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Liebe Leser:innen,

seit Anfang Oktober werden die Nobelpreisträger:innen bekannt gegeben. Diese Woche verkündete das Komitee, dass die philippinische Journalistin Maria Ressa und der russische Journalist Dmitiri Muratow gemeinsam mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden „für ihre Bemühungen um die Wahrung der Meinungsfreiheit, die eine Voraussetzung für Demokratie und dauerhaften Frieden ist“ (Öffnet in neuem Fenster)

Ich habe nachgeschaut: Seitdem der Friedensnobelpreis 1901 zum ersten Mal vergeben wurde, ging er 18 Mal an Frauen. Die anderen Preise gingen nicht allein an Männer, sondern wiederholt an Organisationen. Die erste Friedensnobelpreisträgerin war 1905 die österreichische Autorin und Pazifistin Bertha Suttner. Ihr Roman „Die Waffen nieder“ bezog 1889 klar Stellung gegen den Krieg. Suttner engagierte sich jahrzehntelang in der Friedens- und Frauenbewegung.

Ressa wird nun also für ihr Engagement für die Meinungsfreiheit ausgezeichnet. Sie ist Mitgründerin und CEO der Nachrichtenseite Rappler, die seit ihrer Gründung 2012 zu einem der wichtigsten unabhängigen und investigativen Medien der Philippinen aufgestiegen ist. Ressa ist die erste philippinische Preisträgerin. „Der Fakt, dass eine Journalistin der Philippinen und ein Journalist aus Russland den Friedensnobelpreis bekommen, sagt etwas über den Zustand der Welt – und über den Zustand der Philippinen“ (Öffnet in neuem Fenster), sagte sie nach Bekanntgabe der Preisvergabe. 

Ressa wurde 1963 in Manila geboren und zog im Alter von 10 Jahren mit ihrer Mutter und ihren Geschwistern in die USA. Sie besuchte die High School in New Jersey, studierte dann Theater und Tanz in Princeton, bevor sie Mitte der 1980er Jahre auf die Philippinen zurückkehrte. Nach einer kurzen Karriere in der Lehre wandte sie sich dem Journalismus zu und berichtete für CNN. Ressa leitete zunächst die CNN-Büros in Manila und Jakarta und nahm sich die harten politischen Themen vor: Sie recherchierte zu Terrorismus und politischer Gewalt und schrieb Bücher darüber.

2010 verließ Ressa CNN und gründete Rappler. Dort blieb sie an den harten Themen dran, das Medium verschrieb sich der Berichterstattung über Korruption, Drogen und die politische Elite. Ressa schrieb 2016 darüber, wie Online-Propaganda auf Facebook und Co. die Wahl beeinflusste. Sie kritisiert das soziale Netzwerk als „voreingenommen gegen die Wahrheit“.

Vor den philippinischen Präsidentschaftswahlen 2016 interviewte Ressa Rodrigo Duterte. Das Interview machte Schlagzeilen, weil Duterte darin offen zugab, Menschen umgebracht zu haben. Ressas Interview legte Dutertes Macht- und Regierungsverständnis offen. Duterte warb damit, Korruption und Kriminalität zu stoppen, um eine arbeitsfähige Regierung zu schaffen. „Was ihn dabei von anderen unterscheidet: Er ist bereit zu töten, um das zu erreichen.“ (Öffnet in neuem Fenster) 

Duterte gewann die Wahl und wurde im Juni 2016 Präsident der Philippinen. Seitdem hat er Rappler und Ressa wiederholt öffentlich angegriffen und ihre Berichterstattung als „voller Zweideutigkeiten und Unwahrheiten“ kritisiert. Ein Versuch, das Unternehmen zu schließen, scheiterte 2018. Rappler wurde wiederholt mit Klagen überzogen, Ressa mehrmals festgenommen. Vergangenes Jahr wurde sie wegen „Online-Verleumdung“ verurteilt (Öffnet in neuem Fenster) für einen Rappler-Artikel, den sie weder selbst geschrieben noch redigiert hatte – ein klarer Beweis, dass Präsident Duterte die Pressefreiheit auf den Philippinen nicht respektiert.

Als Journalistin und CEO von Rappler stemmt sich Ressa mit investigativem und faktenbasiertem Journalismus gegen Misinformation, Lügen und Regierungspropaganda. Diese Leistung ehrt die Nobelpreiskommission nun. Ressa sagte über ihre Auszeichnung: „Es zeigt, dass das Friedensnobelpreiskomitee realisiert hat, dass eine Welt ohne Fakten eine Welt ohne Wahrheit und Vertrauen ist.“

Bis zur nächsten Ausgabe,
Jasmin

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Witze als Toleranzmaßstab: Männer seien „durchschnittlich, aber selbstbewusst“, sagt die chinesische Stand-Up-Komikerin Yang Li. Ihr Programm, in dem sie ziemlich deutliche Witze über Männer macht, hat die 29-Jährige zu einer feministischen Ikone gemacht. Das ganze Land diskutiert über sie – und wie Männer auf sie reagieren, ist für einige Frauen der Grund, sich von ihren Partnern zu trennen. (Vice News (Öffnet in neuem Fenster))

Faustkampf mit dem Patriarchat: Eine Frau in Boxhandschuhen ist im Iran eigentlich undenkbar. Sadaf Khadem hat sie trotzdem angezogen und ist in den Ring gestiegen. 2019 gewann sie ihren ersten offiziellen Boxkampf in Frankreich. Die Repressalien ließen nicht lang auf sich warten: Im Iran gilt seit dem Kampf ein Haftbefehl gegen sie. Für viele ist sie zum Symbol geworden: sie hat Grenzen durchbrochen – doch sie selbst hadert mit diesem Label. (Sueddeutsche Zeitung (Öffnet in neuem Fenster)

Priesterinnen krempeln indische Rituale um: Zum ersten Mal nehmen in diesem Jahr Priesterinnen an den Ritualen des größten indischen Fests Durga Puja zu Ehren der Göttin Durga teil. Die Frauen des Kollektivs Shubhamastu interpretieren indische Rituale neu, um Frauen darin eine gleichberechtigte Rolle zu geben. Zum Beispiel bei Hochzeiten, bei denen Frauen nicht länger vom Brautvater als „Geschenk“ an den Bräutigam übergeben werden. (NPR (Öffnet in neuem Fenster)

Frau soll es richten: Jane Fraser ist neue CEO der Citigroup und steht mit 54 Jahren als erste Frau an der Spitze einer der größten US-Banken. Von allen großen US-Bankhäusern ist Citigroup das am schwersten gebeutelte – Frasers Beförderung scheint dem Schema zu entsprechen: Wenn es mies läuft, soll eine Frau aufräumen. An die Erwartungen der Männerwelt Wall Street hält sie sich dabei nicht. Eine ihrer ersten Amtshandlungen: Die Rückkehr ins Büro ist gecancelt, Bankangestellte bestimmen ihre Arbeitszeiten selbst. (Bloomberg (Öffnet in neuem Fenster)

Selma Blair stellt sich neu vor: Im Jahr 2018 bekam Schauspielerin Selma Blair die Diagnose, dass sie an Multipler Sklerose erkrankt ist. Sie machte ihr Krankheit öffentlich, tritt seitdem immer wieder mit Gehstock auf. Mit der Dokumentation „Introducing, Selma Blair“ geht sie einen Schritt weiter: Sie ließ sich bei einer Stammzellenbehandlung und anschließenden Chemotherapie filmen, die sie im Jahr 2019 absolvierte. Blair hofft, durch den ungeschönten Blick auf ihre Krankheit den Umgang mit Multipler Sklerose und Betroffenen zu normalisieren. (New York Times (Öffnet in neuem Fenster))

Hör- und TV-Tipps

🎧  Wegen Anita: Gestern vor 30 Jahren wurde Clarence Thomas als Richter an den U.S. Supreme Court berufen, obwohl ihm seine frühere Mitarbeiterin Anita Hill sexuelle Belästigung vorwarf. Beinahe drei Jahrzehnte wiederholte sich die Geschichte, als Brett Kavanaugh ans oberste US-Gericht berufen wurde, obwohl Christine Blasey Ford aussagte, Kavanaugh habe sie sexuell missbraucht. Haben die Amerikaner in drei Jahrzehnten denn gar nichts gelernt? Dieser Frage geht der vierteilige Podcast „Because of Anita“ auf den Grund. Zum ersten Mal sprechen darin auch Hill und Blasey Ford miteinander. (Because of Anita (Öffnet in neuem Fenster))

📺  Loredana für die „feminielli“: Trans Frauen, „feminielli“ wurden in Neapel als Glücksbringerinnen verehrt – marginalisiert sind sie trotzdem. Die Neapolitanerin Loredana Rossi versteckte jahrelang ihre Identität, nach ihrem Coming Out warf der Vater sie raus, sie musste der Sexarbeit nachgehen. Heute engagiert sie sich als Sozialarbeiterin und Aktivistin für die Rechte von trans Personen ihrer Stadt. TW: Loredana hält ihren alten Ausweis mit ihrem früheren Vornamen in die Kamera und der Vorname wird im Programm genannt. (Arte (Öffnet in neuem Fenster))

📺  Schwanger, na und? Als Marie schwanger wurde, sagte ihr Frauenarzt: „Jetzt haben wir aber ein Problem“. Marie sitzt im Rollstuhl – und als Schwangere mit einer Behinderung war sie damit automatisch ein Problemfall, auch in den Augen der Behörden. Das Jugendamt berief eine Hilfekonferenz ein. Der Film sensibilisiert für Vorurteile gegenüber schwangeren Menschen mit Behinderung, für falsche Hilfsbereitschaft – und zeigt, wie Marie sich widersetzt. (MRD (Öffnet in neuem Fenster)

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