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Töten für einen höheren Zweck? - "Death Note" philosophisch analysiert

Kleine Spoilerwarnung :

Zwar wird sich in diesem Beitrag nur auf die Grundhandlung und nicht auf den Verlauf der Story bezogen, wer den Anime jedoch vollkommen ohne Vorwissen schauen möchte, sollte sich diesen Beitrag lieber nicht durchlesen.

Lesedauer: 5 Minuten

"Death Note" gehört zu den erfolgreichsten Animes aller Zeiten und basiert auf der gleichnamigen Manga-Serie, welche von 2003 bis 2006 veröffentlicht und von Takeshi Obata gezeichnet wurde. Die Geschichte dreht sich um den sehr intelligenten, aber auch sehr gelangweilten Schüler Light Yagami, der eines Tages ein Notizbuch auf dem Boden findet, in welchem eine besondere Macht schlummert; denn jeder, dessen Name in dieses Buch geschrieben wird, stirbt. Wenn man dieses Death-Note benutzt, muss man sich lediglich das Gesicht des Opfers vorstellen sowie eine Todesursache bestimmen, um aus jeder beliebigen Entfernung töten zu können. Mit dieser Macht entscheidet sich Light dazu, alle Kriminellen umzubringen, um somit der "Gott einer neuen, gerechteren Welt" zu werden. Zwar geht die Kriminalitätsrate zurück, dennoch versucht der Meisterdetektiv, welcher unter dem Pseudonym "L" auftritt, unermütlich Lights Mordserie zu beenden.

Beide Figuren halten sich für die Guten - beide Figuren empfinden sich selbst als gerecht; doch wer ist aus philosophischer Sicht nun wirklich derjenige, dessen Handeln moralisch vertretbar ist? Lasst uns dieser Frage doch mal gemeinsam auf den Grund gehen.

Light und "L" - Vertreter zweier gegensätzlicher, ethischer Theorien

In der Philosophie gibt es mehrere ethische Modelle, welche uns Grundprinzipien an die Hand geben, die uns dabei helfen sollen, moralische Entscheidungen zu treffen. Die beiden Protagonisten von "Death Note" repräsentieren hierbei den sogenannten "Utilitarismus" (vertreten durch Light) und die "Deontologie" (vertreten durch "L").

Beim Utilitarismus wird eine Handlung ausschließlich anhand ihrer Konsequenzen für die Allgemeinheit betrachtet. So kann Töten in dieser Theorie etwas durchaus Moralisches sein, wenn durch diese Handlung eine vielfache Menge an Menschen gerettet wird. Light Yagami tötet mit dem Death-Note Tausende von Schwerstverbrechern und sorgt dafür, dass sie Kriminalitätsrate sehr deutlich nach unten geht - was natürlich unzähligen von Menschen das Leben rettet. Wenn man den Utilitarismus als Maßstab für den Moralgehalt einer Entscheidung nimmt, handelt Light also richtig, da die Konsequenzen seiner Handlung (zumindest kurzfristig) mehr Menschen das Leben schenkt, als es nimmt.

Das Gegenteil des Utilitarismus ist die "Deontologie" - vergleichbar auch mit dem "kategorischen Imperativ". In dieser Theorie wird eine Handlung unabhängig von ihren Konsequenzen moralisch bewertet. Ein Leitspruch dieser Theorie ist beispielsweise: 

"Handle nur nach derjenigen Maxime, durch die du zeitgleich wollen kannst, dass sie ein allgemeines Gesetz werde." - Immanuel Kant. 

Da Töten für "L" etwas durch und durch Böses ist, spielt es für ihn keine Rolle, welche - möglicherweise positiven - Konsequenzen Lights Morde haben.  Die Gefangennahme eines Massenmörders stellt eine universelle Maxime dar, also handelt "L" in dieser Theorie moralisch. Zusätzlich gehört es zu den Pfeilern der "Deontologie", dass das Leben eines Menschen niemals als Mittel zum Zweck eingesetzt werden darf, was Light Yagami mit dem Töten der Kriminellen jedoch tut, da er diese sterben lässt, um als Abschreckung für potentielle zukünftige Verbrecher zu dienen.  Somit kann es aus deontologischer Perspektive und somit für "L" keine andere richtige Entscheidung geben, als Light hinter Gitter zu bringen. Es sei hierbei noch erwähnt, dass "L" ein sogenannter "moderater Deontologe" ist, da er zwar selbst einige Straftaten verübt (Freiheitsberaubung, Eindringen in die Privatsphäre etc.), um dieses Ziel zu erreichen; jedoch gibt es in der moderaten Deontologie Grenzen, die im Fall von "L" beim Töten anderer Menschen für einen höheren Zweck erreicht sind.  

Beide Figuren können also - je nachdem, welches ethische Modell man als Maßstab nimmt - moralisch sowie unmoralisch sein. Dennoch haben die Taten von einem der beiden einen moralisch höheren Wert als die Taten des Anderen.

Schwächen des Utilitarismus sorgen für deutlichere Verhältnisse

Eine der größten Schwächen des Utilitarismus ist die Ungewissheit, da die Konsequenzen einer Handlung in der Zukunft liegen und man beim Ausführen der Handlung nicht wissen kann, wie sich diese auf die Zukunft auswirkt. Im Fall von "Death Note" sorgt das Töten der Kriminellen zwar kurzfristig für eine Senkung der Kriminalität, jedoch sind langfristig einige mögliche Folgen offen, welche Lights Handeln selbst im Utilitarismus als falsch und die von "L" als richtig bewerten könnten.

Wenn ein Mensch allein über das Leben von Menschen richtet, kann dies zu enormer sozialer Spaltung, Angstzuständen, Duldung der Selbstjustiz oder Töten von fälschlich Verurteilten führen. Dies könnte (und ich betone hier das könnte) ein höherer Schaden für die Gesellschaft sein als der Nutzen, der durch Lights Taten gewonnen wird. "L" kann also auch im Utilitarismus derjenige sein, der richtig handelt - dann, wenn die Gefangennahme von Light einen größeren Nutzen für die Allgemeinheit hat; und das ist logischerweise jeder erdenkliche Fall, in welchem Lights Taten sich nicht positiv auf die Gesellschaft auswirken. Welche Konsequenz aber eintritt, ist ungewiss und aus diesem Grund verzerrt sich ein wenig unser Bild von Gut und Böse. 

Wie man sieht, können im Utilitarismus sowohl "L" als auch Light die Guten und die Bösen sein, je nachdem welche Konsequenzen ihre Handlungen langfrisitg für die Allgemeinheit haben. In der Deontologie ist jedoch Light mit seinen Morden in jedem Fall der Böse und "L" immer der Gute, wenn er Light zu schnappen versucht. Aus diesem Grund lässt sich eine leichte Tendenz ableiten, welche "L" in die Position des Guten und Light in die Position des Bösen einordnet.  Dennoch heißt das nicht, dass der gute "L" mit seinem guten Handeln auch das größtmögliche Glück für die Allgemeinheit hervorbringt. Vielleicht ist auch der einzige Weg, wie man etwas Großes in dieser Welt bewegen kann, dass sich jemand selbst mit seinen Taten zum Bösen macht und mit seinen bösen Taten eine Chance für ein größeres Glück schafft, da die Guten das Risiko eines potentiellen Unglücks für die Allgemeinheit wohl niemals eingehen würden.

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