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kurz & knapp: Israel schließt Fernsehsender Al Jazeera

Räumung des Büros von Al Jazeera

Israel hat ein Gesetz verabschiedet, den Sender Al Jazeera zu schließen. Das wurde gestern umgesetzt, ein Büro in einem Hotel im Osten Jerusalems wurde geräumt.
Die Entscheidung wird von vielen Seiten kritisiert. Doch die Berichterstattung darüber empfinde ich als einseitig.

Die Pressefreiheit ist ein hohes Gut der Demokratie und Gewaltenteilung. Niemand bestreitet das.
Die Frage ist, ob ein Staat deshalb alles erdulden muss.

Die UN protestierte gegen die Schließung des Senders, es war vorhersehbar. Der Verband der Auslandspresse in Israel bezeichnete es als „dunklen Tag für die Medien“. „Mit dieser Entscheidung reiht sich Israel in den zweifelhaften Club der autoritären Regierungen ein, die den Sender verbieten.“ Und Omar Shakir, der Direktor von Human Rights Watch für Israel und Palästina, sah es als „Angriff auf die Pressefreiheit“.

Das kann man alles so akzeptieren. Aber die Gewichtung der Argumente erscheint mir doch etwas sehr einseitig. Selbst wenn man einberechnet, dass Medien fast zwanghaft gegen jede Einschränkung berichten müssen.
Was so aber untergeht, ist der tatsächliche Hintergrund von Al Jazeera. Der in deutschsprachigen Medien höchstens weiter unten im Fließtext angedeutet wird.

Tatsächlich ist Al Jazeera in vielen arabischen Ländern ebenfalls verboten bzw. hat keine Sendelizenz. Was auch noch kein gutes Argument ist, denn Länder wie Saudi-Arabien oder die Arabischen Emirate sind ja nun keine Fackeln der Pressefreiheit. Aber es ist ein Hinweis, dass vielleicht doch etwas mehr dahintersteckt.

Al Jazeera unterhält nämlich zwei „Outlets“, ein englischsprachiges mit Büros u.a. in Washington und ein arabischsprachiges in Katar. Dem Land, zu dem viele arabische und afrikanische Staaten die diplomatischen Beziehungen abgebrochen haben und das als Residenz für Hamas-Führer dient.

Der Sender hat - wie Katar selber - klare Verbindungen zu den Muslimbrüdern. Aus denen ist auch die Hamas hervorgegangen. Die arabischsprachige Plattform kann man getrost als Propagandasender bezeichnen, manche bezeichnen ihn auch als Haussender der Hamas.
Das ist nicht neu. In den internen Kämpfen zwischen Hamas und Fatah zu Beginn dieses Jahrtausends, die nach dem Rückzug Israels aus dem Gaza-Streifen ihren bürgerkriegsähnlichen Höhepunkt fanden, hat sich Al Jazeera deutlich auf die Seite der Hamas gestellt.

Letztendlich darf man auch nicht vergessen, dass eben diese Muslimbrüder der Grund sind, warum Ägypten die Grenze zum Gaza-Streifen ebenfalls geschlossen hat und auch jetzt hält. Die haben nämlich auch ihre Erfahrungen, doch das fällt in der Berichterstattung immer wieder vom Tisch.

Und genau diese Plattform ist es, die von vielen Palästinensern als primäre und häufig einzige Informationsquelle genutzt wird. Von denen also, die an der digitalen Infrastruktur des Landes hängen, dass sie zerstört sehen wollen. Natürlich die arabischsprachige Version, nicht die harmlosere englische.

In den Medien wird nun häufig argumentiert, Al Jazeera habe „kritisch“ über das Vorgehen Israels berichtet. Und von der Zerstörung im Gaza-Streifen. Was in anderen israelischen Medien selten stattfinden würde.
Und genau das ist es, was mich stört. Denn damit wird der Eindruck vermittelt, dass die Regierung eine unliebsame kritische Stimme unterbinden wolle.

Von der von allen Seiten kritisierten Propagandatätigkeit ist wenig zu lesen. Noch weniger davon, dass Al Jazeera im Gaza-Streifen mit der Hamas und dem Islamischen Dschihad eng verbunden ist.

Es wird implizit der Eindruck vermittelt, dass es sonst keine kritischen Stimmen in den israelischen Medien geben würde. Doch das ist falsch.
Wobei ich spontan an die Haaretz denken muss, die nicht nur sehr offen über Gaza berichtet und kein gutes Haar an der Regierung Netanjahu lässt, sondern international sogar als Leitmedium gilt.

Einerseits sehe ich jede Maßnahme gegen die Pressefreiheit ebenfalls sehr kritisch. Andererseits kann ich aber nicht umhin, den Schritt Israels in der jetzigen Situation völlig zu verstehen.
Denn es wurde ja eben nicht die Pressefreiheit im Allgemeinen angegriffen. Sondern es wurde ausdrücklich und ausschließlich diesem einen Sender ein Riegel vorgeschoben.
Was – aus dieser Perspektive – mit dem Sperren des russischen Propagandasenders RT in Deutschland zu vergleichen ist. Wodurch auch niemand gleich die freie Berichterstattung in Gefahr sah. Außer einige russlandfreundliche Propagandadullies.

Was tatsächlich passiert ist, ist lediglich, dass ein Büro in einem Hotel (!) geräumt wurde und die direkte Übertragung beendet wurde.
Bis gestern Abend waren die Seiten von Al Jazeera von Israel aus online noch zu erreichen.

Kategorie kurz & knapp

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