkeit interessieren. Cross the fingers!

In diesem Sinne grüßt Sie herzlich von on the road durch Deutschland, Ihre Petra Reski

Und: Nicht vergessen: Sie können immer noch Ehrenvenezianer werden!

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