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Loslassen

Mein Mann hat mich am vergangenen Freitag überredet, der Einladung von Freunden zu folgen und mit dem Fahrrad zum Ballonfestival in die Bonner Rheinaue zu fahren. Ich wäre eigentlich dienstlich unterwegs gewesen, hatte mich aber entschuldigt und krank gemeldet. Wirklich krank bin ich nicht, eher müde. So müde, dass es mir schwer fällt, meinem Alltag nachzugehen. Und obwohl ich schlafe, fühle ich mich danach nicht erholt. Ich habe eine solche lähmende Müdigkeit noch nie erlebt.

Die Müdigkeit wird sich ganz sicher bald legen. Und es ist auch nichts Schlimmes. Mein Körper durchläuft gerade einen hormonellen Umstellungsprozess. Und da gehe ich durch die unterschiedlichsten Gemütszustände. Ich bin von der Aufgekratztheit in die Überempfindlichkeit gerutscht und jetzt im Zustand der Benommenheit gelandet. Widerstand zwecklos. Der Kokon, der mich einhüllt, umschließt mich und hält mich fest. Unsichtbar, aber kraftvoll.

Als ich gestern Abend so auf der Wiese lag und den aufsteigenden Ballons zusah, fühlte ich, dass es genau darum in meinem Leben gerade geht. Es geht nicht darum, aktiv zu sein und zu handeln. Es geht darum zuzusehen, es geschehen zu lassen und loszulassen. Es geht nicht darum aufzustehen und etwas mit meiner Kraft zu ändern. Es geht darum, es so zu nehmen wie es ist und ganz bei und mit mir selbst zu sein. Nur wahrzunehmen und zu fühlen.

Loslassen ist schon mein Thema. Wenn ich für eine Sache brenne oder mit einem Menschen sehr intensiv schwinge, dann docke ich stark an und entwickele Wünsche, Sehnsüchte und Hoffnungen. Und wenn sich eine Verabredung oder eine geplante Aktivität aber zerschlägt, weil etwas unvorhergesehendes dazwischen kommt, dann reagiere ich im ersten Moment oft mit Enttäuschung. Dann merke ich, wie ich emotional festhalte und erstmal gar nicht sehe, welche anderen Chancen damit womöglich sogar verbunden sind.

Ich habe diese emotionale Verbindung zu einer Sache oder einem Menschen nie in Frage gestellt. Ich habe sie sogar eher als Zeichen meiner Begeisterungsfähigkeit verstanden. Wäre ich nicht so begeisterungsfähig und stets mit dem ganzen Herzen dabei , dann würde ich nach meinem Verständnis auch keine Enttäuschung empfinden. Und umgekehrt leitete ich bei anderen Menschen, die entspannter und lockerer auf spontane Änderungen reagierten, eher eine gewisse Gleichgültigkeit ab und stellte, wenn es um eine Verabredung mit mir ging, ihre Verbundenheit mir gegenüber in Frage.

Als ich dazu die Rückmeldung bekam, dass ich sehr bewertend unterwegs sei, war ich in höchstem Maße irritiert und verletzt. Und ich habe Zeit und Raum gebraucht, um diese Kritik der Bewertung an mich heranzulassen. Und dann kamen plötzlich die Fragen: Was wäre anders, wenn ich mich auf etwas oder jemanden mit vollem Herzen freuen könnte, ohne enttäuscht zu sein, wenn es anders als erhofft kommt? Wäre dies dann eine Veränderung in meiner Beziehung zum Außen? Oder wäre es eine Veränderung in mir selbst? In meiner Beziehung zu meinem inneren Kind? Zu meinem kleinen Mädchen?

Und ich spüre, dass die Veränderung in mir selbst wäre und dass der Schlüssel die Selbstliebe ist. Und ich fühle die tiefe Sehnsucht, genau an dieser Stelle freier und unabhängiger vom Außen zu werden. Meine Vorstellungen von dem, wie etwas sein sollte, loszulassen. Und stattdessen dem Leben zu vertrauen. Weil das Leben keine Fehler macht. Und weil ich den Sinn nur verstehen kann, wenn ich die Situation annehme. Bedingungslos. Ohne Bewertung. Mit einer Träne oder einem Lächeln. Aber immer in der Liebe.

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