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Liebe Leser:innen,

heute wird’s sportlich: Olympia steht vor der Tür und in der Welt des Sports passiert derzeit so viel, man kommt kaum hinterher. Immer wieder wird dabei deutlich: Frauen und marginalisierte Gruppen müssen im Sport so viel stärker kämpfen als Männer.

Es geht schon damit los, dass Frauen von den Leichtathletik-Wettkämpfen bei Olympia lange ausgeschlossen wurden und sich ihren Platz dort hart erkämpfen mussten. (Über ihren Weg zu Olympia spreche ich in Folge 20 von HerStory (Öffnet in neuem Fenster)) Wenn sie dann zu Wettkämpfen antreten, macht der Profisport ihnen Themen wie Familiengründung unheimlich schwer.

Von außen betrachtet scheinen sich Schwangerschaft und der Hochleistungssport mit dem Diktat der perfekten Fitness gegenseitig auszuschließen. Ich bin beinahe jedes Mal aufs Neue überrascht, wenn Profisportlerinnen während ihrer aktiven Karriere ein Kind bekommen: dass sie Morgenübelkeit, Gewichtszunahme in der Schwangerschaft und die Strapazen der ersten Monate mit Baby mit physisch extrem anstrengenden Trainingsplänen und psychisch aufreibender Vorbereitung für Wettkämpfe im Profisport unter einen Hut bringen.

Umso fassungsloser war ich dann, als ich las, dass das Internationale Olympische Komitee stillende Mütter vor die Wahl stellte: Baby oder Olympia (Öffnet in neuem Fenster).  Die kanadische Basketballerin Kim Gaucher hat im März ihre Tochter bekommen und stillt noch. Das Organisationskomitee von Olympia hatte aber – unter anderem wegen der Pandemie – die Regel ausgegeben, dass nicht-akkreditierte Personen die Spiele nicht besuchen dürfen, sprich: weder Familie noch Freunde. Das galt auch für die drei Monate alte Tochter von Gaucher. Die 37-Jährige sagte: „Ich werde gezwungen, mich zwischen der Rolle als stillende Mutter oder olympische Athletin zu entscheiden. Ich kann nicht beides haben.“ Es gab einen Aufschrei in der Sportwelt und der Öffentlichkeit, so dass das IOC schließlich einlenkte: Stillende Mütter dürfen ihre Babies nun mit ins Olympische Dorf bringen. (Öffnet in neuem Fenster) 

Die Ausrichter der Olympischen Spiele bekleckern sich dieses Jahr ohnehin nicht mit Ruhm: Im Februar beschwerte sich der Organisationschef der Olympischen Spiele, dass Frauen in Meetings zu viel redeten (Öffnet in neuem Fenster) – und musste dafür seinen Hut nehmen. 

Dann ist da die Neuseeländerin Laurel Hubbard, die als erste trans Athletin bei Olympia antreten wird: Dass die Gewichtsheberin im neuseeländischen Frauenteam aufgestellt wurde, provozierte eine hitzige Debatte rund um die Frage, ob trans Athletinnen einen unfairen Vorteil gegenüber anderen Wettkämpferinnen haben. Genau eine dieser Konkurrentinnen stellte sich dann aber hinter Laurel Hubbard, ebenso wie Neuseelands Premierministerin Jacinda Ardern (Öffnet in neuem Fenster).

Und dann kam die News, dass die US-Sprinterin Sha’Carri Richardson trotz Bestleistungen bei den Qualifikationen nicht ins US-Olympiateam aufgenommen und mit einer einmonatigen Sperre belegt wurde (Öffnet in neuem Fenster). Der Grund: Sie wurde bei einem Drogentest positiv auf Marihuana getestet. Richardson hatte Marihuana geraucht, nachdem sie vom Tod ihrer biologischen Mutter erfahren hatte.

Das Medium The 19th schreibt über ihren Fall und zwei weitere schwarze Athletinnen, die wegen Entscheidungen in Bezug auf ihre mentale Gesundheit von der Sportwelt bestraft wurden (Öffnet in neuem Fenster): Tennisspielerin Naomi Osaka entschied sich gegen Presseinterviews bei den French Open und in Wimbledon und wurde dafür mit einer Strafe belegt, woraufhin sie ihre Teilnahme an den Turnieren absagte. Die Leichtathletin Brianna McNeal wurde mit einer fünfjährigen Sperre belegt, weil sie eine Dopingkontrolle verpasste – McNeal erholte sich zum Zeitpunkt der Kontrolle von einer Abtreibung, die sie nicht öffentlich machen wollte. The 19th attestiert der Sportwelt, im Umgang mit diesen Athletinnen und ihrer mentalen Gesundheit schlichtweg zu versagen.

Eigentlich regen mich all diese Ungerechtigkeiten im Vorfeld von Olympia und rund um den Sport so sehr auf, dass ich versucht bin, die Sportevents komplett zu ignorieren. Aber damit würde ich den Frauen, die so hart für ihren Weg in den Sport gekämpft haben, Unrecht tun. Ich will sie triumphieren sehen über ein System, dass ihnen bis heute Steine in den Weg legt.

Einschalten lohnt sich also doch.

Viel Spaß beim Lesen,

Jasmin

Tausche Basketballkarriere gegen Aktivismus: Maya Moore gewann mit ihrem Team vier Mal die WNBA-Basketballmeisterschaft und zwei Goldmedaillen bei Olympia. „Sports Illustrated“ nannte sie 2017 „the greatest winner in the history of women’s basketball“. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere verkündete sie zwei Jahre später, sich eine Auszeit vom Sport zu nehmen. Moore kämpfte stattdessen für die Freilassung von Jonathan Irons, der als 18-Jähriger für ein Verbrechen, das er nicht begangen hatte, zu 50 Jahren Gefängnis verurteilt wurde. Er wurde 2020 nach 23 Jahren im Gefängnis freigelassen. Moore und Irons sind heute verheiratet – im Porträt erzählt sie von ihrem Kampf für eine Strafrechtsreform und warum Sport und Aktivismus für sie zusammengehören. (Glamour (Öffnet in neuem Fenster))

Verbinde Basketballkarriere mit Aktivismus: Nachdem die ältere Schwester in der Familie als lesbisch geoutet wurde und die Eltern zunächst entsetzt reagierten, versteckte Layshia Clarendon die eigene Sexualität lange vor Familie und Öffentlichkeit. Heute ist Clarendon offen nicht-binär und trans in der US-Frauenbasketballliga . Clarendon pushte die WNBA, offene Unterstützung für die queere Community zu zeigen, half beim Verhandeln höherer Gehälter für die WNBA-Athletinnen und brachte die öffentliche Unterstützung der Basketballerinnen für die „Black Lives Matter“-Bewegung mit auf den Weg. Ein Porträt über Clarendons Kämpfe: die ganz privaten und die öffentlichen. (Gesehen bei Frauen reden über Fußball (FRUEF) – verbunden mit der Empfehlung für ihren Twitter (Öffnet in neuem Fenster)-Account und den Podcast (Öffnet in neuem Fenster)) (ESPN (Öffnet in neuem Fenster))

Vom Westen verlassen: Mary Akrami eröffnete 2002 das erste Zentrum für Frauen, die Opfer familiärer und häuslicher Gewalt werden. Heute betreibt sie ein Netzwerk von Anlaufstellen und außerdem ein Restaurant, in dem viele der Frauen arbeiten, denen sie geholfen hat. Der Abzug der US-Truppen aus Afghanistan nach jahrelangem Kampf gegen die Taliban gefährdet den hart erkämpften Schutz, die Freiheiten und Fortschritte für Frauen: Heute können sie studieren und als Polizistinnen, Abgeordnete oder Richterinnen arbeiten. Akrami kritisiert, dass die USA in ihrer Vereinbarung mit den Taliban keine Forderungen gestellt haben, um die Frauenrechte im Land explizit zu schützen. (France 24 (Öffnet in neuem Fenster))

Stimme für die Jungen: Unternehmerin und Politikerin Diana Kinnert sagt, die Jugend wurde als „Superspreader per se“ in der Coronakrise regelrecht annuliert und leidet deshalb am meisten unter ihr. Im Interview erzählt sie von den Herausforderungen an die junge Generation: Wie für die Generation ihrer Eltern lineare Ziele wie Sparkonten und Beförderungen zählten, von der Jugend hingegen Flexibilität, Agilität und Disruption verlangt werden. Sie glaubt das führt zu Einsamkeit, das Gefühl fürs Kollektiv geht verloren – und das so entstehende Vakuum kann zur Gefahr fürs demokratische Fundament werden. „Jungen Menschen werden Gefühle pauschal abgesprochen.“ (taz (Öffnet in neuem Fenster)

Männer mit Scheuklappen: Schon Autorinnen wie die Brontë-Schwestern oder George Eliot veröffentlichten unter einem männlichen Pseudonym, weil Männer weniger Bücher von Frauen als umgekehrt. Die Autorin Mary Ann Sieghart hat dazu eine Untersuchung vornehmen lassen, die zum Ergebnis kam: das Phänomen hält sich bis heute – und wirkt sich auch auf die Berichterstattung aus: Die britische Schriftstellerin Dolly Alderton wurde in ihrer Heimat nur von Frauen interviewt, erst in Dänemark erschien ein männlicher Journalist zum Interview. Sieghart schreibt darüber, was Männer verpassen, wenn sie Literatur von Frauen ignorieren. (The Guardian (Öffnet in neuem Fenster))


Hör- und TV-Tipps

🎧  How to divorce a billionaire: Die Medien berichten derzeit regelmäßig über die bald geschiedene Melinda French Gates und die bereits geschiedene Mackenzie Scott: Wie sie die Trennung händeln, Güter aufteilen und ihren Reichtum nutzen. Im Podcast gibt’s ein bisschen Geplänkel, aber er spürt interessanten Fragen um die Scheidungen nach: Sind Frauen, die ihren Männern aktiv zum Erfolg verholfen haben, auch zum Teil mitverantwortlich für den Schaden, den die Männer in ihren Machtpositionen angerichtet haben? Und während Bill Gates hektarweise US-Farmland kauft und Jeff Bezos ins All fliegen will, stellen wir eigentlich automatisch höhere Erwartungen an ihre Exfrauen, als Philanthropinnen ihr Geld nur für noble Zwecke einzusetzen? (The Waves, Slate (Öffnet in neuem Fenster))

📺  Queere Talkrunde: 50 Jahre nach der Premiere von Rosa von Praunheims Film „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ lädt Moderatorin Bettina Böttinger zu einer queeren Gesprächsrunde mit Moderator Jochen Schropp, der sich erst spät outete, trans Frau Hana Corrales, die für das Selbstbestimmungsgesetz kämpft, Rechtsanwältin Katja Dunkel, die queere Klient:innen beim Kampf für ihre Rechte vertritt und Nicolas Puschmann, der im TV-Format „Prince Charming“, der ersten Datingshow für Schwule im deutschen TV, seine Liebe fand. (WDR (Öffnet in neuem Fenster))

📺  Sicherer Hafen für traumatisierte Kinder:  “Es gab eine Zeit in meinem Leben, da wusste ich nicht, was wird mein Weg. Und da purzelten diese Pflegekinder in mein Leben”, sagt Vera. Mit 30 träumte sie vom Leben in Italien mit ihrem Mann und ihren Kindern – stattdessen lebte sie bald alleinerziehend mit zwei Kindern in Deutschland, pflegte ihre Eltern und stand vor großen finanziellen Sorgen. Dann wurde sie Pflegemutter – ein Gewinn für Vera und die 60 Pflegekinder, die sie in 28 Jahren jetzt betreut hat. (BR (Öffnet in neuem Fenster))

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