Zum Hauptinhalt springen

Es wird schon alles

Das könnte jetzt einer dieser Posts werden, in dem ich sentimental darüber schreibe, wie wundervoll und großartig die Reise als Mutter bis hierher war. Welch große Lehrmeister mir meine Kinder sind, vor allem Du Großer, der du morgen 13 Jahre alt wirst. Denn Du lehrst mich alles ein erstes Mal, durch Dich lerne ich so vieles und Deine Geschwister haben den Vorteil, dass ich bei ihnen schon entspannter agiere.

Aber über all die Dinge habe ich schon oft geschrieben, auch wenn ich es nicht oft genug sagen kann. Ich bin so dankbar für diese Reise bis hierher, für jeden Moment. Ja, jeden.

Das muss ich bei Dir wohl besonders betonen, denn Deine Reise war ja alles andere als geradlinig. Jedenfalls am Anfang. Als ich gestern das Foto betrachtete, auf dem ich hochschwanger in die Kamera blicke und einfach keine Ahnung habe von dem, was da auf mich zukommen würde, fragte ich mich: Hätte ich es wissen wollen? Hätte ich irgendetwas davon wissen wollen?

Die Frage kam ja auch nach der Diagnose Herzfehler immer wieder auf. Hätte man das nicht erkennen können? Ja vielleicht. Und dann? 

Rückblickend kann ich sagen: Ich hätte nichts wissen wollen. Nichts über die Kraft, die einen zerreißt, wenn die Wehen losgehen und man nicht mehr weiß, wo oben und unten und vorn und hinten ist im Leben. Nichts über die schlaflosen Nächte mit einem winzigen Baby. Nicht über die pure Angst und Panik um Dich nach der Diagnose und den Stillstand des Zaubers. Nichts über vollgeschissene Windeln oder die ersten Male hochfiebrig. Nichts über den Zauber der ersten Tage und Nächte, des ersten Lächelns oder des puren Glücksgefühls beim Stillen und Kuscheln. Nichts hätte ich wissen wollen  gebrochenen Armen oder ausgeschlagenen Zähnen. Auch nichts über das viele gemeinsame Lachen, die Faxen, unser gegenseitiges Erschreckenspiel, die coolen Gespräche, die wir führen. Nichts von Matheschularbeiten und unfähigen Lehrerinnen, nervtötendem Lernstoff in Geographie. 

Nichts, nichts nichts. 

Nichts hätte mir je zeigen können, was da auf mich zukommt. Nichts hätte mir Ängste im Vorfeld nehmen können. Nichts hätte mir je die Kontrolle über das geben können, worüber wir einfach keine Kontrolle haben. Und das ist vermutlich the real scary shit als Eltern. Wir wissen nie, was auf uns zukommt. Egal, wie sehr wir uns bemühen. 

Und das ist wohl der Zauber. Sich da hineinzuentspannen und immer wieder zu vertrauen darauf, dass alles eine Art Sinn hat oder zumindest seinen Weg findet. Wie oft liege ich wach und frage mich, wie das weitergehen soll mit der Schule, wie wir welche Probleme lösen oder kaue Sorgen durch, die noch völlig unberechtigt in der Luft hängen, die noch gar nicht an der Reihe sind. Und dann erinnere ich mich: Es wird schon alles. 

Bisher ist alles geworden. Dein Herz ist geworden. Du bist geworden. Auch ich bin geworden, trotz großem Mist in meinem Leben. Wir sind eine Familie geworden, erst eine große, dann wieder eine kleinere. Auch da hatte ich  Angst vor, dachte "Wie soll das werden?"  Und jetzt schau uns an. Wir haben es so gut, wir haben es so lustig. Nicht immer, das wäre ja unheimlich. Aber es wird alles. Und so wirst auch du. Deinen Weg finden und ihn gehen, was du sowieso längst tust. Ich finde mich darin auch zurecht, ecke halt immer mal wieder an, das ist mein Job hier. Wir hauen uns mal die Birne an, knallen Türen und dann wird alles wieder.

Manchmal sehe ich Eltern mit kleinen Kindern und ich möchte ihnen gern sagen: Das wird schon. Aber das bringt ja gar nix. Ich hätte es ja auch nicht hören wollen. Also schaue ich auf meine großwerdenden Kinder, blicke der Pubertät in die Augen und freue mich, weil ich weiß: Das wird schon alles. 

Kategorie Alltagsgedanken

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Volle Kanne Leben und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden