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Kunst und künstliche Intelligenz

Kommt Dir dieses Bild bekannt vor? Vielleicht. Wenn Du dieses Bild hier kennst.

Das untere ist ein Gemälde von mir, das ich mit der VR Brille gemalt habe. Das obere hat eine künstliche Intelligenz gemacht, die DALL-E 2 von OpenAI, die Firma, die auch ChatGPT3 herausgebracht hat.

Ich habe das meiner Freundin Rose Steinhoff gezeigt. Sie ist Musikerin und Designerin aus Botswana und arbeitet mit mir, ihrem Mann, dem Musiker und Graphikdesigner Manu und dem Spoken Word Künstler Marco Michalzik zusammen in der Bokopano Factory in Marburg. Hier gehen wir unseren künstlerischen Tätigkeiten nach und denken uns neue schöne Dinge für die Welt aus. Ich habe das also Rose gezeigt. Und sie war erschrocken. Wenn das so weitergeht, meinte sie, sind wir bald überflüssig. Dann braucht es keine Künstler*innen mehr, das machen dann alles die Maschinen.

Ehrlich gesagt mache ich mir da keine so großen Sorgen. Aber es stimmt natürlich: Je besser die künstlichen Intelligenzen werden, desto mehr wird sich unser Verständnis von menschlicher Arbeit ganz allgemein verändern. Was ist der Mensch? Was trägt er zum großen Ganzen bei, das nicht von Algorithmen übernommen werden kann? Was macht ein Kunstwerk eigentlich zu einem Kunstwerk?

Die Künstlerin Agnieszka Kurant aus Polen beschäftigt sich mit ähnlichen Themen. Sie hinterfragt ganz grundsätzlich die Vorstellung, dass einzelne Individuen ganz allein und losgelöst von allen anderen Dinge hervorbringen, die dann anschließend von allen bewundert werden. Was sie meint,  lässt sich am Beispiel der KI ganz gut veranschaulichen. Wir stellen uns diese 'Maschine' als einzelnes anthropomorphes Individuum vor. In Wirklichkeit ist sie das Ergebnis einer Vielzahl an unsichtbaren Arbeiter*innen im Hintergrund. Und nicht nur das. Die Information, auf die die KI zurückgreift, ist von uns allen geschaffen worden. Das bedeutet: Die springende Antilope des ersten Bildes ist das Ergebnis unser aller Wissen und Arbeit. Ich habe nur die Prompts gegeben, indem ich schrieb: painting of a red antelope jumping over a wrecked car in a desert with big burning houses in the background.

Noch nicht einmal das menschliche Individuum, sagt Kurant, ist wirklich ein Individuum. Wir sind bevölkert von anderen Lebewesen in unserem Darm, in der Blutbahn, im Gehirn. Außerdem sind unsere Entscheidungen und Handlungen oft das Ergebnis der Einflussnahme durch die Technologie, die wir nutzen, die Hinweise und Verlockungen, die sie uns geben. Und all das stammt von Menschen, die die Informationen anderer Menschen dafür nutzen.

Kurant verdeutlicht das durch Kunstwerke wie zum Beispiel A. A. I., das es in mehrfachen Ausführungen gibt. Es handelt sich um Termitenhügel, die durch lebende Termitenkolonien erbaut wurden und zwar aus Materialien, die ihnen Kurant zur Verfügung stellte: farbiger Sand, Gold und Kristalle. Ganz bewusst ist nicht sie die autonome Künstlerin, die den Prozess kontrolliert, sondern die Gemeinschaft der Termiten. Ein Vorgang, der so ein bisschen an die Arbeit mit einer künstlichen Intelligenz erinnert.

Mit KI arbeitet Kurant übrigens auch. Zum Beispiel hat sie sämtliche Unterschriften einer Gemeinschaft von Leuten gesammelt und eine künstliche Intelligenz daraus eine einzige Unterschrift komponieren lassen. Diese Meta-Unterschrift hat sie dann als eine Skulptur aus LEDs und Neon errichtet und sie 'The End of Signature' genannt (2021).

Was ist Kunst? Eins ist klar: Die Vorstellung davon, was sie ist, ändert sich – mal wieder und nicht zum ersten Mal. Ich glaube, wir sollten uns verabschieden von der genialen Einzelperson, die auf geheimnisvolle Weise wunderbare Dinge hervorbringt. Darum geht es doch gar nicht. Es geht um Begegnungen zwischen Menschen, um das Bewusstsein, dass wir keine Monaden sind, sondern Teil einer Gemeinschaft. Kunst kann dazu beitragen.

Klar, ich werde auch in Zukunft mit großer Freude alleine an meinen Werken arbeiten. Ich bin froh, dass ich bei dem einen Antilopenbild jeden, aber auch wirklich jeden Strich selbst gemacht habe, dass ich mir darüber den Kopf zerbrochen habe, ob ich diese fetten Outlines wirklich ziehen soll und es dann getan habe, weil ich dafür einen Grund hatte (weil ich nämlich darauf hinweisen wollte, dass in einer bildergesättigten Welt viele Dinge quasi unverbunden nebeneinander zu stehen scheinen, als hätte man sie ineinanderkopiert und so eine neue Komposition erstellt). Macht das mein Bild wertvoller als das Bild der KI? Diese Entscheidung überlasse ich Dir.

Ganz herzlichen Dank an Euch, die Ihr mir dabei helft, die Miete für meinen Platz in der Bokopano Factory aufzubringen! 'Bokopano' ist ein setswanisches Verb und bedeutet 'sich auf den Weg machen, eine Gemeinschaft zu bilden'. Wir gehen also freiwillig in unsere Fabrik, weil wir uns hier begegnen, uns austauschen und gemeinsame Ideen entwickeln. Für meine künstlerische Praxis ist das sehr wertvoll, damit ich eben nicht der kreative Eigenbrödler in seiner Künstlerbutze bin, sondern Anregungen von Außen aufnehmen und weiterverarbeiten und vom Know How der anderen profitieren kann. Wenn Du mir auch gerne ein bisschen helfen möchtest,kannst Du das ganz leicht über https://steadyhq.com/gofimueller (Öffnet in neuem Fenster)oder über PayPal (https://gofi-mueller.de (Öffnet in neuem Fenster)). Danke!

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