Zum Hauptinhalt springen

Liebe Leser:innen,

wenige Diskussionen sind so übergriffig wie die um den Kinderwunsch. Schon die Frage ist persönlich und geht niemanden etwas an – es sei denn, die Gesprächspartnerin* will selbst offen darüber reden. Die Reaktionen schwanken oft zwischen mitleidigen (kannst du keine Kinder bekommen?) oder verständnislosen Blicken (wie, du willst keine Kinder bekommen?!). Dass die Entscheidung gegen Kinder oft mit Krankheit oder Egoismus im Hinblick auf die eigene Karriere gleichgesetzt wird, sagt viel darüber aus, wie tief verankert manche Erwartungen und Rollenbilder in unserer Gesellschaft sind.

Das Thema Frauen*, Kinder und Karriere hat die Autorin und Kolumnistin Katja Berlin neulich in einer ihrer „Torten der Wahrheit“ auf den Punkt gebracht:

https://twitter.com/katjaberlin/status/1384435454104199177?s=20 (Öffnet in neuem Fenster)

Auch die in Berlin lebende britische Fotografin Zoë Noble wurde wiederholt mit dem Thema konfrontiert. Ihre Entscheidung, keine Kinder zu bekommen, stand schon früh fest. Offen dazu zu stehen, dauerte viel länger. Weil sie immer wieder mit den gleichen Vorurteilen konfrontiert wurde: selbstsüchtig, kaltherzig, karrieregeil.

Schließlich verwandelte sie ihre Frustration über die Debatte in Kreativität: Im Januar ging die Fotografin mit ihrem Projekt „We are childfree“ (Öffnet in neuem Fenster)  live. Noble gibt Menschen, die kinderfrei leben, Sichtbarkeit. Sie normalisiert, dass Frauen* nicht nur ein Recht darauf haben, über ihren Körper zu entscheiden. Sondern auch ein Recht darauf, diese Entscheidung offen, vorurteilsfrei und glücklich auszuleben.

https://twitter.com/wearechildfree_/status/1388112288524214273 (Öffnet in neuem Fenster)

Noble porträtiert und interviewt Frauen* ohne Kinder und veröffentlicht ihre Geschichten als Fotos, Stories und Podcasts. Schon jetzt sind 26 Geschichten online. Etwa die von Monica, die aus El Salvador nach Spanien kam und heute in Deutschland lebt (Öffnet in neuem Fenster). Mit Mitte 30 hatte sie Schwierigkeiten, einen Job zu finden – bis sie bei Jobinterviews offen sagte, dass sie keine Kinder will. 

Lise erzählt davon, warum es ihr als Kindermädchen reicht, sich im Job um anderer Leute zu kümmern (Öffnet in neuem Fenster). Wie sie dort tagtäglich sieht, dass die Umwelt Frauen* mit Kindern zuallererst als Mütter definiert - und Lise sich eine Identität abseits dieser Rolle bewahren will. 

Im Podcast spricht Noble unter anderem mit Marcia Drut-Davis, die 1974 in der US-Show "60 Minutes" erklärte, keine Kinder bekommen zu wollen. Drut-Davis erzählt von den Reaktionen: (Öffnet in neuem Fenster) Sie verlor ihren Job und bekam sogar Todesdrohungen.

Noble versucht mit ihrem Projekt nicht, alle Frauen* von einem „Nein zu Kindern“ zu überzeugen. Sie gibt lediglich denen, die diese Entscheidung getroffen haben, einen Ort der Sichtbarkeit (Öffnet in neuem Fenster) und des Austauschs.

Ob Frauen* sich für oder gegen Kinder entscheiden, ist ganz allein ihre Sache. Allen wünsche ich das Selbstverständnis der Inderin Rubi Chauhan, mit der Zoë Noble ebenfalls in ihrem Podcast spricht (Öffnet in neuem Fenster): „I just accept myself for who I am, and I never apologise for it.“

Viel Spaß mit dieser Ausgabe,
Jasmin

Fragen, Anregungen, Feedback? Schreibt mir an feedback@herstorypod.de (Öffnet in neuem Fenster)

Für feministische Kunst vor Gericht: Vergangene Woche hat in Russland das Verfahren gegen Yulia Tsvetkova begonnen. Die queere Künstlerin wird von den russischen Behörden beschuldigt, verbotene LBGTQ+ „Propaganda“ verbreitet zu haben. Sie postete Kunst online, die Vaginas zeigt - und könnte dafür bis zu 6 Jahre Gefängnis bekommen. Es ist ihr dritter Verstoß gegen ein 2013 verabschiedetes Gesetz, das es verbietet, Informationen über „nicht-traditionelle Beziehungen“ zu verbreiten. Was sie mit ihrer Kunst erreichen will, wie die russischen Behörden sie unter Druck setzen und warum sie trotzdem nicht aufhören will, erzählt dieses Porträt. (Los Angeles Review of Books) (Öffnet in neuem Fenster)

Für medizinische Versorgung ins Gefängnis: Dr. Morissa Ladinsky ist eine Kinderärztin im US-Bundesstaat Alabama, die in ihrer Praxis auch trans* Jugendliche versorgt. 115 anti-trans* Gesetze sind derzeit in 31 Bundesstaaten eingebracht worden. Sie verbieten trans* Kindern die Teilnahme am Sport oder wollen – wie in Alabama – die Transformation für Kinder und Jugendliche mit Geschlechtsdysphorie unter Strafe stellen. Ladinsky könnte inhaftiert werden, wenn sie trans* Patient:innen bei der Transformation medizinisch begleitet. In diesem Stück schreibt sie über ihre Erfahrungen mit Patient:innen vor und nach der Transformation und von ihrem Entsetzen über die anti-trans* Gesetze im Land. (Them) (Öffnet in neuem Fenster)

Vorkämpferin für Diversität und Quote: Janina Kungel war ab 2015 fünf Jahre lang Vorständin bei der Siemens AG. Ende vergangenen Jahres initiierte sie die Kampagne #IchWill mit, die eine Frauenquote von 30 Prozent in Führungspositionen fordert. Jetzt hat sie ein Buch geschrieben, in dem sie sich mit den Arbeitsbedingungen von morgen auseinandersetzt. Hier spricht sie darüber, wie Frauen in der Pandemie in veraltete und unfaire Rollenaufteilungen zurückgedrängt wurden, was die Quote in ihren Augen erreichen soll und und warum für die Besetzung von Führungspositionen gilt: Je diverser, desto besser. (Edition F) (Öffnet in neuem Fenster)

Ureinwohnerinnen kämpfen für ihr Land: US-Präsident Barack Obama erklärte die Tafelberge Bears Ears und das umgebende Land im US-Bundesstaat Utah 2016 zu einem National Monument. Sein Nachfolger gab Donald Trump große Teile von Bears Ears zur Ausbeutung durch Öl- und Gasunternehmen frei. Nach dem Amtsantritt von Joe Biden und der ersten indigenen Innenministerin Deb Haaland wenden sich die „Women of Bears Ears“ an den Präsidenten und fordern ihr Land zurück. Sie schreiben über ihre besondere Verbindung mit dem Land: „Wir kennen die Namen der Berge, Pflanzen und Tiere die uns alles lehren, was wir wissen müssen um zu überleben.“ (New York Times) (Öffnet in neuem Fenster)

Mit Vollgas in die E-Mobilität: Im Januar verkündete GM, ab 2035 keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr produzieren zu wollen. Bis 2025 will das Unternehmen 30 neue Modelle auf den Markt bringen. Damit rückt der traditionelle amerikanische Autobauer dem Elektroautohersteller Tesla auf die Pelle. Verkündet hat den Move GM-CEO Mary Barra, die den Konzern seit 2014 leitet. Im Interview spricht sie darüber, wie GM dem E-Auto-Marktführer Tesla gefährlich werden will, warum sie unter Trump eine Klage gegen bessere Emissionsstandards in Kalifornien unterstützte und warum ausgerechnet der Hummer als E-Auto neu aufgelegt wird. (Time) (Öffnet in neuem Fenster)

Hör- und TV-Tipps:

🎧  Nase voll von mansplaining: Die Journalistin Rebekka Endler hat zu patriarchalem Design recherchiert und darüber das Buch „Das Patriarchat der Dinge“ geschrieben. Im Podcast von Nora Hespers erzählt sie, warum wir zum Beispiel Heuschnupfen auch patriarchalem Design verdanken. Und sie spricht über ihre Recherche für das Buch, bei der nach Interviewanfragen ein Schwall von "mansplaining" in ihrem Emailpostfach landete. Die Folge: In ihrem Buch kommen nur Expertinnen zu Wort. (Mensch, Frau Nora!) (Öffnet in neuem Fenster)

📺  Frische Perspektiven in der Politik: Laura Isabelle Marisken, Aminata Touré, Gyde Jensen und Terry Reintke sind junge Politikerinnen und arbeiten auf regionaler, nationaler und europäischer Ebene. Der Film begleitet die vier bei ihrer Arbeit. Laura Isabelle Marisken muss als neue Bürgermeisterin der Gemeinde Ostseebad Heringsdorf Bürgernähe zeigen: bei einem Bodypainting-Wettbewerb mit nackten, angemalten Frauen. Aminata Touré macht sich als Afrodeutsche stark gegen Rassismus und für marginalisierte Gruppen. Gyde Jensen bereitet im Paul-Löbe-Haus ihre nächste Ausschusssitzung vor, ihr Mann nimmt die wenige Wochen alte Tochter zum Spaziergang. Und Terry Reintke erlebt im Europaparlament den Brexit mit. (ARD) (Öffnet in neuem Fenster)

📺  Selbstbestimmt im Busch: Heike Schweigert tauschte ihr Büro in Hamburg gegen das Cockpit in Botsuana: Als Buschpilotin fliegt sie Touristen, Jäger und Geschäftsleute in die entferntesten Winkel des noch immer weitgehend unbesiedelten Landes. Zusätzlich arbeitet sie als Fluglehrerin. Immer häufiger unterrichtet sie angehende Pilotinnen. Sie nimmt die Kamera mit ins Cockpit, an ihren Lieblingsplatz in der Salzwüste und hoch in die Lüfte. Achtung: Fernweh-Gefahr! (BR) (Öffnet in neuem Fenster)

Du kannst HerStory auf Twitter (Öffnet in neuem Fenster) und Instagram (Öffnet in neuem Fenster) folgen.

Wenn du die Arbeit an HerStory und TheirStories für mehr Sichtbarkeit von FLINTAs unterstützen möchtest, kannst auf das auf Steady (Öffnet in neuem Fenster) tun.

Wurde dir dieser Newsletter weitergeleitet? TheirStories bringt dir jeden zweiten Samstag Geschichten von FLINTA-Wegbereiter:innen. Hier abonnieren! (Öffnet in neuem Fenster)

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von HerStory und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden