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Interview mit Robin Mohr von der GIMA Frankfurt

In Deutschland fehlen preiswerte Wohnungen. Ein entscheidender Preistreiber sind die Grundstückspreise. Auch viele Privatleute beteiligen sich an der Preisspirale und fordern Mondscheinpreise für ihre Immobilie.

Manchen Eigentümer:innen liegt jedoch etwas an ihren Immobilien. Sie sind z.T. selbst darin aufgewachsen und kennen ihre Mieter:innen seit vielen Jahren. Nach einem Verkauf wollen sie Haus und Bewohner:innen in guten Händen wissen und vor hohen Mietzinsanpassungen und Verdrängung schützen. Mitunter wollen sie selbst im Haus bis zum Lebensende wohnen bleiben. Neben der monetären Seite spielen viele emotionale Faktoren eine Rolle.

Der sozialverträgliche und gemeinwohlorientierte Verkauf an eine Genossenschaft könnte allen Beteiligten helfen. Da Genossenschaften nicht spekulativ tätig sind, können sie besser auf die persönlichen Anliegen des Verkäufers eingehen. Dies ist beim Verkauf an einen Investor oder eine Bank kaum möglich.

Diese Möglichkeit ist noch wenig bekannt und bedarf einer speziellen Vermittlung.

Mit Robin Mohr von der  Genossenschaftliche Immobilienagentur Frankfurt am Main eG (GIMA Frankfurt) (Öffnet in neuem Fenster) spreche ich über die Arbeit der (Vermittlungs)Agentur.

Hallo Robin, du bist Vorstand der GIMA Frankfurt eG (Öffnet in neuem Fenster).

Wie kam es zur Gründung?

Das Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen e.V. (Öffnet in neuem Fenster) wurde Ende 2020 beauftragt, ein Gutachten zu Gründung und Betrieb einer genossenschaftlichen Immobilienagentur Frankfurt am Main (GIMA Frankfurt) anzufertigen. Das Gutachten sollte klären, inwiefern eine GIMA Frankfurt Mieter:innen vor der Verdrängung aus ihren Häusern und Quartieren schützen kann und einen Mehrwert für die Bürger:innen Frankfurts darstellt. Zudem wurde überprüft, ob und wie eine GIMA Frankfurt wirtschaftlich tragbar und langfristig realisierbar wird.

Die Genossenschaft wurde am 12.09.2022 eingetragen. Die einjährige Pilotphase hat gezeigt, dass es einen Beratungsbedarf gibt und dass das Konzept erfolgreich sein kann.

Welche Bedeutung haben diese Beratungsangebote im Allgemeinen?

Die GIMA München ist als Vertreterin der Zivilgesellschaft im „Bündnis für bezahlbaren Wohnraum“ vertreten. Zu den Maßnahmen für eine Bau-, Investitions- und Innovationsoffensive gehören explizit auch Beratungsangebote. 

Die bundesweite Initiative für mehr Beratungsangebote begrüßen wir sehr, auch wenn es vielleicht nicht dazu führt, dass massenhaft Häuser in die Hände gemeinwohlorientierter Akteur:innen fallen. Es  zählt jedoch jedes Haus und jede Wohnung, die dem renditegetriebenen Immobilienmarkt entzogen wird – insbesondere für die Bewohner:innen. 

Ohne solche Beratungsangebote (in Berlin, Leipzig, Basel, München und Frankfurt) kämen die verkaufswilligen Eigentümer:innen und die gemeinwohlorientierten Erwerber:innen nicht zusammen.

Warum ist die Immobilienagentur eine Genossenschaft und keine GmbH?

Zunächst haben wir uns viel bei der GIMA München abgeschaut, die ebenfalls eine eingetragene Genossenschaft (eG) ist.

Eine GmbH zu gründen wäre sicher einfacher gewesen, aber den beteiligten Gründungsmitgliedern war es wichtig, den Genossenschaftsgedanken hochzuhalten. Hier in Frankfurt haben sich gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen, Vereine, Stiftungen und städtische Stellen zusammengetan, um gemeinsam das Beratungsangebot der GIMA Frankfurt aufzubauen und Bestandsimmobilien zu schützen. Die einzelnen Mitglieder könnten die Öffentlichkeitsarbeit und Beratung nicht leisten. Die GIMA-Mitglieder haben sich also zusammengetan, um gemeinsam etwas zu schaffen, was der Einzelne nicht geschafft hätte. Die GIMA Frankfurt selbst arbeitet nicht gewinnorientiert. 

Wie unterschiedlich sind die Genoss:innen?

Ich unterschiede immer in ideelle Mitglieder und erwerbende Mitglieder:

  • ideelle Mitglieder sind bisher die Stadt Frankfurt und das Netzwerk Frankfurt für gemeinschaftliches Wohnen e.V. Sie haben ein ideelles Interesse daran, gemeinwohlorientierte Akteure auf dem Immobilienmarkt zu fördern und den Bestand an bezahlbarem Mietwohnraum zu erhalten.

  • erwerbende Mitglieder (Wohnungsbaugenossenschaften, die Stiftung trias und die Städtische Entwicklungsgesellschaft KEG) sind diejenigen, an die vermittelt wird und die somit die Dienstleistungen der GIMA in Anspruch nehmen. Im Einzelfall würden wir auch mit Akteuren zusammenarbeiten, denen wir einen gemeinwohlorientierten Umgang mit Immobilien zutrauen und die unsere Statuten zur Bewirtschaftung der Immobilie unterschreiben.

Die Mitgliedschaft der Stadt Frankfurt war für die Gründung ein erheblicher Mehraufwand wegen der bürokratischen Hürden einer städtischen Beteiligung. Zuletzt merken wir aber häufig, dass es sich gelohnt hat, die Stadt mit im Boot zu haben. Sei es wegen der Nähe zu den städtischen Ämtern und Institutionen oder wegen der hohen Öffentlichkeitswirksamkeit bei Zusammenarbeit mit Amtsträger:innen. Außerdem vermittelt ein Stempel der Stadt einen seriösen Eindruck und bringt die Verbundenheit mit unserer Heimatstadt Frankfurt am Main gut zum Ausdruck.

Gibt es schon realisierte Projekte? Wie groß ist die Nachfrage?

In diesem Jahr gab es einen ersten sehr erfreulichen und erfolgreichen Fall.  
Auf unserer Website finden Sie das Medienecho https://gima-frankfurt.de/die-gima-frankfurt-startet-durch/
(Öffnet in neuem Fenster)
Auch das ZDF hat darüber berichtet
https://www.zdf.de/nachrichten/drehscheibe/meuser-mieterschutz-dank-neuer-genossenschaft-100.html (Öffnet in neuem Fenster)

Ein Fall im ersten Jahr ist natürlich noch nicht die Welt, aber die Strukturen müssen sich erst etablieren und die GIMA bekannter werden. Aber bereits jetzt erreichen uns viele Anfragen von verschiedenen Seiten:

  • von Bewohner:innen, deren Haus verkauft werden soll und die Angst vor Mieterhöhungen und Verdrängung haben;
    >>>  Wir empfehlen meist, zunächst einmal selbst Kontakt zu Eigentümer:innen aufzunehmen und auf die Arbeit der GIMA zu verweisen.

  • von Makler:innen, die ein Haus verkaufen wollen aber ggf. keine geeigneten Käufer:innen finden;
    >>> Leider kommen wir dann eher nicht zusammen, da die hohen Maklerkosten die Kaufpreise zusätzlich in die Höhe treiben. Zudem haben die meisten Makler:innen ein Interesse an einem möglichst hohen Kaufpreis.

  • von Eigentümer:innen die ihr Haus erkaufen wollen.
    >>> Hier gibt es solche, die die Probleme auf dem Wohnungsmarkt sehen und ihre Immobilie in gute Hände geben wollen – zum Wohle des Hauses und der langjährigen Mieter:innen. Andere hingegen verlangen horrende Summen, die unsere Mitglieder nicht zahlen können.

Von allen Anfragen, die bei uns eingehen, bleiben im Monat circa zwei übrig, die wir intensiv weiterverfolgen. Insgesamt dauert der Prozess immer recht lange; das können durchaus einmal 1 ½ Jahre sein. Sich z.B. vom eigenen Elternhaus zu lösen und dabei eine sozialverträgliche Lösung zu finden, ist einerseits ein emotionaler Prozess und dennoch auch  ein Immobiliengeschäft. Es kann aber auch wesentlich schneller gehen, wenn die Verkaufenden schon genau wissen, was sie wollen. Mindestens aber sollte ein halbes Jahr eingeplant werden, um Kalkulationen und alle Handlungsoptionen auszuloten.

Wie sieht es auf der Erwerberseite aus?

In der aktuellen Unsicherheit sind die Genossenschaften als Erwerber sehr zurückhaltend. Eigenkapital schwindet, da laufende Projekte nachfinanziert werden müssen. Wir arbeiten daher an neuen Finanzierungskonzepten. Eine Idee ist, dass GIMA-Mitglieder gemeinsam Projekte realisieren - zum Beispiel als Kooperation zwischen einer Genossenschaft und der Stiftung trias, die den Boden im Erbbaurecht an die Genossenschaft verpachtet. Auch mit der GLS Bank sind wir im Gespräch, wie ein gemeinwohlorientierter Immobilienverkauf trotz der aktuellen Lage gelingen kann.

Wie finanziert sich die GIMA? 

Die GIMA finanziert sich über eine Aufwandsentschädigung von 1 %, die von dem jeweils erwerbenden GIMA-Mitglied bezahlt wird. Dieses Prozent wird natürlich auch irgendwo auf den Kaufpreis aufgeschlagen, dessen sind wir uns bewusst. Das ist nicht ideal, denn wir sind ja gerade angetreten, um etwas gegen die hohen Immobilienpreise zu tun und niedrige Mieten zu schützen. Dennoch muss sich die GIMA irgendwie finanzieren. Das 1 % Prozent ist  absolutes Minimum für die viele professionelle Arbeit, die wir leisten und zudem deutlich weniger als eine übliche Maklercourtage.

Wie werden die Bestandsmieter abgesichert, die nicht Genossenschaftsmitglied werden wollen?    

Das funktioniert so ... 

  • In unserer Satzung sind die Ziele definiert. Bei einem Beitritt zur Genossenschaft bekennen sich die GIMA-Mitglieder zu den Zielen laut Satzung. Eines davon ist es „gewachsene Hausgemeinschaften und einen guten Wohnstandard zu verträglichen Mietpreisen erhalten und fördern“ zu wollen. Als Interessengemeinschaft nehmen wir niemanden auf, dem wir dieses Zugeständnis nicht abkaufen.

  • Bekanntlich kann der Verlust der Befreiung von der Körperschaftssteuer bei der Vermietung an Nichtmitglieder und anderen wirtschaftlichen Betätigungen drohen.
    Anmerkung Post #30 (Öffnet in neuem Fenster)
    Bei kleinen Genossenschaften kann es schwierig werden, wenn die Bestandsmieter:innen nicht beitreten. Bei unseren beiden großen Mitgliedsgenossenschaften ist das hingegen kein Problem, da diese nicht Gefahr laufen, über den Schwellenwert zu kommen. Klar hat es ohnehin viele Vorteile Mitglied in einer Genossenschaft zu werden – ich kann es wärmstens empfehlen! Ungeachtet des steuerlichen Aspektes  würden unsere Mitglieder niemanden auf die Straße setzen. 

  • Zuletzt werden juristische Verpflichtungen in den Kauf- oder Erbbaurechtsverträgen mit den neuen Eigentümer:innen vereinbart, die eine  Aufteilung in Eigentumswohnungen und Eigenbedarfskündigungen verbieten und weitere Festsetzungen vereinbart, die (Bestands-) Mieter:innen schützen.

Wie wird sichergestellt, dass die Immobilien sozialverträglich genutzt wird?

Wie beim Schutz der Bestandsmieter:innen stellen wir das auf drei Wegen sicher: die Satzung der GIMA, die Rechtsform der Mitglieder und vertragliche Vereinbarungen.

Durch unsere Satzung stellen wir hohe Anforderungen an die Erwerber, die soziale und gemeinwohlorientierte Kriterien erfüllen müssen, damit wir mit ihnen zusammenarbeiten. 

Genossenschaften wirtschaften per se zum Wohle ihrer Mitglieder, d.h. ihrer Bewohner:innen. Eigenbedarfskündigungen und die Aufteilung des Objekts in Wohnungseigentum sind somit ausgeschlossen. Außerdem haben die Mitglieder hier ein Mitspracherecht. Die Genossenschaften machen keine Luxusmodernisierungen und berücksichtigen bei der Auswahl von Modernisierungsmaßnahmen die Bedürfnisse der Bewohner:innen.

Unabhängig von der Rechtsform versuchen wir beim sozialverträglichen Hauskauf verschiedene Verpflichtungen zur künftigen Bewirtschaftungspraxis rechtssicher und dauerhaft abzusichern:

  •  Ausschluss von Aufteilung des Objekts in Wohnungseigentum, Eigenbedarfskündigungen und Luxusmodernisierungen;

  •  Die Modernisierungsumlage darf höchstens 80% der gesetzlich möglichen Umlage betragen;

  •  Mietpreise dürfen um höchstens 2% pro Jahr auf höchstens 90% des Mietspiegels angepasst werden;

  •  bei Weiterverkauf müssen wiederum alle obenstehenden Punkte gesichert werden. 

Bei diesen Festsetzungen ist klarzustellen: das sind für uns die absoluten Höchstwerte. Miethöhen von 90% des Mietspiegels sind in vielen Fällen viel zu hoch. Der Mietspiegel basiert auf Neuvermietungen und bildet nicht das durchschnittliche Mietniveau ab. Auch eine jährliche Steigerung von 2% oder die begrenzte Modernisierungsumlage, bedeuten eine enorme Steigerung der Miete und das versuchen wir möglichst zu verhindern. Unser Ziel ist es ja gerade, dass niemand ausziehen muss, nur weil das Haus in dem sie/er wohnt verkauft wurde. 

Zusätzlich zu diesen „harten“ Festsetzungen haben wir auch noch weitere „weiche“ Festsetzungen, die wir von den GIMA-Mitgliedern verlangen, die aber nicht vertraglich abgesichert werden können. Dinge wie Mitbestimmung oder das Vorhandensein einer Beschwerdestelle, sind uns ebenso wichtig.

Trotz allen guten Willens seitens Verkäufer:innen und Käufer:innen kann es nötig werden, die Mieten anzuheben und zu modernisieren.  Entscheidend ist, ob ein Immobilieninvestor damit eine Rendite erwirtschaften will oder eine Genossenschaft die Erhöhung braucht, um guten Wohnraum anbieten zu können und nur eine Kostenmiete erwirtschaften will. 

Die finanziellen Selbstbegrenzungen der GIMA-Mitglieder zu Gunsten der Bewohnerschaft haben zur Folge, dass die Kaufpreise nach oben begrenzt sind. Gegen die Angebotspreise auf dem renditeorientierten Immobilienmarkt können Genossenschaften als soziale Vermieter nicht konkurrieren. Daher suchen wir Eigentümer:innen die bereit sind, für das Wohl der Stadt, des Hauses und der Bewohner:innen ihre Immobilie zu besonders guten Konditionen weiterzugeben.

Gegenüber dem Finanzamt ist dann klarzumachen, dass diese Selbstbegrenzung als Wertminderung anerkannt wird und es sich nicht um eine steuerrelevante Schenkung handelt. Wir erproben aktuell noch den juristischen und steuerlichen Gestaltungspielraum für sozialverträgliche Hausverkäufe.

Robin, du bist Vorstandsmitglied im wohnbund (Öffnet in neuem Fenster). Ergänzen sich diese Rollen?

Absolut! Der wohnbund e.V. ist der Verband zur Förderung wohnpolitischer Initiativen. Hier haben sich Menschen und Institutionen zusammengeschlossen, die im Wohnen mehr als ein Geschäft sehen. Dementsprechend können wir nicht damit einverstanden sein, wie der Immobilienmarkt funktioniert. Wohnen als Ware zu behandeln, hat massive soziale Implikationen – insbesondere für Menschen mit geringem Einkommen. Daher kämpfen wir politisch für einen anderen Umgang mit Grund und Boden und beteiligen uns an den bundesweiten Diskussionen zu wohnpolitischen Themen. Wir setzen uns für gute und sichere Wohnverhältnisse für alle Menschen ein.

Die GIMA ist ein ganz praktischer Versuch auf lokaler Ebene innerhalb der aktuellen rechtlichen Situation etwas zu bewegen und bestehende Mietverhältnisse langfristig abzusichern. Sicher wäre es besser, wenn es die GIMA gar nicht geben müsste und es nicht auf den guten Willen einzelner  sozialer Eigentümer:innen ankommen müsste.

Dementsprechend ergänzen sich wohnbund e.V. und GIMA Frankfurt eG.
Wir bearbeiten auf verschiedenen Ebenen am gleichen Ziel: gutes und sicheres Wohnen für alle.

Vielen Dank, Robin für das Interview. Ich wünsche Euch viel Erfolg.
Sicherlich können wir in 1-2 Jahren mehr berichten.

Angelika Majchrzak-Rummel 

Rechtsanwältin, Wohnprojektberaterin






Kategorie Interview

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