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"Fernweh und Flugscham - Wie wollen wir in Zukunft reisen?" - 

Das ist der Titel des Arte-Dokumentarfilms von Antje Christ, bei dem mein Boot und ich mitgewirkt haben. Sehr informativer Film, unbedingt anschauen - allerdings macht er nur wenig Hoffnung auf Besserung, weil Einsicht in die (nicht nur ökologischen) Notwendigkeiten nicht vorhanden ist. 

Hier bin ich im Boot mit dem venezianischen Regisseur Ezio Toffolutti (Opens in a new window), ein alter Freund, mit dem ich schon oft gegen die Kreuzfahrtschiffe demonstriert habe. Der Film "Fernweh und Flugscham" wird am 8. und 19. April auf Arte gesendet, am 26. April auf 3sat, man kann ihn aber auch  in der Mediathek sehen (Opens in a new window).

Ich war dabei, als der Antimafia-Staatsanwalt Roberto Scarpinato 2011 im Europäischen Parlament seinen Bericht über "Die neuen Gesichter des Mafia-Kapitalismus - Die Evolution der Spezies: von der traditionellen Mafia zum kriminellen System" vorstellte. 

Er erläuterte die enge Verbindung der kriminellen Systeme der Mafia mit den internationalen Finanzlobbys, die nicht nur legales Kapital, sondern auch Investitionen der italienischen Mafia, japanischer Yakuza-Gruppen und der russischen Mafia im Energiesektor verwalten. Scarpinato sagte: »Die russische Mafia sitzt heute im Herzen der internationalen Finanzwelt und ist zu einem der strukturellen Bestandteile des globalen Kapitalismus geworden, zu einer neuen privaten Macht, die in der Lage ist, die internationale geoökonomische und geopolitische Ordnung zu beeinflussen.«  Und: »Die gegenseitige Durchdringung von legalem und mafiösem Kapitalismus sowie das stürmische Wachstum "krimineller Systeme" sind eine tragische Realität in einigen europäischen Ländern, die aus dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums hervorgegangen sind und in denen die Verschmelzung zwischen Mitgliedern der herrschenden Nomenklatura und mafiösen Organisationen so tief verwurzelt ist, dass einige Wissenschaftler die Ausdrücke "kriminokratische Regime" und "Mafia-Staaten" verwenden, um solche Länder zu definieren.«

Und wir sprechen über das Jahr 2011 - dem Jahr, in dem Putin die Wahlen in Russland dank Wahlbetrug gewann.

Daran habe ich gedacht, als ich in der Zeitschrift Micromega den Artikel (Opens in a new window) des Politikwissenschaftlers Fabio Armao las:  »Zu sagen, Putin sei ein Zar, ist wie zu sagen, ein Mafioso sei ein Ehrenmann: In beiden Fällen glauben wir der Selbstdarstellung der Kriminellen. Im Falle der Mafia hatte dieses Missverständnis, das noch vor einigen Jahrzehnten von den besten Wissenschaftlern gutgeheißen wurde, gelinde gesagt schädliche Auswirkungen auf das Verständnis ihres wahren Charakters als Sozialschmarotzer, deren Gewalt nichts anderes als das Maß ihrer Feigheit und Nutzlosigkeit ist. Wenn man dem russischen Präsidenten heute die Stigmata eines Peter des Großen zuschreibt, riskiert man ein Missverständnis, das uns in den dritten Weltkrieg führen könnte.«

Die enge Verflechtung der russischen Mafia mit dem russischen Staat ist seit Jahrzehnten bekannt. Nichtsdestotrotz wurde Putin von praktisch allen europäischen Politikern umworben, und in Italien sah nicht nur die Rechte, sondern selbst ein Teil der Fünfsternebewegung in ihm ein notwendiges Gegengewicht zur Macht der Europäischen Union. 

Was die politischen Positionen im Hinblick auf den Ukraine-Krieg betrifft,so geht in Italien zur Zeit alles drunter und drüber: Einige Linke erklären  (wie zu erwarten) ihren Pazifismus, andere Linke fordern mehr Waffenlieferungen an die Ukraine (weniger zu erwarten), es gibt, laut Umfrage von La Stampa (Opens in a new window) 38 Prozent "Äquidistanzierte", die weder Kiew noch Moskau nahestehen möchten, und auch Anpi, die Vereinigung der antifaschistischen Partisanen, ist im Hinblick auf den Krieg gespalten, weshalb ihr Heuchelei vorgeworfen (Opens in a new window) wurde, auf jeden Fall herrscht große Unsicherheit. Was daran liegen mag, dass Italien einerseits mal das Land der PCI war - und die Wirklichkeit dieses ominösen "Ostens" hier andererseits viel weiter weg war als in Deutschland. Deshalb habe ich mit einigen jungen Ukrainern, die in Venedig studieren, darüber gesprochen, wie ihr Land hier wahrgenommen wird. Einer davon ist Misha, der hier seine Geschichte erzählt: 

https://www.petrareski.com/2022/04/08/misha-26-jahre-alt/ (Opens in a new window)

Wir werden nicht müde, für Venedig zu kämpfen: Gestern habe ich mit meiner Unterschrift gegen den Verkauf von San Piero di Castello (Opens in a new window) an eine französische Unternehmensgruppe protestiert, die diesen letzten Rest eines venezianischen Lebens in eine Luxus-Hotelanlage verwandeln will. San Piero hat eine ganz besondere Bedeutung für mich: Hier lebte Alberto, der Fischer, der in meinem Venedig-Buch (Opens in a new window) eine wichtige Rolle spielt. Als ich die Petition gegen den Verkauf unterschrieb und von Alberto erzählte, kam ein Mann auf mich zu, der Albertos Nachbar war und der über Albertos "Deportation" nach Mestre genauso traurig war wie ich: Alberto sei auf San Piero so etwas wie der heimliche Bürgermeister gewesen - ohne ihn sei San Piero ärmer geworden. 

Der Zynismus, mit dem dieser Bürgermeister auch noch den letzten Rest Venedigs verkauft, ist überwältigend. Um so gespannter bin ich auf die Reaktionen hier in Venedig, wenn mein Buch in Italien erscheint:

Spätestens am 12. Mai ist es so weit, dann erscheint es unter dem Titel "Venedig, der letzte Akt" im Verlag Zolfo Editore (Opens in a new window). Ich freue mich darüber wie verrückt!

Herzlichst grüßt Sie aus Venedig, Ihre Petra Reski

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