Zum Hauptinhalt springen

Das Leben in der Dauerkrise

von Natalia Mleczko

Hier Krise, dort Krise, vergangene Krise und Krisen, zu denen Wissenschaftler*innen bereits unsere Ohren abkauen. Wir leben in einer permanenten Krise. 

Es gibt kein Durchatmen mehr. Hat man eine Krise mit Beulen und Kratzern irgendwie überwunden, steht schon die nächste vor der Tür. Es ist zum Haare ausraufen. Es ist ein Gefühl zwischen Ohnmacht und Aktivismus. Ein Gefühl zwischen Angst und Apathie. Ich wüsste im Moment nicht, wohin ich nicht spenden müsste, wenn ich unendlich viel Geld hätte. Die Erde ist gefühlt ein einziges akutes Krisengebiet.

Was ist eine Dauerkrise?

Im Studium lernte ich, dass Krisen zeitlich begrenzt sind. Krisen sind massive Störungen eines Systems. Krisen bringen uns an unsere Belastungsgrenzen. Sie offenbaren schmerzhaft Schwächen im System. Sie reißen uns aus dem Alltag. Dauerkrisen sind ein permanenter Zustand. Keine Verschnaufpause, Überlappung von Problemen, keine Lösungsansätze, viel Handlungsdruck, Informationsdefizite, unklare Verantwortlichkeit, keine bis wenig Sicherheit, viel Angst, Stress und das auf Dauerschleife.

Wie reagieren Menschen auf Krisen?

Krisen überfordern Menschen. Die Wenigsten wissen, wie man sich verhalten soll. Wie auch? Niemand kennt die Zukunft. Das ist ein klassisches Problem in vielen Branchen. Unsicherheit über die Zukunft, ist die Problematik der Menschheit. Sie ist nicht fassbar. Zukunftsforscher*innen versuchen sie zu modellieren. Politiker*innen wollen die Zukunft beeinflussen. Wahrsagerei, Astrologie, Sterndeuten - all jenes soll uns unsere Ängste über die Zukunft nehmen. Nicht wenige sind dafür empfänglich. Doch es hilft nicht: Wir wissen nicht, was auf uns zu kommt. Wir müssen damit leben. Krisen bauen darauf auf. Während der tatsächliche Krisenpunkt passiert, funktionieren Menschen oftmals, werden sogar kreativ, um sich und anderen zu helfen. Aber der Blick in die Zukunft, lähmt und ängstigt. Manche verdrängen und verdrehen schlicht die Fakten, verkennen den Umfang der Krisenauswirkung. Wir Menschen sind schlecht im Einschätzen ohne Orientierungshilfen.

Wie sollte man mit Krisen umzugehen?

Krisen bergen manchmal die Chance, bei einer aktiven Auseinandersetzung mit der Problemstellung, womöglich einer Verbesserung der Situation oder wenn nicht, dann hat man zumindest etwas Erfahrung gesammelt oder etwas für sich gelernt. Krisen sind dennoch zerstörerisch, beängstigend und im schlimmsten Fall existenzbedrohend. Punkt. Es ist nichts Schönes daran. Die Psychologie sagt auch, dass es besser ist, wenn Menschen weniger psychisch belastende Erfahrungen sammeln. Jede psychisch belastende Situation kann dazu führen, dass wir krank werden. Stress und Ängste haben eine Auswirkung auf uns. Die Wissenschaft zeigte, dass Stress unsere DNA beeinflusst - zum schlechteren. (Öffnet in neuem Fenster) Was oft hilft ist sich mitzuteilen, sich austauschen, unkonstruktives Grübeln durch Ablenkungen unterbrechen. Und immer auf seine Bedürfnisse achten. Wie fühle ich mich? Fühle ich Stress? Was würde mir jetzt im Moment guttun? Kleinigkeiten können die Stimmung maßgeblich ändern. Auch Abgrenzen, wenn es einem Mal zu nah geht. Zeit mit etwas/mit jemandem verbringen, das/der zufrieden oder auch Glücklich macht. Und das Wichtigste, wenn alles nicht wirkt: sich professionelle Hilfe zu suchen.

Wie sollen wir in Zeiten der Dauerkrisen leben?

Das Problem der Gleichzeitigkeit kommt nun noch dazu. Gleichzeitige Krisen bringen uns durcheinander. Unser Fokus auf Problemlösung gerät ins Wanken. Wir fühlen uns machtlos. Wir verlieren die Übersicht. Der Frust wächst. Ich glaube was wichtig ist, dass wir eine Form der Selbstwirksamkeit spüren. Also das Gefühl, dass wir handlungsfähig bleiben und wir dieses Gefühl spüren. Wir können etwas bewirken, wenn wir etwas tun. Ich finde, das hat etwas mit seiner Lebensführung zu tun. Die Journalistin Christine Amanpour hat kürzlich auf der Münchner Sicherheitskonferenz über das Thema "Führung" gesagt, dass Pragmatismus und Optimismus hierfür essenziell sind. Wie gehe ich voran? Was brauche ich, um zu "Ich" sein? Es ist aber auch wichtig, dass es eine individuelle Ebene als auch eine kollektive Ebene gibt. Dass Krisen sich auf individuellen Zustand auswirken, aber dass dennoch eine Krise auch oft nichts mit dir zu tun hat, sondern in der Regel systematischer Natur ist. Die Klimakrise, die Inflation, die Gesundheitskrise - all diese Krisen müssen auf einer systemischen Ebene gelöst werden. Engagement, Aktivismus, Aufmerksam machen sind Werkzeuge, um Krisen zu benennen und der erste Schritt zur Lösung. Doch dafür braucht man psychische, materielle Ressourcen und vor allem Zeit. Grenzen zu ziehen ist wichtig. Prioritäten zu setzen ist essenziell.

Und nun?

Amanpours Aussage des Pragmatismus und Optimismus hat mir gefallen,weil sie uns auch im Kleinen handlungsfähig halten. Handlungsfähigkeit ist wichtig. Seine Gefühle und Emotionen zu fühlen ist wichtig, aber etwas Pragmatismus hilft uns, Schritt für Schritt weiterzumachen. Optimismus gibt uns eine Perspektive und eine Haltung, wie wir Dingen begegnen. Optimismus kann scheitern. Dennoch ist mit einer Prise Optimus oftmals angenehmer durch das Leben zu laufen als ohne.

Hat dir der Artikel gefallen? Du willst mehr Artikel von mir lesen lesen? Dann abonniere doch meinen Newsletter und am besten du wirst ein Paid-Subscriber, dann honorierst du meine Arbeit mit 2,50 EUR pro Monat.

Kategorie Politik
Nur zahlende Mitglieder von Matrjoschka Writing können hier Kommentare lesen und schreiben.