NO FOMO
Über die Freiheit öfter eine Social-Media-Pause einzulegen
von Natalia Mleczko (Öffnet in neuem Fenster)

Die Erfindung von Social-Media hat zweifellos einen gravierenden Einfluss auf unseren Alltag. Vor allem für die jüngere Generation gibt es kaum ein Leben ohne Soziale Medien. Wir können damit über den gesamten Globus hinweg kommunizieren, ohne einen Schritt vor die Haustür gemacht zu haben. Viele beziehen sogar ihre Informationen ausschließlich über ihre Social-Media-Kanäle. Es gibt keine Art von Themen, die nicht auf Social-Media-Plattformen thematisiert werden: Politik, Gesellschaftsthemen, Beautytrends oder Bananenbrot. Ohne Zweifel: Social-Media ist zu einem Multimilliarden-Geschäft geworden.
Wo Bildschirmlicht ist, gibt es auch Schatten
Aber: es war auch nie einfacher unkontrolliert Hass und Zwiespalt zu streuen. Der Social-Media-Konsum hat vor allem auf Jüngere einen negativen Einfluss für ihre Psyche. Mehrere Studien bewiesen diesen Zusammenhang bereits eindringlich. Die Rollenbilder auf manchen sozialen Kanälen entsprechen jenen aus den 50er-Jahren. Dies bewies die MaLisa-Stiftung in einer Studie. Ein ziemlich ernüchterndes Bild.
Das Versprechen, das nicht gehalten wurde
Noch vor 20, 30 Jahren gab es die populäre These, dass das Internet mehr Demokratie, mehr Partizipation und mehr Kommunikation möglich machen wird. Das Internet als Heilsversprechen für eine liberalere und demokratischere Gesellschaft. Seit den später Nullerjahren wissen wir jedoch, dass das Internet und vor allem die Sozialen Medien, eben auch eine gefährliche Seite hat. Vernetzung und Wissensaustausch kann auch für anti-demokratische Zwecke missbraucht werden. Doch: Was wurde aus dem verheißungsvollen Glauben, dass das Internet mehr Demokratie, die Verbesserung der gesellschaftlichen Inklusion und der Ermöglichung der niederschwelligen Partizipation durch das Netz bringt? Doch der Zustand unserer modernen Gesellschaft ist brüchig. Das Internet hat seinen Anteil daran. Erst letzt las ich, dass immer mehr Menschen an russische Verschwörungstheorien glauben. Q-Anon und Querdenken sind nur zwei Beispiele von einer Reihe von Bewegungen, die durch die Nutzung von Sozialen Medien erst möglich wurden. Fake-News und Cyber-Angriffe gelten aktuell als ein massives Sicherheitsproblem. Wie dem zu entgegnen ist, das beschäftigt viele Regierungen, Behörden, Verwaltungen und Unternehmen.
Der Zustand unserer modernen Gesellschaft ist brüchig
Unsere Gesellschaft befindet sich im Umbruch. Wie wir weiterleben wollen, wie wir weiterleben können - fragen sich viele. Ich auch. Ich breche es auf die Nutzung von Social-Media herunter. Viele fühlen sich gestresst, sogar fast genötigt auf Sozialen Medien aktiv sein zu müssen. Andere sind neugierig. Andere wollen nichts verpassen. Sie fühlen FOMO - die fear of missing out. Das Cambridge Dictionary beschreibt FOMO als „das unbehagliche Gefühl, dass man spannende Events verpassen könnte, an denen andere Leute teilnehmen, oft hervorgerufen durch Beiträge auf Social-Media-Kanälen“. Soziale Medien sind zum Drehkreuz für soziale Interaktion geworden. Menschen neigen dazu, dazu zu gehören zu wollen. Sozialer Druck entsteht und dort, wo Druck entsteht, entsteht oftmals Stress und Überforderung. Soziale Medien können Stress erzeugen. Wenn wir uns aber an den Ursprung solcher Netzwerken erinnern, hatte dies oftmals mit Spaß und Kommunikation zu tun. Jetzt geht es um Selbstvermarktung, Brand-Building und Posting-Strategien. Wir sind bewusst oder unbewusst zu Content Creators geworden. Algorithmen sind unsere Gegenspieler. Soziale Medien fühlen sich heutzutage wie unbezahlte Zusatzarbeiten an. Dazu kommen Mobbing, Shitstorms und ungefragt versendete Dickpics obendrauf. Was für ein ätzender Ort, wenn man genauer überlegt. Diese Überlegung und Reflektion als Studi-VZ das heutige Insta war, als wir noch überfordert waren mit der Gestaltung eines dudelnden und überfrachteten MySpace-Profils, war dieses ganze Zeug überhaupt nicht von Bedeutung. Ob man ein Profil hatte, war zweitrangig, was gezählt hatte, war das reale Leben. Heutzutage hat sich das verschoben. Unsere Sozialen Profile gaukeln eine digitale bessere Version von uns vor. Schön poliert und makellos. Unsere digitale Welt ist gefiltert und wir enttäuscht, dass unsere reale Welt dagegen es nicht ist.
NO FOMO
Dieser Gedanke, dass Soziale-Medien für viele junge Menschen mehr als ein Kommunikations-Tool geworden sind, hat mich zum Nachdenken gebracht. Dass es ein Muss geworden ist, hat mich irgendwann ziemlich abgeschreckt. Warum sollte ich irgendwo freiwillig sein, wo es sich oftmals nicht gut anfühlt? Wo es zu viele Erwartungen gibt. Wo eine Kultur des Streits vorgelebt wird, aber nicht der konstruktiven Kritik oder gar der Versöhnung. In der realen Welt würde ich dort niemals freiwillig hingehen. Warum dann im digitalen Raum? Dieser Gedanke war im Endeffekt der ausschlaggebende Punkt und der, dass das Offline-Leben für mich schon immer gut war. Nette Nebeneffekte: höhere Produktivität, weniger Zerstreuung, mehr Erholung, weniger Überfrachtung mit Informationen von Share-Pics, mehr Zufriedenheit und weniger Vergleiche. Der beste Nebeneffekt: ich lese viel mehr und mit viel mehr Freude. Diesen eingetretenen Effekt will nicht mehr missen.
Soziale Medien sind per se nicht das Problem
Es gibt immer mehr Ansätze der Regulierung und neuerdings auch der rechtlichen Verfolgung von Straftaten. Das Internet wird wohl kein rechtsfreier Ort bleiben. Gut so! Aber wir sollten auch darüber sprechen, wie wir Soziale Netzwerke persönlich nutzen wollen. Welche Bedingungen stellen wir an Soziale Netzwerke, damit wir nicht nur passive Konsumenten bleiben, sondern uns emanzipieren und den Raum gestalten, in dem wir aufblühen, anstatt dort drinnen eingehen. Wir sollten mehr darüber sprechen, welche Gefahren und welche Folgen dies für unseren Alltag hat. Es ist erschreckend, dass wir unsere kostbare Zeit mit Doomscrolling und stundenlangem vor dem Bildschirm sitzen verschwenden. Selten macht uns dieses Verhalten zufrieden, aber der hellflackernde Bildschirm zieht uns wie Motten an. Immer häufiger sage ich mir dennoch: NO FOMO. Und siehe da, die Abstände in denen ich mich mit irgendeiner App beschäftige werden weniger und die Zeit in der ich meine Nase in einem Buch stecke werden länger.
P. S. Einfach die App immer wieder mal vom Smartphone löschen und via PC auf den Account zugreifen, wie in den good old days von MySpace und Studi-VZ. Der Abstand und die Interaktionseinschränkung hindern einen auf den Plattformen stundenlang zu versacken.
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