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Folge 2 - Gestalten mit und für Kinder - Andreas Mikutta

Was anwendungsoffene Gestaltung bedeuten kann...

SINNFOLLE ESTHETIK - der Podcast über Gestaltung und Ermächtigung

mit Andreas Mikutta (Öffnet in neuem Fenster)

Bei Fragen und Anmerkungen:

GESPRÄCHSPROTOKOLL

Luise: Hallo und herzlich Willkommen zu sinnfolle esthetik, dem Podcast über Gestaltung und Ermächtigung.

Wir sprechen heute mit dem Holz- und Produktgestalter Andreas Mikutta und setzen uns mit einem wichtigen Thema auseinander: dem Gestalten für Kinder und dem  Gestalten mit Kindern.

Außerdem verlieren wir uns so ein bisschen in der Form- und Materialästhetik seiner Arbeiten und stellen die Frage, wie anwendungsoffen gestaltete Möbel sein können. Viel Spaß dabei !

Bevor wir so richtig in’s Thema einsteigen, kurz noch etwas in eigener Sache. : Wir sind jetzt tatsächlich zu dritt.

Und zwar hat sich die liebe Pia, ihres Zeichens selbst Gestalterin und ehemalige Kommilitonin von mir, bereit erklärt uns im Hintergrund zu unterstützen.

Das bedeutet, dass sie nicht nur bei den Podcast-Aufnahmen Protokoll führt, sondern sich auch mit um die Qualitätskontrolle kümmert, auf inhaltliche Verständlichkeit überprüft und transkribiert.

Dafür sind wir unendlich dankbar. Genau, soviel vorne weg, damit ihr Bescheid wisst, wie das hier läuft.

Manuel: Unser heutiger Gast hat einen sehr spannenden Zugang zu Gestaltung. Neben seiner Arbeit als selbstständiger Produktgestalter arbeitet er auch als

Lehrkraft für besondere Aufgaben im Bereich Grundschuldidaktik Werken an der Universität Leipzig.

Wir freuen uns ihn bei uns im Podcast sinnfolle esthetik begrüßen zu dürfen. Herzlich Willkommen Andreas Mikutta!

Andreas: Hallo und danke euch für die Einladung.

Manuel: Andreas ist gelernter Tischler und hat Holzgestaltung an der Fakultät für Gestaltung in Schneeberg studiert, sogar doppelt studiert.

2010 hat er seinen Diplomabschluss an der Angewandten Kunst Schneeberg gemacht und 2017 ist er dann zurück gekehrt und schloss 2019 sein Masterstudium ab.

Luise: Genau. Über sein Master-Abschlussprojekt wollen wir heute mit ihm sprechen. Sein Projekt heißt „Die Maker der Zukunft - mobile Gestaltungsräume für Kinder“.

Ich fand das mega spannend: Zum einen, weil wir, also Andreas und ich, gemeinsam damals den Master angefangen hatten und ich quasi nur die Einstiegsgedanken ein bisschen mitbekommen habe und mir jetzt das fertige Konzept anschauen kann. Zum anderen, weil er indem er die Gestaltungsräume für Kinder gestaltet ja auch ein sehr partizipativen Designweg eingeschlagen hat und den auch ziemlich gut in seinem Konzept darstellen kann. Ja Andreas, kannst du uns zum Einstieg für alle Zuhörenden, die dein Projekt noch nicht kennen, kurz beschreiben um was es geht, wie dein Produkt aussieht und was du dir bei deinem Konzept vorgestellt hast?

Andreas: Ich versuche das gerne einmal. Also du hast ja den Titel eben schon genannt, Luise.

„Die Maker der Zukunft - Mobile Gestaltungsräume für Kinder“.

Vielleicht ist es am einfachsten ein bisschen was dazu zu erklären, wenn ich von hinten im Titel anfange. Es geht um Objekte für Kinder.

Gestaltung begreife ich in dem Zusammenhang eigentlich so, dass es um „Dingen eine Gestalt geben“ geht. Es ist überhaupt nicht spezifisch auf irgendeinen Werkstoff orientiert.

Es ist wirklich offen. Es geht darum Dinge zu gestalten.

Die Mobilität heißt, dass es erst einmal ortsungebunden ist. Es sind keine Dinge, die irgendwo fest installiert werden müssen.

Sie sind beweglich, sie können in unterschiedlichen oder verschiedenen Räumen von Raum zu Raum bewegt werden. Sie können an verschiedenen Einsatzorten ihren Platz finden.

Das sind in diesem Produkt-Ensemble mehrerer Objekte.

Es geht zunächst einmal zentral um Arbeitstische. Werkbänke könnte man das auch nennen.

Es sind sozusagen Arbeitsflächen auf denen mit verschiedenen Materialien, mit verschiedenen Werkzeugen gearbeitet werden kann. Das sind wendbare Platten, die auf Böcken stehen.

Die können in der Höhe verstellt werden, sodass sie auf unterschiedliche Altersstufen und Größen reagieren können, sodass im Sitzen oder im Stehen daran gearbeitet werden kann; man entweder eine ganz glatte Fläche zur Verfügung hat, auf der zum Beispiel mit Ton oder mit Papier gearbeitet werden kann, oder gezeichnet werden kann.

Wenn man die Platte wendet, hat man die Möglichkeit, Dinge fest zu spannen, sodass Holzleisten befestigt werden können um was zu sägen, was zu bohren, also Dinge auch fixieren zu können; das ist eine grobe Beschreibung dieser Arbeitstische. Die Tische haben einen fahrbaren Untersatz, sodass sie transportiert werden können.

Man kann diese Platten abnehmen, kann sie auf dem Wagen verstauen, diese Böcke darauf verstauen und kann mit diesem Wagen dann an einen anderen Ort rollen und gleichzeitig hat dieser

Wagen auch die Funktion, dass er auch eingesetzt werden kann, um Materialien oder Materialboxen zu transportieren.

Dann gibt es noch einen Werkzeug- und Materialtrolley. So würde ich das vielleicht beschreiben.

Das ist wie ein großer Kubus, der auf der einen Seite eine Werkzeugwand hat, wie man das klassischerweise aus dem Hobbykeller des Opas kennt, wo die Werkzeuge Platz finden können, wo man die Bohrer verstauen und die Säge ran hängen kann; die Dinge, die man eben so braucht oder haben möchte. Die gegenüberliegende Seite hat wieder so eine „Verstaufunktion“ für Materialien, die wie eine Art Fächer generiert werden können.

Das ist alles sehr flexibel gehandhabt, wo man Leisten unterbringen kann oder Pappen oder Holzstreifen reinstellen kann.

Die Idee ist auch, möglichst weit offen zu halten, was diese Bestückung mit Materialien und Werkzeugen angeht, um flexibel auf vorhandene Ausstattungen oder Bedarf reagieren zu können.

Der Trolley verfügt über vier Schubladen. Das sind Euroboxen, also Archivkisten, die dort wie Schubkästen eingeschoben werden. Dort können dann Materialien wie Ton oder Papiere oder was auch immer gebraucht wird, untergebracht werden. Man kann diese Kisten komplett rausziehen, sodass man sie zu seinem Arbeitsplatz bringen kann oder man kann es eben wie einen Schubladenschrank verwenden um sich daraus zu bedienen. Auch dieser Trolley ist mit Rädern ausgestattet, sodass auch er rumgefahren und an den Platz hingebracht werden kann, wo er gebraucht wird. Das war ein kurzer Versuch, um dieses Ensemble zu beschreiben. 

Es geht in dieser Arbeit „Die Maker der Zukunft“ darum, dass ich denke die Kinder sind ja die, - und so kommt dieser Titel eigentlich zu Stande - die die Zukunft gestalten und die dafür verantwortlich sind die Zukunft auch zu machen.

Das ist so das Wortspiel mit den „Makern“. Es spielt natürlich auch auf diese Maker-Bewegung ab, die sich zum Ziel setzt, wieder souverän mit der uns umgebenden technischen und Produktwelt umgehen zu können. Also nicht so passiv und rein konsumierend, sondern ein aktiver Teil daran zu sein. Ich bin überzeugt, dass es diese tätige Auseinandersetzung der Kinder braucht. Das ist, vielleicht ganz verkürzt gesprochen, die Zielsetzung hinter diesem Ansatz: Es geht darum, Kindern die Möglichkeit zu geben Hand anlegen zu können, um sowohl die motorischen Fähigkeiten zu entwickeln und zu nutzen, als auch einen Einstieg zu finden, der Dingwelt begegnen zu können, indem man sich auch an Dinge ran traut. Dass man dem nicht wie dem großen Mysterium gegenübersteht, und wenn was kaputt ist, dann weiß ich eben auch nicht, sondern dass man eine Haltung entwickelt die sagt: „Da guck ich doch mal nach!“ oder „Da traue ich mich ran.“

Das ist die Idee der Maker. Auch dieser ganze Aspekt der Reparatur zum Beispiel. Es ist schwer das jetzt so ganz kurz zu fassen, aber vielleicht in Grundzügen um darüber zu berichten.

Luise: Vielen Dank für die Beschreibung. Na klar, du hast es auch gestaltet, aber du hast es so schön beschrieben, dass ich sofort ein Bild im Kopf habe, wie das auszusehen hat oder wie das vermutlich aussieht. Für die Zuhörenden, die sich da nochmal visuell überzeugen möchten: Wir setzen die Links zur Webseite Shownotes - Ich habe die Webseite zu dem Projekt erst vor kurzem entdeckt. Gibt’s die schon länger oder habe ich die einfach nicht gesehen?

Andreas: Es gibt die tatsächlich seit dem Master-Abschluss. Es ist nur so, dass die noch nicht fertig ist. Das ist so ein Fragment. Die Idee dazu ist eigentlich eine Internetseite wie eine Art Serviceplattform zu haben, die Information verschiedenster Art liefert. Also sowohl über Hintergrundinformation zu Materialien, zu Werkzeugen, als auch Projektideen oder Anregungen gibt, was die Verarbeitung angeht. Die an der Stelle sozusagen auch ein Stück weit didaktisch unterstützen kann.

Luise: Das ist spannend, das ist cool !

Andreas: Die Idee dahinter war letztendlich dieses Möbelkonzept auch als offenes System zu sehen insofern, dass man eben auch sich austauschen kann, was damit möglich ist. Wie Funktionen noch anders genutzt werden können zum Beispiel. Es ist nur so, dass ich dort auch festgestellt habe, dass meine Ambitionen ein Stück weit zu hoch waren. Ein Möbelensemble zu entwickeln und gleichzeitig eine Homepage aus dem Boden zu stampfen, wo ich meinen Fähigkeiten und Kenntnissen her noch nicht das Zeug dazu habe. Diese Homepage ist ein Fragment, aber man kann auch ein Stück weit was sehen und kann die Idee dahinter schon sehen, die es mit dieser Homepage gibt. Aber es ist ja so, dass das Produkt ein Prototyp ist. Es gibt schon die Vorstellung, daran noch weiter zu arbeiten. Ich habe das auch mit einem Projektpartner zusammen gemacht. Das ist jetzt im Moment nur an sich wie vieles. Durch die Pandemie ist der Projektpartner auch ein bisschen on-hold. Er schaut erst einmal selber, dass er halbwegs unbeschadet durch die ganze Sache durchkommt. Er hat jetzt die Entwicklungen erst mal auf Eis gelegt. Aber die Hoffnung oder die Vorstellung ist schon da, auch an die Hompage wieder dran zu gehen.

Luise: Also du schaffst ja in dem Moment zwei Gestaltungsräume. Einen analogen und einen digitalen, die sich dann irgendwie verbinden. Ich würde jetzt nochmal auf den analogen Teil zurückkommen. Der Werkstoff Holz scheint ja in deiner Gestaltung und wie du das aufbereitet hast zentral zu sein,; welche Werkzeuge da vorhanden sind, damit Kinder damit arbeiten können und so weiter, die sind ja schon auf den Werkstoff Holz ausgerichtet. Warum? Warum Holz?

Andreas: Also für mich ist das natürlich ein ganz wichtiger Werkstoff. Dazu wie diese Verbindung zustande kam,hätte ich verschiedene Theorien. In dem Produkt, also in den Gestaltungsräumen über die wir jetzt gesprochen haben, ist das schon offengehalten. Also ich glaube, dass das nicht holzspezifisch ist. Das ist mir an der Stelle auch wichtig, dass es auch materialübergreifend funktioniert. Gerade weil ich denke, dass das, was da etabliert ist an Arbeitsmöglichkeiten nach meinem Eindruck oft so eine Miniaturisierung von Erwachsenen-Arbeitswelten ist. Es gibt die klassische Schreiner/Tischler - Hobelbänke für Kinder. Das ist dann so wie der kleine Schreiner.

Das ist mir aber schon wichtig, dass es darüber hinaus geht. Dass es nicht auf dieses eine Material begrenzt werden soll, weil Kinder so auch nicht arbeiten. Da gibt’s diese Grenzen nicht so stark. Da kann auch das Lego mit integriert werden oder der Stein von draußen oder was auch immer. Und deswegen möchte ich schon gern, dass es materialoffen ist. Das Holz hat aber den Vorteil, dass es ein so leicht zu bearbeitender Werkstoff ist, dass es leicht verfügbar ist und, dass damit so wahnsinnig viel möglich ist. Konstruktiv sind da wenige Grenzen gesetzt und man kann mit ganz einfachen Mitteln und schon in einem sehr jungen Alter damit Dinge schaffen, die mit anderen Werkstoffen nicht so ohne Weiteres umzusetzen sind. Das macht das Holz schon auch zu einem wichtigen Werkstoff für Kinder.

Ich selber habe dazu einen ziemlich innigen Bezug, weil das so von klein an bei mir da war. Es war nicht so, dass meine Eltern in diesem Beruf gearbeitet haben. Die sind beide aus dem kaufmännischen Bereich, aber die haben, als ich noch klein war, ein Haus gebaut. Und in der Verwandtschaft, habe ich einen Onkel, der eine Zimmerei hatte, und die haben die Arbeiten gemacht. Viele Kindheitserinnerungen sind von mir geprägt davon, dass wir dort in diesen Werkstätten waren. Und das sehe ich natürlich jetzt auch irgendwie: Wenn ich selber was arbeiten will und meine Kinder sind da, dann ist das cool, wenn die sich selber beschäftigen. Und da hatte ich und wir als Kinder total viele Freiräume. Da lagen überall die Pappschnitte rum, da war der Spänebunker und keine Ahnung was noch alles. Das sind schon prägende Erinnerungen. Ich glaube da gibt’s auch Theorien dazu. Auch die ästhetischen Eindrücken wie Geruch und so weiter, wie die Prägungen hinterlassen. Ich glaube das ist schon auch so. Und dann haat das so im jugendlichen Alter wieder angefangen, dass es mich interessiert hat, Dinge zu bauen. Das wurde dann erst mal so der naheliegender Werkstoff. uUnd dann sind da die Geräte zu Hause womit man was machen kann. Das führt sich so fort. Das ist bei manchen das Textil, weil es die Nähmaschine zu Hause gibt. Dann fängt man eben an, da auszuprobieren. Dann geht’s vielleicht eher in die Richtung. Bei mir ist es eben das Holz und .. Irgendwie glaube ich ist das schon so ein wichtiges Material für mich geworden und geblieben. Ich glaube dadurch, dass ich diese sehr einschlägige Ausbildung gemacht habe als Schreiner und später auch Holzgestaltung studiert habe, liegt’s vielleicht in der Natur der Sache.

Luise: Ich wollt’s gerade sagen: Es zieht sich ja durch dein komplettes Leben, was auf alle Fälle total spannend ist.

Andreas: Ich habe, in einer Berufsfachschule gelernt, wo die schulische und die praktische Ausbildung an der gleichen Institution ist. Also nicht im Betrieb, sondern beides an der Schule gemacht. Dort gab es einen Lehrmeister, mit dem ich jetzt noch Kontakt habe. Er hat mich damals sehr inspiriert und beeindruckt. Irgendwann hat er mal gesagt… also ihm hat das immer ausgereicht mit dem Holz zu arbeiten, weil die Möglichkeiten des Werkstoffs unerschöpflich sind. Das stelle ich auch fest, dass das für mich auch nach wie vor noch gültig ist. Dass ich immer so den Eindruck habe, da kommen immer wieder andere Aspekte und Facetten zum Vorschein, die es so reizvoll machen damit zu arbeiten. Das verändert sich auch im Laufe der Zeit. Ich habe so eine Weile, glaube auch noch am Ende der Ausbildung und hin zum Studium, da hat es mich gereizt so ganz fein zu arbeiten. Man kann so unglaublich präzise und fein arbeiten und kann da feinste Mechaniken umsetzen. Das interessiert mich jetzt nicht mehr so sehr. Jetzt habe ich eher Materialität an sich im Fokus, , also die Eigenschaften, was kann ich draußen einsetzten… Materialwirkung, eigentlich mehr als diese technischen Aspekte. So ist das irgendwie und ich habe oft den Eindruck: es klingt so platt, aber es ist ein Material, das die Faszination nicht verliert.

Manuel: Wenn ich mir jetzt die Produkte auf der Webseite anschaue, dann kommt bei mir sofort der Eindruck: Ich möchte hin gehen, ich möchte das anfassen und ich möchte mal daran riechen. Riecht man diesen Holzgeruch denn? Das würde mich interessieren. Ist es versiegelt oder besonders lackiert? Ist es eher noch nur so bearbeitet, dass keine Gefahr für denjenigen, der daran arbeitet, besteht, also abgerundete Ecken oder so etwas ähnliches?

Andreas: Sprichst du von einem bestimmten Produkt oder eher im Allgemeinen von Dingen?

Manuel: Im Allgemeinen jetzt eher erst mal.

Andreas: Ich arbeite grundsätzlich schon so, dass ich versuche überall dort, wo es möglich ist. nur mit zum Beispiel Ölen zu arbeiten. Oder ich verwende gerne Seife als Oberflächenbehandlung, sodass möglichst viel von dieser natürlichen Haptik bleibt, auch ein Stück weit der Geruch. Das ist schon ein Aspekt, der mir sehr wichtig ist.

Ich glaube dass so diese Aspekte, die du da angesprochen hast wie die Haptik, der Geruch, das Material… das hat auch einen ziemlich großen Einfluss auf die Nutzung. Man merkt das ganz deutlich an ganz banalen Elementen wie einem Fußboden. Wenn man dort über einen Boden läuft, der eine lackierte Oberfläche hat, dann hat der eine andere Temperatur als wenn man über einen Boden läuft, der roh belassen oder nur geölt ist. Diese Erfahrungen finde ich schon wichtig. Es gibt natürlich Bereiche, wo das nicht funktioniert. Ich habe zum Beispiel auch einige Produkte für das Geburtshaus in Leipzig entwickelt, für außerklinische Geburten. Das ist natürlich ein Bereich, indem permanent auf die Hygiene geachtet werden muss. Sie müssen desinfizieren und so weiter. Dort sind eben auch Grenzen gesetzt. Da muss man dann zum Beispiel mit Lappen arbeiten. Also dort, wo es möglich ist, versuche ich schon mit natürlichen Oberflächen zu arbeiten. Ich finde tatsächlich mittlerweile auch ganz reizvoll das auch mal wegzulassen und nur die gehobelten oder geschliffenen Flächen… wie du gesagt hast, abgerundete Kanten, die natürlich so sein müssen, dass da keine Verletzungsgefahr ausgeht oder dass es eben auch angenehm anzufassen ist. Aber ansonsten gilt es den Werkstoff so zu belassen oder wirken zu lassen.

Manuel: Was macht das mit dem Holz, wenn du mit Seife darüber gehst?

Andreas: Das schützt auch.

Manuel: Also eine Art Versiegelung?

Andreas: Genau, es ist eine Versiegelung. Es ist insofern ganz interessant, denn es ist unüblich. Es entspricht nicht so richtig dem, wie man es gewohnt ist von Produkten, die fertig und dann nutzbar sind. Die geseifte Oberfläche ist eine, die einen eher begleitet. Man kennt das zum Beispiel von alten Wirtshaustischen. Die haben schon eine lange Zeit überdauert. Die sind oft geseift. Da mischt man Seifenlauge in’s Wischwasser und dann werden die Tische geputzt. Und dadurch, dass das eben regelmäßig und immer wieder gemacht wird, werden die Poren mit der Seife gesättigt und die Tische sind irgendwann dann so widerstandsfähig, dass man darauf schütten kann, was man will, denn es kann wieder abgewischt werden. Und das ist aber nicht in dem man es ein-, zwei- oder dreimal behandelt, sondern indem man es kontinuierlich und immer wieder macht. Und je öfter man das macht, desto besser wird die Oberfläche. Eigentlich der umgekehrte Weg zu dem, was man sonst so hat. Wo man Lack oder Öl hat, was kontinuierlich abgetragen wird, dadurch, dass man es reinigt, hat man bei der Seifenfläche eine Verbesserung. Aber man hat eben diesen Fakt, dass man es auch tun und damit pflegen muss.

Luise: Das ist ein total spannender Aspekt im Sinne von einer bestimmten Ästhetik. Ich habe jetzt in meinem Kopf, wenn ich mir eine geseifte Oberfläche vorstelle: Ich glaube mit solchen Objekten gehe ich anders um wie zum Beispiel mit Objekten, die lackiert sind.

Ich muss bei „lackiert“ immer an die Schrankwand meiner Großeltern denken, wo nix ran darf. Wir durften nicht vorbeirennen, mussten immer aufpassen und dieses glänzende, wie erklärt man das, es ist etwas Besonderes. Und denken wir an die Ästhetik von Ökodesign, wo das was anderes mit uns macht. Dass man da eben sagt: Ok, die Oberflächen wirken offener oder natürlicher. Wir wollen sie anfassen, Manuel will dran riechen, je nach dem. Das ist so…

Manuel: Jaja

Luise: Das macht aber… das steht auch in sich für eine offenere Gestaltung, dass man sagt, man lässt den Werkstoff auch irgendwo atmen nach seiner Verarbeitung und schaut ein bisschen was damit passiert. Oder das, was du gerade gesagt hast mit den geseiften Sachen. Am Ende entsteht eine Gestaltung, die durch eine Routine oder ein Ritual über Jahre hinweg erst entstehen kann. Das ist ja genau das Gegenteil von einem fertigen Produkt, das ich am Anfang komplett fertig mache und dann der Verfall einsetzt. Es ist mega spannend darüber nachzudenken.

Andreas: Also ich glaube es ist beides. Ich finde interessant, was du sagt, dass es wie eine Art offenere Gestaltung ist. Das finde ich eine interessante Vorstellung. Als du jetzt von der Schrankwand deiner Großeltern, und jeder hat gefühlt Großeltern mit einer Schrankwand, zumindest gibt’s viele… Das finde ich aber auch insofern spannend, dass natürlich diese Oberfläche… Es hatte für die Großeltern aber vielleicht auch eine andere Wertigkeit.

Wir haben hier zu Hause bei uns einen Esstisch von meinen Urgroßeltern. Das ist deren Esstisch gewesen. Der überdauert jetzt schon so ein paar Generationen. Das ist auch eine andere Haltung dazu. Deine Großeltern haben für ihre Verhältnisse möglicherweise auch viel Geld ausgegeben, um eben dieses Möbel zu haben und achten natürlich auch drauf. Dann ist es vielleicht so, dass es durch die Oberfläche empfindlicher ist. Mir tut es natürlich auch erst einmal weh, dass auf irgendwas, was neu ist, was draufgeschmissen wird oder von den Kindern okkupiert wird. Dann bleiben da Spuren zurück, aber das gehört gleichzeitig auch dazu. Da kommt das in’s Spiel was du meintest, dass die Dinge, die so natürlich von der Oberfläche auch belassen werden, auch eine andere Art haben zu altern. Eine würdevollere Art zu altern. Wenn der Anspruch da ist, dass man sagt, die Dinge können auch bei einem bleiben und können über längeren Zeitraum im Leben begleiten, dann ist das der gleiche Wunsch wie bei der Schrankwand der Großeltern. Ich habe eben das Gefühlt das schafft auch die Möglichkeit, dass es trotzdem irgendwie ein schönes Objekt bleibt, das nicht nur abgenutzt ist, sondern Leben in sich trägt.

Luise: Ich überlege gerade, ob das auch mit Repräsentation zu tun hat. Wenn man jetzt diesen Gegensatz aufmachen will, so diese Schrankwand, die dort steht, die einen gewissen Status repräsentiert in ihrer Unversehrtheit… Aber wenn ich jetzt zum Beispiel an deine Gestaltungsräume denke, die du schaffst, wäre das eigentlich schlimm, wenn diese Dinge unbenutzt und unberührt blieben. Die müssen ja von ihrer ästhetischen Ausdruckskraft her dazu einladen, dass sie in die Hand genommen werden. Also die Hemmschwelle muss ja soweit gesenkt werden, dass die Leute sagen: Boa das ist jetzt neu, aber ich traue mich das anzufassen mit dem Wissen, ich könnte auch einen Kratzer in den Tisch machen.

Andreas: Also wenn’s das schafft, dass man direkt loslegen will, dann ist viel erreicht. Ich glaube, was Manuel vorhin gesagt hat, dass man es anfassen will oder dran riechen will, das ist ja das Sschöne, wenn dieser Impuls entsteht, dass man das begreifen möchte.

Luise: Hast du das Gefühl… ich versuche jetzt mal eine Überleitung zum zweiten Teil zu schaffen - die Poesie des Holzes ist ein wunderschönes Thema - wo ich jetzt die Frage noch hätte: Du hast das gestaltet, dass Kinder sich aufgefordert fühlen selbst zu gestalten. Für mich stellt sich die Frage: Wie hast du das hinbekommen, wie hast du die Daten erhoben? Du bist ja inzwischen erwachsen und müsstest dich quasi zurück versetzen. Wie hast du das gemacht? Wie hast du das hinbekommen herauszufinden, wie man Kinder animieren kann selbst zu gestalten?

Andreas: Also natürlich sind für mich meine eigenen Kinder die ganz wichtige Referenzgröße, die ich mitbekomme und beobachte. Die müssen und dürfen dann natürlich vieles ausprobieren. Ich glaube es ist eine Mischung aus dem Beobachten und Schauen, was die Kinder machen. Wwas mir da konkret sehr viel gebracht hat ist der Austausch mit dem Praxispartner. Ich kann die Firma ja nennen: timkid Kindermöbel (Öffnet in neuem Fenster)heißen die. Die Firma timkid aus Dömitz an der Elbe. Ihr Steckenpferd sind klappbare Wandwickeltische. Die findet man überall in Deutschland an Autobahnraststätten Das ist deren Steckenpferd. Die machen aber auch Kindermöbel. Ich habe mit denen schon davor ein Produkt entwickelt. Das sind Kojen für Kinder, also eher für den Kindergartenbereich oder Betreuungseinrichtungen oder so Bibliotheken, die eben auch Kinder ansprechen sollen. Sabine Schinkel, die zu timkid gehört, ist Ergotherapeutin und Ausbilderin für Ergotherapeut*innen und sie hat einfach wahnsinnig Erfahrung und schon total viel gesehen. Da habe ich sehr viel im Austausch mit ihr gelernt und mit timkid als Firma, die sich schon eine sehr lange Zeit mit Kindermöbeln beschäftigen. Ich glaube es ist letztendlich eine Mischung aus vielem.

Es ist das Beobachten, es ist das Auseinandersetzen, darüber zu lesen und aber auch ganz praktische Erfahrungen, die mit mir geteilt worden sind. Ihr habt ja vorhin meine Tätigkeit an der Uni angesprochen, die dort mit einfließt, wo es sehr konkret um das Arbeiten mit und für Kinder geht und ich glaube letztendlich fließt alles zusammen und ich kann das gar nicht so genau benennen. Es ist aber schon so, dass ich viel durch andere erfahren habe.

Manuel: Wir hatten ja darüber gesprochen zu den Oberflächen, nämlich Lackierungen, Ölen oder Seife, die du verwendet hast. Ist da irgendwas mit eingeflossen in deinen Überlegungen, was zu der Entscheidung geführt hat: Ich verwende bewusst kein blau oder kein rosa um diese Sachen einzufärben, die vielleicht den Zugang für männliche oder weibliche Kinder einfacherer oder schwieriger macht.? Das würde mich einfach mal interessieren. Denn wenn ich jetzt so auf die Produkte geschaut habe, dann habe ich nicht die eine Farbskala gesehen.

Andreas: Es spielt schon eine Rolle. Ich glaube, dass gerade in dem Bereich schon noch diese klassische Prägung sehr stark da ist. An der Uni Leipzig arbeite ich ja in dem Bereich der Grundschuldidaktik Werken. Ich merke da schon, dass ich auch bei den Studierenden, die jetzt junge Leute, vielleicht Anfang zwanzig sind, manchmal erstaunt bin, wie festgefügt diese Muster so sind. Also welches Geschlecht sich womit beschäftigt. Ich glaube Geschlechter-Klischees aufzulösen ist in diesem Projekt der Maker der Zukunft nicht der wesentliche Aspekt, aber es spielt sicherlich insofern eine Rolle, dass der Zugang eigentlich universell sein soll. Da halte ich es für eine gute Entscheidung in der Farbwahl nicht das einzusetzen, was ohnehin so stark besetzt ist und damit vielleicht noch irgendwie eine Notwendigkeit von Erklärungen zu schaffen, dass eben Jungs trotzdem mit rosa und so weiter und umgekehrt, sondern das einfach offener zu halten. Es ist nicht so, dass ich sage es darf da kein blau oder da kein rosa ! Es ist in der Kommunikation des Produkts schlicht einfacher das nicht so zu haben.

Im Bezug auf Farbigkeiten ist das Produkt jetzt nicht so tiefgehend, um sagen zu können, da steckt ein Konzept dahinter. Warum es genau diese Farben sind, da spielen mehrere Faktoren mit rein. Ich will mit diesem Material arbeiten. Was habe ich zur Verfügung? Was mag ich? Was finde ich vielleicht ansprechend? Was melden die Kinder zurück? Was finden die gut? Da ist es schon so, dass ich mir die Freiheit rausnehme zu sagen: Ich denke jetzt, dass die Farben, die ich gewählt habe in einer bestimmen Art und Weise ansprechend sind, weil sie frisch sind, weil sie eine Freundlichkeit mitbringen, weil sie eine Natürlichkeit ausstrahlen. Das beeinflusst die Entscheidung dann vielleicht noch stärker.

Manuel: Du hattest, oder wir hatten vorher ganz kurz darüber gesprochen. Du hattest von deinem Esstisch geredet, dass der von deinen Urgroßeltern ist. Luise hatte von dem Schrank ihrer Großeltern gesprochen. Das sind Produkte, die in Generationen bleiben, Generationen auch umspannen. Jetzt gestaltest du auch selbst solche Produkte. Wen hast du denn zukünftig, mal abgesehen von den Kindern, über die wir jetzt schon gesprochen haben, als Zielgruppe? Also sind das die Eltern, mitunter auch die Kinder? Sind das Institutionen? Was spielt da alles noch in die Überlegung mit rein, wenn du das Produkt gestaltest? Es ist ja nicht nur Produktgestalten, sondern auch ein Lebenserwerb.

Andreas: Ich würde sagen es ist unterschiedlich. Also unterschiedlich um welche Art von Produkt es geht. Ich habe vorhin diese Kojen angesprochen, die ich zusammen mit timkid entwickelt habe, da ist die Zielgruppe öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten. Das ist natürlich aber auch festgelegt im Ansatz der Produktentwicklung wo das hin gehen soll. Wenn das im privaten Umfeld ist, kommt es auch da drauf an, was das für ein Produkt ist. Wenn es um Objekte für Kinder geht, ist es immer interessant, weil da spricht es eben beide an. Es sind natürlich die Kinder, die das oft in ihrer direkten Umgebung nutzen. Aber gleichzeitig ist es ja auch das Lebensumfeld der Eltern. Und die Eltern kaufen es ja auch. Insofern adressiert es beide. Das sehe ich auch als wichtig an, dass die Dinge, die ich mache und entwickle, so sein sollten, dass sie auch für beide funktionieren. Vielleicht weil es mir persönlich auch wichtig ist. Wir haben zu Hause jetzt drei Kinder. Es wird ja alles irgendwie in Beschlag genommen. Zwischendurch kommt das Gefühl auf, dass man sich denkt: Das ist ja auch noch meine Wohnung! Ich glaube das muss irgendwie zusammenfinden. Da ist es im besten Fall so, dass die Kinder das super finden, dieses Möbel zu benutzen oder es zu haben und die Eltern es in ihrer Umgebung schön finden.

Luise: Auf der einen Seite würde ich super gerne über die Material- und Formästhetik quatschen. Auf der anderen Seite wollen wir auch noch diesen Theorieansatz besprechen. Jetzt ist die Frage über was wir weiter sprechen wollen.

Andreas: Ich kann versuchen kürzere Antworten zu geben.

Manuel: Nein. Um Gottes Willen, bitte nicht!

Luise: Nein, es ist ja auch total spannend wie über Design erzählt wird. Es ist trotzdem wichtig, dass man auch hört wie die Leute drauf sind.

Manuel: Was war denn deine Frage nochmal genau? Welche Themen wolltest du jetzt anschneiden?

Luise: Also zum Einen, dass man, weil mir dieser Twist jetzt gefallen hat, dass wir eigentlich ja beide als Zielgruppe haben. Nicht nur die Eltern als Käufer, als finanzielle Option, sondern auch dass das Stilempfinden der Eltern mit hineinspielt. Was man bei deinen Produkten ja auch auf alle Fälle sieht. Also man sieht, dass du das beides mitgedacht hast. Du hast das ja auch schon gesagt, dass das auch damit zu tun hat, dass du selbst Vater von Kindern bist und ja auch ein bisschen für deine eigene Bubble gestaltest.

Andreas: Also es ist dieser Punkt, was ich immer erst einmal interessant finde. Es ist seit ein paar Jahren ein Trend, dass es von Designklassikern Miniaturformate gibt. Dass eben der Eames Chair oder was auch immer nochmal in 2/3 Größe gemacht wird, damit die Kinder auch drauf sitzen können. Das zeigt ja eigentlich, dass da auch versucht wird, irgendwie beide zu adressieren. Das ist natürlich ein bisschen ein eigenartiger Bereich. Es spricht ja eigentlich nur die Eltern an und sagt: Guckt mal, ihr könnt ja auch noch was Cooles für eure Kinder kaufen. Der umgekehrte Weg wäre: man adressiert die Kinder und die Eltern finden es auch gut.

So, wie du es gerade beschreibst klingt das für mich eher danach einfach noch ein weiteres Produkt zu schaffen. Etwas zu verkleinern in seinen Maßen ist ja im Ende keine Gestaltungsleistung mehr, weil man sich ja gar nicht mit den Kindern auseinander gesetzt hat. Die sind ja nicht nur kleiner, sondern sie haben ja andere Bedürfnisse. Eigentlich ist das so ein bisschen Schmu. So habe ich den Eindruck.

Manuel: Es scheint mir auch so eine Bewegung zu sein, die dann von der Mode- in die Möbelindustrie übergeschwappt ist. Wenn ich da kleine Kinder sehe, die in Modeklamotten rumstolzieren, dann denke ich mir: Ja aber, vielleicht wollen sie gerade im Park spielen und die Dinger dreckig machen. Das ist ja in dem Fall dann nicht für den Zweck, den sie gerade vor haben geeignet.

Andreas: Ja, aber das ist ja genau der Punkt, den du vorhin angesprochen hast:„Wen adressiert es eigentlich?“. Ich finde es erst einmal spannend zu sehen. Wie du sagt Luise, es sollte ja, oder im Idealfall ist es ja so, dass auf die Bedürfnisse oder die Anforderungen geschaut wird, die die Kinder haben.

Luise: Also ich glaube die Kinder interessiert es jetzt nicht, ob das von Eames ist oder von irgend jemand anderem, der bekannt ist. Das ist schon krass.

Manuel: Also es fließt ja auf jeden Fall eine Form der Analyse in diese Produktgestaltung mit ein wo man… Luise hat vorhin schon gesagt, sowas wie Daten erheben muss, aber auch mit den Menschen sprechen muss.  Also auch mit den Kindern; mal dieses Produkt an die Hand geben und schaut: Funktioniert das jetzt eigentlich wie ich mir das gedacht habe oder nicht?

Andreas: mhm..

Manuel: Wenn ich da falsch liege oder so, denn ich habe überhaupt keine Ahnung von den konkreten Gestaltungsprozessen. Und deswegen finde ich das auch so interessant mal darüber zu sprechen. Du hast jetzt sozusagen den praktischen Anteil. Du hast aber auch so einen Theorieanteil. Nämlich durch die Lehre und den pädagogischen Aspekt. Gibt es durch diese Verbindung zur Universität mit der Arbeit, oder auch durch dein eigenes Studium, gibt es da irgendwie Erkenntnisse im Umgang mit Menschen, die tatsächlich dann in die Produktgestaltung selbst mit einfließen? Also gibt es da eine Verbindung zu? Also wie der Umgang von Menschen innerhalb dieses bildungsinstitutionellen Horizontes, wie der dann tatsächlich in die konkrete Gestaltung des Objektes miteinfließt.

Andreas: Ich glaube, also das ist gerade oft so in der Auseinandersetzung mit irgend einem Thema; da, gibt es manchmal so Momente, wo es sich einem auftut. Und das kann zum Beispiel gerade im Bereich der Lehre an der Uni sein. Da gibt es schon öfter mal Momente wo ich was lese, wo ich irgendwie Didaktikern begegne und plötzlich hat man das Gefühl, kriegt man da eine Einsicht in einem Bereich und denkt sich: „Ja logisch! Das ist ja eigentlich klar, dass das so funktionieren muss.“ Ich glaube, da kann man sicherlich exemplarisch ein paar nennen. Eine Person, wo es mir so stark ging, ist zum Beispiel Gerald Hüther (Öffnet in neuem Fenster), der Hirnforscher, den ihr vielleicht auch kennt, oder von ihm schon gehört habt. Es ist so, man sieht Interviews mit dem und merkt plötzlich, wie sich da der Horizont auftut. Da ist jemand, der etwas so wirklich Wesentliches verstanden hat, als auch weiß es mitzuteilen. Ich glaube da sind das für mich so Erkenntnisse. (Anmerk. d. R. (1)) Es gibt so Phasen, in denen einen Beschäftigung mit etwas stattfindet und plötzlich hat man das Gefühl, dass man an einem springenden Punkt ist. Manchmal habe ich das Gefühl, dass das auch ganz banale Dinge sind. Da habe ich aber das Gefühl, das bewegt so richtig was in mir. Für mich zum Beispiel - jetzt im Kontext vom Werken oder diesem Tätigsein von Kindern - da hat es für mich ziemlich lang gebraucht bis ich verstanden habe, in welcher Form diese Auseinandersetzung der Kinder stattfindet. Dass es da genauso einen Entwicklungsprozess gibt, in dieser Auseinandersetzung, wie es den in allem anderen Lernen von Kindern gibt. Wenn die anfangen zu schreiben, sozusagen erst mal die Buchstaben, also das sind ja keine Buchstaben, eher Formen, die sie kopieren. Das findet man erstmals ja auch süß, diese Krakelei. Dann entstehen da Worte. Dann können die ihren Namen schreiben und das ist wunderbar. An der Stelle ist es irgendwie was, sodass einem warm ums Herz wird. Und dass das aber im Umgang mit anderen Dingen genau so ist, das war für mich eine total wichtige Erkenntnis. Wenn die mit dem Pinsel umgehen oder irgendwie aus Ton was kneten, oder was falten oder aus Holz was bauen. Man darf da nicht den Anspruch anlegen: Das muss jetzt aber schon irgendwie die Superfunktionalität haben. Es ist wie eine Kinderschrift. So arbeiten die ja auch. Es muss sich entwickeln und, dass man das unterstützt, das sind für mich Erkenntnisse, die für mich total wesentlich sind. Vielleicht sind die bei anderen auch ganz selbstverständlich. Ich habe das Gefühl, das sind Momente, wo sich irgendwie was auftut und ich denke: Ah, da habe ich was verstanden. Ich glaube das kommt eben schon auch im Kontext dieser Lehre immer mal vor, dass da Auseinandersetzungen mit irgendwas stattfinden wo man dann merkt: Genau, das ist ja total wichtig und das ist schön, wenn das passiert! Luise, du kennst ja Frau Fleischer noch. Sie war eine Dozentin in Schneeberg. Die hat mal gesagt: „Ich bin hier der Wiederholzwerg.“ Das ist mir so in Erinnerung geblieben dieses ‚immer wieder.‘ Das ist auch total wichtig. Das ist manchmal total anstrengend, aber das wechselt sich so ab mit Momenten, bei denen man sich denkt: „Ui, da habe ich ja richtig was für mich kapiert.“

Luise: Das, was du beschreibst, diesen Moment der Erkenntnis, den hat man ja in der Gestaltung ganz oft. Oder habe ich ja auch den Eindruck, dass man irgendwas verstanden hat und so weiter. Aber das, wenn wir jetzt auch mal von dieser Trennung Theorie und Praxis ausgehen, funktioniert halt unterschiedlich. Beziehungsweise ist es dann so in der Theorie? Oder wenn man in diesen Umständen lebt, wenn du sagst das Gestalten mit Kindern, wie funktioniert das? Man macht das die ganze Zeit und kriegt das die ganze Zeit mit. Und dann, wie du das gesagt hat,mit diesem Mü Perspektivenwechsel, wenn man dann zum Beispiel eine Theorie zu diesem Thema liest, die halt an der Stelle diesen ganzen Prozess zusammen fasst und einem selbst eine andere Perspektive gibt, stellt sich die Frage: Hilft mir Theorie weiter? Wo das natürlich das nicht über der Praxis steht.und ganz oft komisch vermittelt wird. So, dass man sagt: Das sind die arbeitenden Personen und darüber ist „die Elite“, die sich dann geistig mit den Sachen auseinander setzt. Aber die kann ja nur zu Themen forschen, wo andere Menschen in der Praxis sind. Das ist so ein ganz kleines bisschen … Manuel macht gerade eine Kreisbewegung… das ist so der Punkt, wo sich das gegenseitig befruchten muss.

Andreas: Das ist ja auch so ein von..bis… Mir fiel jetzt gerade, als du das erzählst hast, nochmal was zu diesem Perspektivwechsel , zu der Erkenntnis, die sich da auf tut. Ich habe mal ein Interview (Öffnet in neuem Fenster) gehört oder gesehen - ich weiß gar nicht mehr - mit David Chipperfield, dem Architekten. Da hat er einen Esstisch für eine Möbelmarke gestaltet, wo man erst mal denkt: ein Esstisch ist ein Esstisch. Ich habe dieses Interview gesehen und es war so spannend. Dieses Erzählen darüber, weil er eben meinte - und das ist ein so zentraler Satz, der mir da hängen geblieben ist: Das ist ein Tisch, aber das ist auch gleichzeitig (vielleicht weil er auch als Architekt arbeitet) das Zentrum des Hauses. Das ist eben der Ort, wo die Gespräche stattfinden. Es ist der Ort, wo die Familie zusammensitzt. Es ist der Ort, wo Entscheidungen getroffen werden, die wegweisend sind und sozusagen dieses Objekt so .. ich habe das Gefühl, da spielt dann plötzlich noch so eine andere Ebene mit, `ne Metaebene, die zu diesem Produkt gehört. Und ich finde das spannend, wenn sowas passieren kann, dass es eben das konkrete Objekt selbst verlässt, dann eine andere Ebene oder Geschichte dazu kommt. Das ist, was die Dinge dann noch interessant macht und ich aus meiner Sicht würde das auch als Theorie zum Objekt bezeichnen.

Luise: Auf alle Fälle! Wo du das gerade mit dem Tisch beschrieben hast, ist mir wieder eingefallen: Man hat zwar einen Tisch, aber die Bedeutung des Tisches bestimmen wir ja mit dem Wissen, das wir haben oder nicht haben. Ich finde es immer so spannend, oder man sieht es auch in deinen Arbeiten, dass sie diesen Freiraum eröffnen: Ich habe jetzt ein Produkt gestaltet, aber es ist in seiner Anwendung offen. Das kommunizierst du auch durch die Art und Weise wie du die Fotos machst, also das ganze Framing drum herum. Das kommuniziert schon: Ich gebe dieses Objekt in diesen Raum, in den die Person das stellen möchte ab und dann schauen wir was passiert. Wie benutzen die Kinder das? Und das ist ja eigentlich diese Metaebene, die du da angesprochen hast. Durch so eine Gestaltung werden die gegebenen Möglichkeiten vervielfacht, indem man sich so ein bisschen in der Gestaltung zurück nimmt. Sich auch in der ästhetischen Aussagekraft soweit zurücknimmt, dass man den Personen oder den Nutzer:innen überhaupt die Möglichkeit gibt zu sagen: Hier, das benutze ich vielleicht so oder doch nicht so. Da sind wir wieder bei der Schrankwand. Die ist so brachial und so mit Ehrfurcht aufgeladen, wenn man als Fünfjährige davor steht. Man käme nicht auf die Idee, sie anders zu benutzen. Wohingegen dann die Gestaltung, die ja jetzt auch in der Gesellschaft angekommen ist… dass man Sachen auch anders benutzen kann oder den Freiraum schafft, viel lockerer, und leichter ist.

Andreas: Und gleichzeitig ist diese Art mit Dingen umzugehen ja auch was total kindliches.Ich habe mal auf einer Messe ausgestellt, die „Kind und Jugend“ heißt. Da werden Produkte für den Kind- und Jugendbereich gezeigt. Also da gibt es Dinge, die kann man sich, also konnte ich mir bis dahin gar nicht vorstellen. Man begegnet dort einem Kindergrill, so ein Plastikding, der ein kleinskalierter Grill ist. Die Grill-Utensilien liegen aus Plastik schon drauf, das Steak, die Wurst, und was weiß was ich. Alles in klein. Das ist ja sozusagen das Gegenbild von Offenheit. Dieses Ding ist so konkret. Irgendjemand stellt sich vor, man muss das so klein machen, dann funktioniert es auch für Kinder und die können damit spielen. Was es ja völlig kaputt macht. Die brauchen überhaupt keinen Plastikgrill. Da funktioniert alles dafür. Auf Metall kann gegrillt werden. Mit allem kann gegrillt werden. Das stimmt schon, dass mich das so ein Stück weit begleitet, dass die Dinge , für die Kinder eher spielerisch so offen bleiben können. Ich glaube, wenn die Dinge reduziert sind, bleiben viele Möglichkeiten, was ich damit machen kann. Und ich glaube Kinder haben damit auch überhaupt keine Probleme. Das passiert einfach von selbst. Ich glaube, dass es in jeglicher Form gut ist, wenn da so eine gewisse Flexibilität drinbleiben kann. Also wie hast du das vorhin gesagt? Das habe ich mir nicht richtig gemerkt, aber ich fand es schön. Also das was wir draus machen, zeichnet die Objekte aus. Das finde ich eine schöne Beschreibung.

Manuel: Sowas, dass die Dinge einen Horizont von Möglichkeiten haben oder in sich tragen. Also eine Möglichkeit der Verwendbarkeit, der Gestaltung, der Anwendbarkeit.

Luise: Da hätte ich gleich mal eine Frage dazu. Ist das denn so, dass diese Objekte das in sich tragen, oder ist es so, dass wir diese Deutungshoheit oder quasi die Bedeutung da rein setzen? Finde ich einen diskutablen Punkt.

Manuel: Ja, ich könnte mir das an einem Beispiel vorstellen. Nimm den Tisch, den Andreas vorhin genannt hatte, oder nimm die Werkbank, stell sie in eine Wüste und lass keine Menschen drum rum stehen. Ist es dann immer noch ein Tisch und eine Werkbank? Oder zeichnen sich diese Dinge dadurch aus, dass sie in einer Lebenswelt eingeordnet sind, wo Menschen sie benutzen, sie gestalten, an sie herantreten, ihr Leben vielleicht mit und um sie herum gestalten. Mit dem Tisch: ja! Mit der Werkbank weiß ich das nicht. Der Tisch als zentrales Objekt, das finde ich schon als ein durch-und-mit-dem-Menschen-geprägt-sein. Also ohne Menschen nicht mehr Tisch sein.

Luise: Aber der Tisch kann in der Wüste auch benutzt werden, Dann wird er von Tieren benutzt, die vor der Sonne Schutz suchen. Da sind wir jetzt schon weg vom Human-centered-Design und gehen weiter darüber hinaus.

Andreas: Das finde ich eine spannende Frage. Mir viel nur das Museum noch dazu ein. Was unterscheidet die Objekte, die im Museum stehen, von denen, die in Benutzung sind?

Luise: Absolut! Die bekommen ja nicht nur in ihrer Handhabung eine ganz andere Bedeutung. Plötzlich sind sie nicht mehr Gebrauchsgegenstand, sondern werden ordentlich, am besten…

Manuel: .. institutionell geprägt.

Luise: Ja. Auch ihre Bedeutung ist ja eine ganz andere. Überhaupt die Überlegung: „So haben früher Menschen gegessen. An Tischen !!!“ Das ist ein total spannendes Feld.

Manuel: Du hattest vorhin diesen Architekten erwähnt. Kannst du nochmal den Namen wiederholen?

Andreas: Du meinst David Chipperfield.

Manuel: Chipperfield, genau. War dieses Video insofern ein Element, an das du dich immer wieder dran erinnerst, ein Einfluss auf deine Arbeit? Und gibt es mehrere solche Videos, Bücher, Bilder, Filme, Texte, die dich in deiner Arbeit immer irgendwie geprägt haben oder auf die du auch zurück kommst um eventuell Inspiration zu finden, dich anzunehmen oder dich abzuheben davon?

Andreas: Ja, das gibt es glaube ich schon. Ich glaube ich nehme das oft punktuell mit. Wie zum Beispiel das, was ich von David Chipperfield gesagt habe, das fiel mir vorhin wieder ein. Da habe ich auch länger nicht dran gedacht. Das sind so Momente wo mir was begegnet, wo ich das Gefühl habe, dass das in einem etwas bewegt. Im Nachdenken über die Dinge. Ich glaube solche Begegnungen finden immer mal statt. Ich habe mich zum Beispiel in der Zeit des Masterstudiums, in der Entwicklung des Projektes intensiv mit dieser Do-It-Yourself - Kultur auseinandergesetzt. Da bin ich auch auf einiges gestoßen, was dieses Moment geschaffen hat. Dass es etwas in Bewegung setzt oder etwas auslöst. Wo mir in der Auseinandersetzung aufgefallen ist: Das ist ja gar kein zeitgeistiges Phänomen. Nur weil es gerade jetzt im SZ-Magazin eine Anleitung für irgendwas gibt und man denkt sich, dass das jetzt gerade passiert. Aber das ist was aus den 60er und 70er Jahren. Es war ein bisschen verschwunden, oder wurde überlagert von Dingen.

Da finde ich plötzlich ganz spannend, dass man zum Beispiel Enzo Mari darin findet. (Anmerk. d. R.: Video zu Mari (2)) (Öffnet in neuem Fenster) Man denkt: Ja, ok, ich kenne das Objekt. Es taucht mal wieder in der Designpresse auf und dann liest man plötzlich was dazu und findet was zu diesen Hintergründen und dann tut sich so ein Kosmos auf. Man denkt sich: Mensch, das ist ja… Man fühlt sich jetzt irgendwie schlau, wenn man da eine Erkenntnis hat. Dann merkt man aber, dass vor 50 Jahren schon jemand drüber nachgedacht hat, fertig gedacht und gemacht hat und schon alles da ist.

Manuel: Aber mit dem riesigen Vorteil, dass du es jetzt in einen neuen Kontext einordnen kannst.

Andreas: Das stimmt. Das geht ja immer irgendwie weiter. Das interessante ist ja auch, dass man ein Stück weit … wenn man solchen Dingen begegnet, dass man merkt, dass schon viel da gewesen ist. Leute haben schon darüber nachgedacht und sich damit auseinandergesetzt. Man kann das wieder aufgreifen. Vielleicht rückt man es nur ein Stück an einen anderen Ort. Es bewegt sich irgendwie weiter. Das ist dann weniger ein Gefühl, was im Design ja auch oft vermittelt wird, dass alle so super Genies sind, die immer Neues schaffen. Es geht eigentlich eher darum, dass ich denke: Man kann sich total entspannen, weil wenn ich etwas aufgreifen kann, dann ist das ein Stück weit…. Ich habe ein Fundament auf dem ich stehe. Vielleicht schafft man es ja wieder irgendeine Aufmerksamkeit darauf zu ziehen. Selbst wenn das, was ich dann mache von irgendjemandem benutzt wird, dann ist ja schon viel erreicht. Ich glaube letztendlich, dass diese Auseinandersetzung mit Theorien oder Menschen, die sich damit schon beschäftigt haben, prägend sind und man permanent. Ich glaube alles, was ich sehe ist von irgendjemandem gemacht. Ich greife darauf nur zurück. Mir fällt dazu eine Sache, die das ein Stück weit noch veranschaulichen kann, ein. Ich kenne ein Gestaltungsbüro, die heißen 45kilo (Öffnet in neuem Fenster), und ich kenne die beiden, die das gegründet haben. Sie haben ihr Studio irgendwann von office for design in office for redesign umbenannt, weil sie gesagt haben, dass wir letztendlich nichts Nneues schaffen, sondern nur andere Aspekte zu Dingen hinzufügen, die eh schon da sind. Insofern kann man sagen, dass man permanent geprägt und beeinflusst wird von Dingen, die da sind. Letztendlich ist es vielleicht nur die eigene Sichtweise, die dem eine Prägung gibt. Es gibt glaube ich, immer Menschen, die einen beeinflussen. Vorhin habe ich den Lehrmeister meiner Ausbildung genannt. Es kann so jemand sein oder der Theoretiker, Dieter Rams (Öffnet in neuem Fenster) oder sonst wer. Etablierte Leute über die Filme gemacht werden genau so wie der Ausbilder an der Schreinerschule in Garmisch, die einen großen Einfluss auf die Sichtweise haben, die ich selbst habe oder entwickle.

Luise: Was mir aufgefallen ist, wenn du von einem Re-design sprichst, ist in meinem Kopf immer die Zitierfähigkeit von Design. Wenn wir Sachen gestalten, gerade wenn wir vom Produktgestalten ausgehen, dann ist da ein anderer Anspruch. So wie du das jetzt geschildert hast klingt das sehr idealistisch und ich nehme dir das auch mit dem Darüber-nachdenken ab: Ich gestalte etwas und benutze bewusst oder unbewusst die Eindrücke, die ich schon gewonnen habe, verbessere Dinge, konzeptualisiere Gestaltungen und so weiter. Aber wenn ich mir den Designmarkt angucke, sieht das nicht so aus, sondern: „Ich habe hier ein tolles, innovatives Produkt. Das habe ich selbst erfunden.“ Auch dieser Geniebegriff, den du auch schon genannt hast. Dieses Narrativ, diese Verkleidung, diese Rolle, diese Inszenierung ist ja immer noch da. Da frage ich mich wie wir als Gestalter:innen, die ja trotzdem in einem kompetitiven oder industriellen Kontext stehen damit umgehen können. Von irgendwas muss man ja auch leben. Wenn man dann mit diesem Ideal herangehten möchte, dass es auch etwas nützt, wenn es anderen Leuten nützt. Am Ende geht es aber nur darum, etwas zu verkaufen. Wie kann man da reines Gewissens als berufliche:r Gestalter/Gestalterin rangehen? Oder welches Mindset kann man sich da aufbauen? Geht das überhaupt?

Andreas: Ich frage mich gerade ob sich das ausschließt. Ich hänge noch gerade an dem „idealistisch“, was du gesagt hast.

Luise: Ich kann es vielleicht auch nochmal anders erklären. Es ist diese Vorstellung oder dieses Annehmen, dass es schon alles irgendwie mal gegeben hat und, dass man jetzt als Gestalter:in den eigenen Senf dazugibt. Das spricht ja auch von einer gewissen Demut. Man erkennt das an und im besten Fall macht man es sichtbar. In dem Moment nimmt man sich ja aber diese ganze Inszenierung weg. Man tritt dann als jemand auf im Sinne dieser typischen Narrative wie: „Ich habe hier etwas ganz Neues entwickelt.“ Es geht ja am Ende auch um Geld. Ich muss es produzieren und verkaufen können. Ich muss sagen: „Das ist jetzt der neuste geilste Scheiß“ Obwohl ich vielleicht im Hinterkopf weiß, dass das schon mal jemand gemacht hat, auch wenn es vor fünfzig Jahren war. Wie geht man mit diesem Spagat um?

Andreas: Ich sehe das nicht so absolut. Es geht ja nicht darum, dass man Sachen nur neu auflegt, also. Das nimmt, was da war und es nochmal zeigt. Es geht ja schon darum, was man daraus macht. Was ich damit meine ist, dass es nicht um den Anspruch geht, das Rad neu zu erfinden. So ist es ja in dem Bereich auch immer. Man legt den Fokus vielleicht auf einen anderen Aspekt. Womit wir zum Beispiel eingestiegen sind: Die Maker der Zukunft, also die Gestaltungsräume. Da sind ja auch Elemente dabei, die zum Teil ziemlich banal sind: Die Tische, die auf Böcken stehen. Die habe ich nicht erfunden. Dass Platten auf Böcke gelegt werden, passiert in jeder Werkstatt. Wenn meine Großeltern ihre Wände tapeziert haben, dann haben die das genau so gemacht. Die haben auch Böcke hingestellt, eine Platte drauf gelegt und dann kam die Tapete drauf. Das ist etwas etabliertes. Ich nehme das, ich habe ein Vorbild, könnte man sagen, es hat meinen Kopf durchquert und dann gebe ich ihm eine Form, die ich für sinnvoll halte. Ich sehe das nicht so absolut. Es ist immer ein Angebot, das ich mache, und ich denke, weil du vorhin gesagt hat: „…wenn es jemandem nützt“. Ich sehe das gar nicht so idealistisch. Ich habe eher das Gefühl:, dass ich mache ein Angebot mache und ganz viele andere machen auch Angebote. Für mich ist viel erreicht, wenn ich jemanden ansprechen kann und das Gefühl habe, dass ein gewisser Mehrwert entstehen kann. Dass ich durch die Auseinandersetzung, die ich durchlebt habe, ich etwas mitgeben kann, wovon jemand profitieren kann.

Luise: Die letzte Frage, dann schließen wir die Folge: Wie unterscheidet sich denn die Gestaltung für Erwachsene und die Gestaltung für Kinder? Oder ist es vielleicht sogar möglich, dass wir mehr denken sollten wie Kinder oder wie wir früher gedacht haben? Dass wir Dinge wieder spielerischer sehen sollten? Das würde mich interessieren wie du darüber denkst. Ob wir Erwachsene wieder mehr Kind sein sollten?

Andreas: Auf jeden Fall!!! Auf jeden Fall, würde ich sagen. Ich glaube das könnte ein sinnvoller Beitrag zu vielen Problemen sein. Ich glaube das Ttolle im Umgang von Kindern mit den Dingen ist, dass die sofort die Möglichkeiten darin sehen. Das ist ziemlich spannend. Ich weiß nicht, ab welcher Stelle es anfängt abhanden zu kommen. Ich Das finde das ich spannend, den Umgang mit Dingen, die Bilder, die entstehen für Kinder, die Möglichkeiten, die entstehen einfach so zu beobachten. Das ist insofern ganz schön, weil es dadurch auch einfach wird, mit und für Kinder etwas zu machen. Gesamtästhetisch ermöglicht das natürlich auch mit einer gewissen Einfachheit die Umgebung zu gestalten. Ich glaube das ist vielleicht auch mein Grundanliegen. Meine Arbeiten sind ja immer auch irgendwie so, dass sie ein Stück weit schlicht sind, einfach gehalten sind und in einer gewissen Wweise auch niederkomplex sind. Ich habe das Gefühl, das ist etwas, was einem insgesamt auch gut tut: Einfache Dinge in der Umgebung zu haben, die mit einer Selbstverständlichkeit da sind. Ich glaube, wenn Dinge das vielleicht schaffen diese Möglichkeiten so aufzudecken, dann ist das super. Dann ist das ein super Ergebnis. Das Prinzip, wenn ich eine Türklinke habe, die natürlich irgendwie eine Türklinke ist, mit der ich die Türe bediene, aber an die ich gleichzeitig was ran hängen kann. Sie hat auch die Funktion, dass ich da den Einkaufsbeutel oder die nasse Jacke ran hänge. Oder der Stuhl, auf dem kann ich natürlich sitzen, aber auf den kann ich mich auch daraufstellen, wenn ich oben was aus dem Regal holen will. Ich kann aber auch im Schlafzimmer oder wo auch immer meine Klamotten auf ihn legen. Der kann viel mehr. Und das ist ein stückweit üÜbertragen; das, was Kinder sowieso aus den Dingen machen,; übertragen in Objekte, wie vielleicht auch Erwachsene damit umgehen können. Oder wie ich es schön finde, wenn Objekte funktionieren. Dass sie eben auch mehr können als nur die eine konkrete definierte Funktion.

Manuel: Erstmal herzlichen Dank für die tolle Antwort auf die letzte Frage. Wir sind jetzt auch am Ende von unserer Zeit. Wir danken dir, Andreas, für die Zeit und die Einblicke in deine Arbeit, die du uns gegeben hast und wünschen dir jetzt erstmal für die nächsten und weiteren Projekte alles gGute!

Andreas: Also, danke euch! Ich bin sehr gespannt und es war total schön mit euch zu sprechen. Es hat Spaß gemacht.

Luise: An die Zuhörenden: Wie immer könnt ihr uns schreiben, wenn ihr Fragen habt. Sowohl inhaltlich oder überhaupt Verständnisfragen, Fragen zum Podcast und so weiter… Die üblichen Kanäle sind in den Shownotes verlinkt. Dann hören wir uns beim nächsten Mal. Tschüß !

Manuel: Ciao!

Andreas: Tschüß!

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Anmerkungen:

(1) Nach unserer Recherche ist deutlich geworden, dass Gerald Hüther im Zuge der Corona-Pandemie durch Videos und Interviews mit Verschwörungstheolog:innen und Maskenverweiger:innen in Verbindung gebracht wird oder auch von eben jeden instrumentalisiert wird.  Hüthers Aussagen sind im Zuge dieser Videos und Interviews daher kritisch zu betrachten.

(2) Durch die Auseinandersetzung mit Mari bietet sich die Möglichkeit, einen Zugang zur philosophischen Reflexion zu bekommen. Enzo Mari spricht im Video aristotelische Begriffe an; bei Aristoteles ist "die Form" als Begriff eine der Ursachen des Werdens von allen Dingen. Wir haben euch folgend einen Auszug aus dem entsprechenden Werk von Aristoteles zur Verfügung gestellt.

Aus Aristoteles, Metaphysik (kurz. Met.) S. 1034b30-1035a10 

„Wenn es nun einerseits den Stoff, andererseits die Form und weiter das daraus Vereinigte gibt, so kann einerseits der Stoff als Teil von etwas ausgesagt werden, andererseits nicht, sondern nur dasjenige, woraus der Begriff der Form besteht. […] das Erz ist ein Teil der konkreten Statue, nicht aber ein Teil der Statue, insofern unter ihr die Form verstanden wird (denn man muss die Form und jedes Einzelne, insofern es über Form verfügt, an sich aussagen, niemals aber darf man das Stoffliche an sich aussagen).“

Rehmke und Schneider, Geschichte der Philosophie,VMA Verlag Wiesbaden, 1959, S. 47.

„An jedem Dinge der Wahrnehmungswelt lässt sich nach Aristoteles Stoff (hyle, materia) und Form (eidos, morphe, forma) unterschieden; sie sind die beiden Gründe aller Dinge. Stoff und Form stellen hier augenscheinlich die metaphysischen Gegenstücke von Wahrnehmung und Begriff dar: wie eine Wahrnehmung ohne Begriff für den Erkennenden nichts bedeutet und erst durch den Begriff Erkenntnis kommt, so ist auch Stoff ohne Form nichts, und erst durch die mit ihm verbundene Form gehört auch er überhaupt zur Wirklichkeit. Aber auch umgekehrt, wie der Begriff auf Grund und an der Wahrnehmung erst gewonnen wird, so ist die Form auch nur mit dem Stoff zusammen in der Welt. Stoff und Form sind also auch die beiden Gründe jeden wirklichen Dinges. Und wie die Wahrnehmung, die ja den Begriff in sich trägt, uns erst durch den Begriff Erkannteswird, so ist das Ding nur durch die Form, die es in sich trägt, Wirkliches: der Erkenntnisgrund der Wahrnehmung hat sein metaphysisches Gegenstück eben im Seinsgrund des Dinges. […] Stoff und Form begründen nun freilich das Ding, aber sein Dasein ist ihr Dasein. Es gibt keine Form ohne Stoff in der Welt, aber auch keinen Stoff ohne Form. Stoff für sich bedeutet nur die allgemeine, völlig unbestimmte ‘Unterlage‘ für die Dinge überhaupt, also deren allgemeine ‚Möglichkeit‘, auf Grund welcher sie dank der anderen Gründe, der Form, Wirklichkeit haben.“

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Bei Fragen und Anmerkungen:

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