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Ein neues Leben

Seit vielen Jahren lebte sie nun in dem kleinen Haus mit Garten.
Rosemarie. Von allen immer nur Rosi genannt, war 72 Jahre jung. Sie betonte das Wort jung nicht etwa, weil sie eitel war, sondern weil sie sich immer noch so fühlte. Es war so, weil sie das Leben schon immer geliebt hatte: alles auskosten, immer Neues entdecken und positiv denken. Frische Pasta mit Knoblauch und Chili, unendlich viele Reisen nach Japan, Thailand und Nepal, Segeln gehen in Spanien und Wandern in Skandinavien. All das war Rosi. Jeden Moment hatte sie ausgekostet wie eine reife Frucht, die man vom Baum pflückt und erntefrisch hineinbeißt.
Doch so erfüllt ihr Leben auch war, etwas fehlte in diesem großartigen und farbenfrohen Mosaik. Ihr Sohn. Lars war nach einem großen Streit, der alles verändert hatte, aus ihrem Leben getreten. Er hatte sich seitdem nie wieder bei ihr gemeldet. Das war nun etliche Jahre her. Sie konnte ihn nicht erreichen und hatte auch Angst davor. Damals hatte sie Lars´ Vater verlassen. Sie hatte sich mit 62 Jahren verliebt. Nicht etwa in einen jüngeren Mann, sondern in ein neues Leben.
Rosi hatte Fritz damals geheiratet, weil es von ihr erwartet wurde. Viele Fragen gab es nicht. Er besaß einen großen Hof und stammte aus einer wohlhabenden Bauernfamilie. Fritz war anständig und arbeitete hart. Sie hatte ihn sofort gemocht, aber nie wirklich geliebt. Rosi war 18 Jahre alt gewesen und kannte weder die Welt noch das Leben. Es war in Ordnung und eine Zeit lang sah es so aus, als würde alles gut werden. Sie wurde mit 36 schwanger. Ihr Sohn war ihr ein und alles. Und obgleich die Ehe mit der Zeit immer schwieriger wurde, blieb Rosi. Sie blieb, obwohl er anderen Frauen schöne Augen machte. Sie blieb, obwohl er zu viel trank. Und sie blieb auch, als er krank wurde und sie zwei Jahre lang den Hof alleine bewirtschaften musste.
Doch als Lars nach dem Studium nach Berlin zog, viele Reisen unternahm und ihr Postkarten aus exotischen Ländern schickte, kam die Sehnsucht. Rosi spürte sie jeden Tag mehr. Eines Tages, als Fritz im Rausch zuschlug und sie nicht ausweichen konnte, fiel sie auf den Fliesenboden in der Küche. Mühsam rappelte sie sich auf, ging die Treppe hinauf ins Schlafzimmer und fing an zu packen. Keine Stunde später verließ sie das Haus und kehrte nicht zurück. Lars liebte seinen Vater. Er hatte ihn nie so erlebt. Deshalb verstand er die Entscheidung seiner Mutter nicht. Sie sah wiederum nicht ein, dass er eine andere Sicht auf die Dinge hatte.
Rosi brauchte frische Luft, die Tränen kamen schon wieder hoch. Sie beschloss, einen Spaziergang zu unternehmen. Als sie die Tür aufmachte, stand da ein kleines Mädchen und lächelte.
„Papa hat gesagt, ich soll an der Tür klingeln und dir fröhliche Weihnachten wünschen!“, sagte sie. Rosi blickte von dem kleinen Mädchen zu dem Mann, der am Gartenzaun stand. „Hallo Mama“.

Die Podcastfolge, in der ich diese Kurzgeschichte vorlese und dir auch noch darüber hinaus einige achtsame Impulse gebe findest du direkt hier ;)

Natürlich auch auf Spotify bzw. bei Apple Podcast!

https://open.spotify.com/episode/3i92DMZQEv0nCIZH6TEJtn?si=f21164f387cb4b64 (Öffnet in neuem Fenster)

https://podcasts.apple.com/us/podcast/ein-neues-leben-wie-wichtig-selbstliebe-f%C3%BCr-dich-ist/id1572964487?i=1000532704602 (Öffnet in neuem Fenster)

Viel Spaß beim Hören!

Deine Hannah

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