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We will survive.

Es gibt zwei Möglichkeiten, den Karneval in Venedig zu überleben: Indem man die Stadt verlässt. Oder versucht, keinen Fuß vor die Tür zu setzen.

Wie immer wird die Stadt von Tagestouristen überflutet: Gruppenreisende auf der Jagd nach Fotomotiven. Tausend nicht-kostümierte Fotografen drängeln sich um einen Kostümierten.

Die Restaurants und Geschäfte bleiben indes leer, während sich die Menschenströme durch die Gassen schieben. So gesehen haben wir es nicht bedauert, dass der Karneval letztes Jahr ausfiel. Denn die Spontanität, die Fantasie und der Witz, der den venezianischen Karneval einst ausgemacht hat – Stehgreiftheater auf einem Campo, Tänzer und Musiker, die durch die Gassen zogen – all das ist in den Mäandern der Kommerzialisierung schon längst untergegangen.

Und Kinderarbeit gibt's natürlich auch. 

Ja, die Karnevalisten haben es auch nicht leicht,  Reifröcke drücken auf den Rücken (Opens in a new window), es ist kalt, es ist feucht und ständig muss man sich auf Brücken, Plätzen drapieren, sich von Wildfremden anfassen lassen und in die Kameras lächeln. Aber gut, zwei Wochen noch und dann haben wir es wieder überstanden.

Endlich wieder zu Hause heißt in Venedig: endlich wieder Wasser.  

https://youtu.be/Nvul8HR5bOg (Opens in a new window)

Und deshalb habe ich neulich im Zug auch so empfindlich reagiert, als mich die mitreisende Dame auf meine Auskunft, dass ich in Venedig wohne, fragte: "Auf dem Festland oder auf der Insel?" 

Daran kann man sehen, wie weit die Propaganda von diesem "Groß-Venedig" reicht - die von allen venezianischen Bürgermeistern wie das Dogma der Jungfrauengeburt verteidigt wird. Denn ohne die Zwangsehe des Festlands mit Venedig (Opens in a new window) würden auch all die Gelder des Spezialgesetzes versiegen, die das Regieren auf dem Festland so leicht machen: Gelder, die für Venedigs Erhalt gedacht sind und in Bürgersteigen in Mestre enden.

Jeder Venezianer kann etliche Varianten zu der Frage "auf dem Festland oder auf der Insel?" aufzählen: Da gibt es noch das "Venezia, Venezia?" ("Venezia" heißt: irgendwo jwd (Opens in a new window) aufm Land bei Venedig, also Mestre, Marghera, Chirignago, Favaro. Und "Venezia, Venezia" soll heißen: Venedig.) Und bei "Wohnen Sie in der Altstadt?" kriegen die Venezianer Schaum vor den Mund. 

Die Dame im Zug konnte natürlich nicht ahnen, poverina, dass ich auf ihre Frage hin sofort eine Kundgebung abhalten würde.

In diesem Zusammenhang noch ein Verweis auf meinen letzten Newsletter: Da habe ich darauf aufmerksam gemacht , dass wir zur Zeit gegen das von der Region Veneto ad hoc (Opens in a new window)eingelegte Quorum für ein konsultatives Referendum klagen, das es laut italienischer Verfassung gar nicht geben dürfte. 

Remember: Es geht um das Referendum zur Autonomie, (Opens in a new window) mit dem wir zuletzt 2019 versucht haben, Venedig als Stadt zu retten. Ohne eine eigene Stadtverwaltung kann Venedig nicht über sein Schicksal bestimmen.

Weil Klagen am Staatsrat viel Geld kosten (stolze 16 000 Euro werden veranschlagt) wurde ein Spendenkonto eingerichtet, das ich schon letzte Woche verlinkt hatte - aber nicht voraussehen konnte, dass ein ganz schlauer "Webmaster" -  ("master di che?" würde man hier an dieser Stelle sagen) - die Seite für seine Umbauarbeiten einen Tag später offline stellen würde. Jetzt ist sie wieder online und das sogar mit deutschem Text: 

https://www.movimentoveneziaautonoma.org/ricorso-in-consiglio-di-stato-1 (Opens in a new window)

Einige meiner Newsletter-Abonnenten sind diesem Spendenaufruf bereits gefolgt, dafür schon jetzt: grazie mille!

Über den Zuwachs der Ehrenvenezianer (Opens in a new window) freue ich mich ganz außerordentlich! 

Und weil jetzt ja auch wieder Lesungen möglich sind: Hier eine Übersicht meiner demnächst anstehenden Termine (Opens in a new window)!

Herzlichst grüßt aus Venedig, Ihre Petra Reski 

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