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Politikjournalismus: Im Rausch der Parteilogik

Im Politik-Journalismus gibt dieses seltsam dominate Format, wenn es um nationale Politik geht. In diesem Format channeln Journalist:innen ihren inneren Parteistrategen und diskutieren dann ausschließlich aus einer Innenperspektive einer Partei oder einer Parteiführung über strategische und kommunikative Performance.

Laschet  braucht dringend etwas, um die Dynamik zu ändern, einen Aufbruch, eine  Art Haltelinie. Das Tragische ist, dass allzu viel nicht infrage kommt.  Genau genommen hat er zwei Optionen, und beide sind schlecht. SPIEGEL (Öffnet in neuem Fenster)

Den  neuen Parteichef Armin Laschet stellt dieser Wahlabend vor eine  wichtige, strategische Entscheidung: Soll er frühzeitig nach der  Kanzlerkandidatur greifen? Sein Image als rheinisch-freundlicher  Vermittler abstreifen und sich eine zackigere Attitüde verschreiben? ZEIT (Öffnet in neuem Fenster)

Dieses Format wird vor allem in sogenannten Hauptstadtstudios, Hauptstadtbüros oder  Parlamentsredaktionen produziert. Und es unterscheidet sich sehr von der  Art und Weise, wie Politjournalist:innen sonst über politische Inhalte  schreiben. 

Wenn es um die Bewertung von politische Konzepten und deren Wirksamkeit für Problemlösungen geht, dann schreiben dieselben Journalist:innen eher zurückhaltend, ausweichend und ausgleichend, um sich dem Verdacht einer ideologischen Nähe zu entziehen.

Im Parteilogik-Format muss man diese Vorsicht jedoch nicht walten lassen. Denn hier geht es nicht um Inhalte. Hier geht es um die Analyse von parteistrategischen Schachzügen. Hier geht es um glaubwürdiges Auftreten. Um die passende Kommunikation. Um die Frage, ob gerade ein Moderator oder ein Macher gefragt ist.

Armin  Laschet und Markus Söder müssen klären, wer die Kanzlerkandidatur  übernimmt, rasch! Dafür kann ein Moment richtig sein, der sehr viel  näher an Ostern als an Pfingsten liegt. Die CDU – nicht nur im Südwesten  – ist verunsichert. Ihr droht, die eigene Kernkompetenz, die  Regierungs-Fähigkeit abhanden zu kommen. DEUTSCHLANDFUNK (Öffnet in neuem Fenster)

Im Parteistrategen-Modus trauen sich Politikjournlist:innen mehr zu. Sie loben  gute Manöver und tadeln unsouveränes Auftreten. Sie geben fundierte und  konstruktive Ratschläge, wie sich die Partei jetzt positionieren sollte,  um die Wählergunst zu erlangen. Man könnte es konstruktiven Journalimus nennen, wenn es doch bloß um politische Inhalte gehen würde.

Die  Mischung aus der Korruptionsaffäre und der mangelnden Führung ist  toxisch. Laschet muss in dieser Krise endlich Verantwortung übernehmen.  Er muss auf die Bundestagsfraktion zugehen, dort Gespräche führen. Er  muss den Wählern erklären, wofür die CDU steht, nur so kann sie  Vertrauen zurückgewinnen. T-ONLINE (Öffnet in neuem Fenster)

Aus dieser Perspektive schreiben Politikjournalist:innen schärfer und selbstsicherer. Eben genau weil es hier nicht um Inhalte geht. Denn die Analyse von politischen Inhalten und deren Bewertung hat immer den Nebeneffekt, dass das ohne die Offenbarung der eigenen Weltsicht oder des eignen Wertegerüsts nicht möglich ist. Und das öffnet wiederum die Tür für Kritiker, die neutrale, ausgewogenen und unpolitische Berichterstattung verlangen.

Das Parteilogik-Format ist durch das falsche Neutraliätsideal zu einem Refugium für Politikjournalist:innen geworden. In diesem Format ist die Welt noch in Ordnung und es stellen sich keine unangenehmen Fragen nach Haltung oder Ausgewogenheit.

In dem Podcast "Are You Smart or Just Cynical?" (Öffnet in neuem Fenster) versuchen Kathleen Hall  Jamieson und Jay Rosen eine Antwort darauf zu geben, wie dieses Format  historisch entstanden ist und warum es für Politik-Journalismus so  attraktiv erscheint. Sie beziehen sich dabei zwar auf die USA, aber ich  denke es lässt sich viel auch für Deutschland übertragen.