Zum Hauptinhalt springen

Die Idee hinter der Geschichte

Ich lese seinen Post auf Facebook und bin irritiert. „Plötzlich rechts“ titelt Holger Stenger, und dann schreibt er darüber, wie ihn eine irreführend abgekürzte Headline einer Regionalzeitung in eine rechte Ecke schiebe, in die er überhaupt nicht hineingehöre. „Holger Stenger von neuem Ortsverband der AFD-“ heiβt die Schlagzeile, und „Abspaltung“ steht erst hinter der Bezahlschranke. Maximal ungünstig für Holger Stenger, auch wenn sich die Zeitung postwendend bei ihm entschuldigt. Denn tatsächlich will er für die Liberal-Konservativen Reformer in den Bundestag. Mit der AFD hatte Holger Stenger niemals etwas zu tun, betont er, die LKR aber ist eine Abspaltung der AFD. LKR - wer? AFD-Abspaltung – wie jetzt?

Eigentlich hatte ich mich für den kommenden Tag mit dem Aschaffenburger zum Interview verabredet für „von Mach zu Mensch“; es sollte um seine Radtouren quer durch Deutschland und Europa gehen. Als er noch Vorstand der Viktoria Aschaffenburg war, fuhr er zu den Auswärtsspielen der Fussballer gerne mal mit dem Rad nach München. Dampf ablassen vor dem Anpfiff. Bald will er nach Athen. An Politik hatte ich nicht gedacht. Das funktioniert jetzt für mich natürlich so nicht mehr.

Ich muss erst einmal nachdenken, ob und wie ich dieses Interview überhaupt führen möchte. Eine private Haltung zu einem Mitmenschen ist die eine Sache. Ein öffentlicher Text im beginnenden Wahlkampf in einem – meinem – ganz jungen Magazin eine ganz andere. Ich will mich weder für noch gegen eine demokratische Partei positionieren. Wo ist jetzt für mich noch die Geschichte?

Es muss um das neue „rechte“ Image gehen – und wie es dazu kommen konnte.

In den gut zehn Jahren, die ich Holger Stenger kenne, habe ich ihn immer als meinungsstark erlebt, aber dabei stets als offen und liberal. Er hat seinen eigenen Kopf, aber wer hat das nicht? Ständig klingelte sein Handy, jeder schien ihn zu kennen, er wirkte mir herzlich und freundlich zu Mann, Frau, divers. Aber rechts? Es fällt mir schwer das mit meinem Bild von Holger Stenger in Einklang zu bringen. Zugegeben, wir sind keine Best Buddies. Aber uns verbindet eine herzliche Bekanntschaft.

Kann ich mich so täuschen? Oder was ist da los?

Ich überlege einen Tag lang und belese mich so gut wie möglich zur LKR (ich muss gestehen: wenn ich von ihr schon mal gehört haben sollte, hatte ich sie auf jeden Fall wieder vergessen), dann bin ich entschlossen. Ich muss als Journalistin nicht jeden Text schreiben, für den ich recherchiert habe. Manchmal kann ich nicht immer schreiben, was ich geplant hatte, weil Sachverhalte anders sind als erwartet. Aber Termine abblasen ohne recherchiert zu haben, das passt für mich nicht. Besser scheint es mir hinzufahren und in gebotenem Abstand auf das zu schauen, was hinter dieser Nachricht steckt.

Auf geht´s zu Holger Stenger. Da sitze ich nun, einen Tag nach seinem Facebook-Post, in Aschaffenburg auf seiner Terrasse. Und frage mich und ihn, warum er sich der Partei von AFD-Mitinitiator (und AFD-Ex-Mitglied) Bernd Lucke anschlieβt.